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Razzia Die Berliner Rechtsrock-Band “Berlin Breed”- Dunkelbraun statt Grauzone

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Razzia bei Rechtsrock-Band “Berlin Breed” (Quelle: Screenshot)

Am vergangenen Mittwoch, den 13. September, um 6 Uhr morgens kam es in den Berliner Bezirken Köpenick, Neukölln und Friedrichshain, sowie im sachsen-anhaltinischen Magdeburg, in Wildau in Brandenburg, in Rothenklempenow in Mecklenburg-Vorpommern und im sächsischen Lengenfeld zu Razzien. Das Ziel waren Mitglieder der Band „Berlin Breed“, Betreiber des Plattenlabels „FK-Produktion“ und eine weitere Person, die Texte für die Band geschrieben haben soll. Es wurden Kommunikationsmittel und Datenträger sichergestellt.

„Berlin Breed“ wird in Medienberichten über die Razzien als „Grauzonen-Band“ beschrieben, die sich nicht offen rechtsextrem gibt. Auf ihrem Facebook-Profil beschreibt sich die Band selbst folgendermaßen: „Berliner Mucke, kein Festival-Bierzelt-Oi!, klare Sprache, klare Kante.“

Der Staatsschutz ermittelt seit Mai 2021 gegen „Berlin Breed“. Auslöser war die Veröffentlichung des Albums „Wir haben’s gewagt“. Das enthaltene Lied „BLM“ wird von Experten des Staatsschutzes als volksverhetzend eingestuft. Darin heißt es: 

„Von Bolschewiken aufgehetzt, beginnen sie zu randalieren, sie brandschatzen und plündern, wollen Weiße massakrieren.“ Oder: „Wenn der Rassenkrieg beginnt, hast du keine Wahl, deine weiße Haut macht dich zu ihrem Ziel.“

Das klingt nicht nach „Grauzone“, sondern nach „klare Sprache, klare Kante“, und zwar im rechtsextremen Sinne. Das ist aber keine neue Entwicklung. Bereits auf der ersten Veröffentlichung der Band „Die letzten Tage…“ von 2017 befinden sich Stücke wie „Wind“, in dem die Medien als Lügenpresse und die Regierung als Scheindemokratie bezeichnet werden. In „Die letzten Tage von Asylantis“ heißt es:

„Autoaggressiv, von Erbschuld beseelt haben sie immer wieder diese Bande gewählt, die Schleusen nicht schließt, die Flutung nicht stoppt. Zum Selbsthass erzogen und völlig bekloppt“.

Im Jahr darauf folgte die erste LP mit dem schlichten Titel „Berlin Breed“. Das Cover zeigt eine Szene aus dem Ersten Weltkrieg. Deutsche Soldaten klettern aus einem Schützengraben. Die typische Pickelhaube, die die deutsche Infanterie in der ersten Hälfte des Krieges trugen, ist als Bandlogo abgedruckt. Unter dem Helm zwei gekreuzte Stielhandgranaten. 

Im ersten Stück des Albums „Ihr habt euch kaufen lassen“ wird in dieselbe Kerbe geschlagen, wie bereits beim Vorgänger. In Bezug auf die Shoah (die allerdings nicht explizit genannt wird) und der mit ihr verbundenen Erinnerungskultur, wird ein Schlussstrich gefordert. 

Neben dem Text zu „Rote Pest“ ist im Booklet ein Motiv abgedruckt, das von einem Plakat stammt, mit dem die nationalsozialistische Wanderausstellung „Die rote Weltpest des Bolschewismus“ in den 1930er Jahren beworben wurde.

Neben dem Text zu „Freikorps ran!“, in dem dazu aufgerufen wird, „die Hauptstadt“ vom „roten Terror“ und von „Beduinen-Clans“ aus fernen Wüsten“, die „wie ein Bandwurm in unserem Darm“ hausen würden, zu befreien, prangt eine Reichskriegsflagge.

Im Stück „Berlin halt ein…“ wird der „Tänzer Berlins“, der die Geschehnisse wie auf der Tanzfläche führt, als „das Gold“, „der Satanas“, „die Pest“ und „der Tod“ benannt. Alle diese Begriffe werden als antisemitische Codes und Chiffren verwendet. 

„Das Gold“:

Analog zum alten Bild des „Geldjuden“, der sich vorgeblich als Geldverleiher mit Wucherei an der Not anderer bereichert, werden Einzelpersonen (z.B. Rothschild) oder Berufsgruppen (z.B. Banker*innen) zum Sinnbild von Geld und Kapitalismus. Im Gegensatz zu scheinbar ehrlicher, schaffender Erwerbsarbeit werden Bank- und Börsengeschäfte jüdisch konnotiert und als unehrlich, raffend bezeichnet. Bereits im Nationalsozialismus wurde versucht, mit dieser Sprache den Kapitalismus als eine jüdische Erfindung zu erklären.

„Der Satanas“:

Im Laufe der Jahrhunderte war die Teufels-Metapher im Christentum von zentraler Bedeutung. Der Satan ist der Inbegriff des Bösen. Heutzutage findet sich die Teufels-Metapher in den sozialen Medien zuhauf. Mit ihr wird das Feindbild zum ultimativen Bösen erklärt. Bildliche Darstellungen des Teufels werden gelegentlich mit dem antisemitischen Stereotyp eines „typisch jüdischen“ Aussehens (z.B. „Krummnase“) verknüpft.

„Die Pest“:

Juden*Jüdinnen werden seit Jahrhunderten mit Krankheiten in Verbindung gebracht. Der Vorwurf, sie hätten die Pest verursacht („Brunnenvergifter“), mündete im Mittelalter in die Pestpogrome. Im Nationalsozialismus wurde der Vorwurf aktualisiert. Jüdinnen und Juden werden, indem sie zum Virus gemacht werden, kollektiv entmenschlicht und zur Bedrohung für die Gesundheit und das Leben der übrigen Menschheit erklärt. Ähnliche Codes sind „Bazillus“, „Parasit“ und „Krebs“ und „Krebsgeschwür“.

„Der Tod“:

Wie auch bei der Teufels-Metapher ist der Tod der Inbegriff des Bösen, der Gegenspieler des Lebens. Bereits Heinrich Treitschke, der 1879 den Berliner Antisemitismusstreit auslöste, schrieb in einem Aufsatz den später von den Nationalsozialisten aufgegriffenen Satz „Die Juden sind unser Unglück“. In der Klaviatur der Antisemit*innen werden Juden*Jüdinnen so zur „Gegenrasse“ (Alfred Ernst Rosenberg, führender Ideologe der NSDAP) der Menschheit als erklärt.

Ein weiterer Hinweis auf die antisemitische Intention der Verfasser ist die Textstelle „Sie tanzen um das Kalb herum von morgen bis zur Mitternacht“. Das kann als eine Anspielung auf die Erzählung vom „goldenen Kalb“ aus dem Buch Exodus verstanden werden. Sie handelt davon, dass die Israeliten nach ihrem Auszug aus Ägypten ein Götzenbild schufen, während ihr Gott Moses auf dem Berg Sinai die Tora offenbarte.

2021 erschien die vorerst letzte Veröffentlichung der Band mit dem Titel „Wir haben’s gewagt“. Neben Grünen-Bashing („Rettet den Wald“, in dessen Text das N-Wort fällt), Liebeserklärungen an Deutschland („Mein Vaterland“,“ Manifesto“) werden erneut die Themen „Schuldkult“ und „Volkstod“ bedient.

„FK-Produktion“

Im sächsischen Lengenfeld bekam Claudio Möckel Besuch von der Polizei. Möckel ist der Betreiber des Labels „FK-Produktion“. „FK“ steht für „Feindkontakt“. Bis auf das Debüt von „Berlin Breed“ sind alle Veröffentlichungen der Band dort erschienen. Außerdem veröffentlichen Bands wie „Flak“, „Punk Front“ oder „Smart Violence“ auf dem Label.

„FK-Produktion“ scheint also an der Tradition festzuhalten, klassischen Rechtsrock – also Punkrock/Oi! mit rechtsradikalen Texten – herauszubringen. Große Teile der rechtsradikalen Musikszene haben sich währenddessen anderen, modernen Genres zugewandt, die Jugendliche besser ansprechen. Beispiele dafür sind „National Socialist Hardcore“ (NSHC), NS- oder patriotischer Rap oder National Socialist Black Metal (NSBM). Die Online-Präsenz von „FK-Produktion“ war nach der Razzia offline, ist nun aber wieder mit folgendem Statement zurück:

„ZURÜCK AN DER FRONT! Nach kurzem Rückschlag sind wir ab sofort wieder für euch da. Bei dem [sic!] Repressionsmaßnahmen gegen uns kann es sich schlussendlich nur um eine Reaktion des Systems handeln, die nahe legt, dass wir den Finger immer wieder in die richtige Wunde legen. Niemand von uns wird deswegen brechen, sich fürchten[,] die Wahrheit auszusprechen oder nur einen Schritt zurück weichen [sic!].“

Auf Facebook äußerten sich „Berlin Breed“ zu den Hausdurchsuchungen wie folgt:

„Liebe Leute, wie ihr sicher schon mitbekommen habt, durften sich Fancy Nancys Büttel gestern mal wieder richtig austoben und gerade noch die Ausrufung des Reichs verhindern. […] Das System schlägt in blinder Wut um sich, weil es spürt, dass sein Ende gekommen ist. Wie Ende der 80er in der DDR, als die roten Verbrecher ihren Unterdrückungsapparat auf Volllast laufen ließen. In diesem Sinne: Wir freuen uns auf den Tag, an dem Deutschland wieder das Land der Deutschen wird und alle kleinen und großen Verbrecher dieses Systems zur Rechenschaft gezogen werden.“

Flüchtlingsfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus, die Verwendung von nationalsozialistischer Ästhetik und Reichskriegsflaggen und die Veröffentlichung auf einem dezidiert rechtsradikalen Label – Das klingt nicht nach einer „Grauzone“, sondern nach Rechtsextremismus. 

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