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Sami Omar „Ein Brief an meine Kinder“

Von|
Sami Omar

Sagt euren Namen, wenn ihr ans Telefon geht. Immer. Das hat Format. Die Leute merken das. Ich weiß, dass sie manchmal Witze über unseren Nachnamen machen, aber damit müsst ihr leben. Allen, die nicht Schmidt oder Müller heißen, passiert das und alle leben damit. Ihr seid tolle Menschen, deshalb kann Euch das nichts anhaben. Und denkt daran, was ich euch über Bestellungen gesagt habe. Ihr habt mich nie sagen hören: „Ich bekomme einen Kaffee!“. Ich habe immer darum gebeten. Macht das so, ob ihr ihn bezahlt oder nicht! Einfacher Windsorknoten – wir sind evangelisch! Und kifft, wenn ihr wollt. Aber hört damit auf, wenn ihr 30 Jahre alt seid.

Es gibt für alles eine Zeit – auch für die Liebe. Man wird Euch sagen wollen, wen ihr lieben könnt und wen nicht. Tut immer das Gegenteil von dem, was solche Leute sagen. Ich weiß, dass wir nicht reich sind. Versucht ihr es zu werden. Nur so, dass ihr nicht schlecht schlafen müsst vor Sorge.  Und sitzt nicht auf dem Geld herum. Nutzt es für Menschen und Bücher und Reisen. Es wird Euch weggenommen und streitig gemacht werden. Macht nur immer das, was Euch fröhlich macht und hängt daran mehr, als an den Möglichkeiten, die Euch Geld bietet.  Wenn ihr von einer Reise mit mehr Antworten, als Fragen wiederkehrt, dann habt ihr etwas falsch gemacht. Das gleiche gilt für Bücher und Menschen, in die ihr Euch verliebt.

Leute werden Euch N**** nennen und vieles mehr. Hinter Euren Rücken und in Eure Gesichter. Weil ihr braun seid. Die einen werden Euch sagen, ihr müsst das hinnehmen. Andere werden Euch sagen, ihr müsst kämpfen. Manch weißer deutscher Mensch wird Euch sagen, das sei halb so schlimm – weil es ihn nicht betrifft. Tut ihr nur immer das, was Euch fröhlich macht. Das wird schwer, aber ihr bestimmt dann selbst und das ist wichtig. Wie ihr auch entscheidet, ihr werden nicht allein sein. Ihr habt eine Mutter, die Euch geboren hat und liebt und ihr habt eine Mutter, die Euch liebt, aber nicht geboren hat. Ihr wisst doch, was ein Verb ist. Und ihr wisst, was ein Nomen ist. Und es gibt keine Ausnahmen, außer bei den Wörtern Mutter und Vater. Die sehen aus wie Nomen, sind aber im echten Leben Verben. Ihr versteht das später.

Mit Mädchen oder Jungen schlussmachen geht so: Nie im Streit. Immer persönlich. Partner immer nacheinander, nie parallel. Knutschen ist auch fremdgehen. Dient die Notlüge dir selbst, bist Du der Arsch. Das war´s.

Manchmal werdet ihr das Gefühl haben, jemand möchte besonders wegen Eurer Hautfarbe mit Euch zusammen sein. Ihr werdet benutzt. Macht mit, solange ihr wollt – aber verliebt euch nicht.

HipHop war gute Musik. Hört ruhig Euren Kram, aber checkt auch meine alten Platten. Ich schwöre, es lohnt sich. Kommt mit ins Konzert, wenn es klassisch ist. Und geht mit ins Theater. Gerade dann, wenn man Euch sagt, das sei noch nichts für Euch. Dort müsst ihr manchmal stark sein. Man wird sehen wollen, ob ihr arm oder ungebildet seid. Und der Verdacht kommt auf, weil ihr braun seid. Dann dürft ihr nichts beweisen wollen. Behaltet für Euch, was ihr wisst und könnt und gebt Euren Geist nicht diesen Menschen preis. Sie haben es nicht verdient und Ihr könnt nur so gewinnen. Geht an meinen Schrank und nehmt Euch: Kafka. The Roots. Die Apologie des Sokrates. Roger Willemsen. Samy Deluxe. Pergolesi. Telemann. Ken Saro-Wiwa. Bach. Das EFX. Eric Sermon. Mozart. Erich Fromm. Dendemann. Noam Chomsky. Max Frisch. Max Herre. Paul Gerhard. Stefan Zweig. Dietrich Bonhoeffer.

Wenn sie Euch fragen, was ihr seid, oder wo ihr herkommt: Sprecht nicht weiter. Sie fragen nicht aus Interesse, sondern aus Neugier! Neugier sucht immer eine Annahme zu bestätigen, die man schon hat. Afrikaner. Marokkaner. Eritreer. Deutscher. Ausländer. Mi***ling. Menschen mit echtem Interesse möchte Euch kennen lernen. Sie fragen diese Dinge nicht so.  Vertraut Eurem Gefühl.

In der Kirche sind sie nicht besser, als außerhalb. Sie haben sich nur auferlegt, es zu versuchen. Dort seid ihr nicht sicher, aber ihr seid unter vielen, die mit sich nicht ganz zufrieden sind. Das ist etwas Gutes! In Moscheen und Synagogen und in Tempeln ist das wohl auch so, aber darüber weiß ich zu wenig. Findet ihr es heraus, wenn ihr wollt. Immer, wenn jemand mehr Antworten, als Fragen hat, müsst ihr Euch in Sicherheit bringen. Mehr müsst ihr darüber eigentlich nicht wissen.

Ach ja: Pornos sind Filme mit Menschen darin. Wenn ihr das zu Ende denkt, werdet ihr weniger Spaß daran haben, aber coolere Typen sein.

Viel mehr weiß ich nicht. Ihr seid die Besten!

To the bang bang boogie, say up jump the boogie

To the rhythm of the boogie, the beat!

Love, Papa

 

Der Autor und Moderator Sami Omar schreibt und arbeitet zu den Themen Migration, Integration, Rassismus und Diskriminierung für Print und Online-Medien. Er tritt als Referent zu diesen Themen auf und moderiert Veranstaltungen aus Politik und Kultur. Sami Omar ist Kampagnenreferent und Mitarbeiter eines Fachdienstes für Integration und Migration bei einem deutschen Wohlfahrtsverband. 2016 erschien sein zweites literarisches Werk „Geht schon, danke“. Seine Kurzgeschichten erscheinen in Literaturzeitschriften, Anthologien und sind Teil seines abendfüllenden Bühnenprogramms, mit dem er deutschlandweit auftritt. Sami Omar wurde 1978 als Sohn eritreischer Eltern im Sudan geboren und wuchs als Kind deutscher Eltern im schwäbischen Ulm auf. sami-omar.de

Vor einigen Monaten ist sein Buch „Sami und die liebe Heimat“ erschienen

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