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Seitenblick Mit undemokratischen Staaten über Menschenrechte diskutieren?

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Pressekonferenz; Foto: js

Im September 2001 fand im südafrikanischen Durban die dritte Konferenz der Vereinten Nationen gegen Rassismus statt. Was unter dem Motto „Anerkennung von Sklaverei und Kolonialismus als Verbrechen“ angekündigt war, entwickelte sich schnell zu einem Podium, von dem offen antisemitisch gegen Israel gehetzt wurde. Die Delegierten, insbesondere jene aus den arabisch-muslimischen Staaten, verwandelten die Konferenz in eine Art Revancheveranstaltung gegen den Westen. Auf der Konferenz wurden der Zionismus als moderne Form des Nazismus bezeichnet, die Forderung nach einer Vernichtung Israels geäußert und antisemitische Karikaturen und Exemplare der „Protokolle der Weisen von Zion“ herumgereicht. Einige riefen „Tod den Juden“, Delegierte wurden körperlich bedroht. Der sudanesische Justizminister forderte Reparationen für die Sklaverei durch westliche Kolonialmächte, erwähnte jedoch mit keinem Wort, dass heute in seinem eigenen Land weiterhin Menschen versklavt werden.

Frei nach dem Ausspruch „Durch Fehler wird man klug, drum ist einer nicht genug“ veranstaltet die UNO vom 20. bis 24. April 2009 in Genf mit einer „Durban Review Conference“ eine Fortsetzung des Durban-Gipfels von 2001. Der Plan rief in einigen westlichen Staaten laute Empörung hervor, bislang haben allerdings nur vier Länder dieser Empörung auch Taten folgen lassen, indem sie der Konferenz demonstrativ fernbleiben: Kanada, Israel, die USA und – als einziges EU-Land – Italien boykottieren Durban II. In anderen europäischen Ländern, zum Beispiel in Dänemark und den Niederlanden, wird das Thema immerhin kontrovers diskutiert, in Deutschland hingegen spielen Durban II und die damit verbundenen Fragen zum Thema Menschenrechte in den öffentlichen Debatten bislang keine Rolle.

Instrumentalisierung des Menschenrechtsrats

In einem Artikel machte der französische Essayist Pascal Bruckner bereits im Juni 2008 auf die geplante Nachfolgekonferenz von Durban aufmerksam und rief zum Boykott der Veranstaltung auf. Diesen begründete er damit, dass der Antirassismus in der UNO zu einer Ideologie der totalitären Bewegungen geworden sei, die ihn lediglich für ihre Zwecke nutzten: „Diktaturen oder notorische Halbdiktaturen bemächtigen sich einer demokratischen Sprache und instrumentalisieren juristische Standards, um sie gegen die Demokratien in Stellung zu bringen und sich selbst niemals in Frage zu stellen.“ Der vermeintliche Antirassismus diene den Despoten – darunter Libyen und Iran – dazu, „genau die Dinge zu rechtfertigen, gegen die er ursprünglich formuliert wurde, die Unterdrückung, die Vorurteile, die Ungleichheit“.

Dem Appell Bruckners sind inzwischen mehr als 1300 Menschen gefolgt, nachdem sich zunächst gut 30 Journalist*innen, Publizist*innen, Wissenschaftler*innen und Künstler*innen aus Europa, den USA und dem Nahen Osten angeschlossen hatten. Gemeinsam fordern sie die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union – insbesondere Deutschland – auf, die Durban II-Konferenz zu boykottieren und sich für eine umfassende Reformierung des UN-Menschenrechtsausschusses stark zu machen. Der Appell wurde der Bundesregierung und Regierungen anderer EU-Mitgliedsstaaten übergeben.

UN misst mit zweierlei Maß

Aus diesem Anlass veranstalteten die deutschen Organisatoren der Kampagne „Boykottiert Durban II“ im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung in Berlin eine Pressekonferenz, auf der die Teilnehmer für die Notwendigkeit eines Boykotts argumentierten. Der Jurist und Staatssekretär a.D. Klaus Faber machte deutlich, wie einseitig die ausgearbeiteten Pläne für die „Durban Review Conference“ ausgefallen seien. Laut Faber werden darin viele Menschenrechtsverletzungen, wie rassistische und sexistische Verfolgungen, gar nicht erst erwähnt. Über Menschenrechtsverletzungen im Sudan, in Tschetschenien, in Tibet, über die Unterdrückung der Frauen in islamischen Ländern, zum Beispiel in Saudi-Arabien, werde kein Wort verloren, während Israel, die USA und ihre westlichen Verbündeten einer Generalverurteilung ausgesetzt seien.

Dem stimmte der Bonner Journalist Alex Feuerherdt zu, er sprach über die Entwürfe für Durban II sogar von einem „Tribunal gegen Israel“. In dem Dokument werde Israel als einziger Staat explizit erwähnt, die Vergehen reichen von „Folter“ über „Verbrechen gegen die Menschheit“ bis hin zu „Apartheid“. Der Tenor knüpft demnach nahtlos an die Durban-Konferenz von 2001 an. „In Durban wurde sage und schreibe 120 Mal über Israel diskutiert, doppelt so viel wie über andere Staaten“, betonte Feuerherdt, um damit zu verdeutlichen, wie sehr die im UN-Menschenrechtsausschuss dominierenden Staaten mit zweierlei Maß messen. Den Vorsitz des Vorbereitungskomitess für Genf hat mit Libyen ein Land inne, das selbst ständig gegen die Menschenrechte verstößt und schon mal einen Holocaust-Leugner mit dem Gaddafi-Preis auszeichnet. Im Komitee sitzt zudem Iran, dessen Mullah-Regime im Jahr 2007 die Praxis der öffentlichen Steinigungen wieder einführte. Der iranische Präsident Ahmadinedschad leugnet bekanntermaßen den Holocaust und tritt für die Vernichtung Israels ein.

Mit Antisemiten über Rassismusbekämpfung diskutieren

Merkwürdig, so waren sich alle Podiumsgäste einig, ist die uneindeutige Haltung der Bundesregierung zum Boykott der UN-Konferenz in Genf. Einerseits beteuert sie ihre Solidarität mit Israel, andererseits distanziert sie sich nicht von einer Neuauflage der Durban-Konferenz, sondern wird, wenn sie bis Mitte April ihre Meinung nicht geändert hat, gemeinsam mit Antisemiten über das Übel des Rassismus diskutieren. Die Bundesregierung müsste sich dann vorwerfen lassen, an einem Tisch mit Staaten zu sitzen, die die Scharia, das islamische Recht, als alleinige Grundlage für die Menschenrechte betrachten. Nasrin Amirsedghi weiß, wovon sie spricht, wenn sie sagt: „Wo undemokratische Staaten dominieren, kann man nicht über Menschenrechte diskutieren“. Die 1957 im Iran geborene, deutsche Publizistin musste aus politischen Gründen aus ihrem Herkunftsland fliehen und lebt heute in Mainz. Ihrer Ansicht nach instrumentalisieren Länder wie Libyen, Saudi-Arabien und Iran die Vereinten Nationen, indem sie versuchen, die westlichen Errungenschaften der individuellen Freiheitsrechte und der Demokratie zu diskreditieren.

Kritik am bisherigen Umgang mit der Durban-Konferenz äußerte Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung. Immerhin seien seit 2001 fast acht Jahre vergangen, passiert sei jedoch nichts: „Die westlichen Demokratien haben sich nicht genug angestrengt, um eine zweite Durban-Konferenz zu verhindern“, gab sie zu bedenken. Nun müssen die demokratischen Staaten darüber nachdenken, wie sie sich dem UN-Menschenrechtsausschuss gegenüber verhalten. Eine Beeinflussung von innerhalb der Organisation dürfte sich als schwierig erweisen. Als der britische Historiker David Littman vor einigen Jahren versuchte, während einer Sitzung des Ausschusses die Themen Zwangsverheiratung und Steinigung kritisch anzusprechen, wurde er umgehend in die Schranken gewiesen mit der Anmerkung: „Über die Scharia diskutieren wir hier nicht!“ Dem Historiker wurde nach seiner Kritik sogar Islamophobie vorgeworfen. Dieses Beispiel, so Alex Feuerherdt, zeige deutlich, dass ein Boykott der Durban-Fortsetzung die einizige Möglichkeit des Protestes darstelle, da kritische Stimmen im UN-Menschenrechtsausschuss von vornherein übertönt würden. „Wir können die Veranstaltung nicht mehr retten“, resümierte Feuerherdt.

Der einzige Ausweg aus dem Dilemma: die demokratischen Staaten müssen sich zusammentun, um von außerhalb Alternativen zur jetzigen Situation zu entwickeln. Kanada, das erste Land, das sich dem Boykott von Durban II angeschlossen hat, ist mit positivem Beispiel vorangegangen – mit dem Vorsatz, auch weiterhin den Rassismus zu bekämpfen. Sie wollen es nur besser machen als der UN-Ausschuss.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).

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