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Solidarität statt „Club Demo“ Berliner Clubs gegen „Querdenken“

Am 1. August 2021 will „Querdenken“ wieder in Berlin demonstrieren. Mittlerweile wurden mindestens zwei der geplanten Demos verboten. Unklar ist noch, ob das Verbot auch die „Club Demo“ betrifft, eine Veranstaltung aus dem „Querdenken“-Umfeld, die bereits am Samstag stattfinden sollte. Die Berliner Clubszene distanziert sich jetzt schon eindeutig.

 
Symbolbild "Querdenken"-Demo, Berlin, April 2021 (Quelle: Nicholas Potter)

Die großen Institutionen des Berliner Nachtlebens haben sich eindeutig gegen „Querdenken“ und das Umfeld der Verschwörungsgläubigen positioniert. Zahlreiche Clubs, darunter Tresor, SO36, Schwuz, Clärchens Ballhaus, Yaam, Holzmarkt, Gretchen und viele andere haben eine Erklärung der Berliner Clubcommission ​​– der Interessenvertretung der Clubkultur in der Hauptstadt – unterzeichnet. Darin heißt es: „Gemeinsam stehen wir für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Pandemie ein, der sich in erster Linie an wissenschaftlichen Erkenntnissen und gesellschaftlicher Solidarität orientiert. Daher distanzieren wir uns ausdrücklich von jeglichen Versuchen unsere Anliegen zu vereinnahmen.“

 

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Mehrere Gegendemos gegen den Aufmarsch der Verschwörungsgläubigen wurden bereits angemeldet, darunter auch vom Kollektiv „Geradedenken“, die einen Coronakonformen Rave veranstalten werden. Mehr Informationen zu allen Gegendemos gibt es hier.

Ob und welche Demos aus dem „Querdenken“-Umfeld an diesem Wochenende in Berlin stattfinden werden, ist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels nicht klar. „Querdenken“ hat sich bisher noch nicht zum Verbot geäußert, allerdings hatte „Querdenken“-Guru Michael Ballweg bereits angekündigt, dass seine Anhänger:innen auch trotz eines möglichen Verbotes in der Hauptstadt auflaufen würden. In einem „Notfallplan“, den die Bewegung offenbar aus Versehen an verschiedene Medien geschickt hat, werden Ausweichszenarien beschrieben. So soll die Demo im Verbotsfall an einem „Ort, der schlecht abzuriegeln ist und nicht in der Stadtmitte liegt“ trotzdem stattfinden. Mit dem Codewort „Mutti“ sollen die Teilnehmenden sich offenbar untereinander koordinieren.

Unklar ist zur Zeit auch, ob die „Club Demo“ vom Verbot betroffen ist. Organisiert wird sie offenbar von Oliver Becker, einem Aktivisten aus dem „Querdenken“-Umfeld, der unter dem Namen „James Blond“ einen Telegramkanal betreibt. Angemeldet wurde die Demonstration für mehrere tausend Teilnehmende, die am Samstag auf einer Route, die an mehreren Clubs der Hauptstadt vorbeiführt, „für die bedingungslose Öffnung von Kultur, Clubs und Veranstaltungen aller Art“ aufmarschieren sollen. Eine große Mobilisierung bleibt bisher allerdings aus.

Es ist nicht das erste mal, dass Becker, der sich selbst als „Antifaschist“ bezeichnet, verschwörungsoffene Demonstrationen mit fantastischen Teilnehmendenzahlen anmeldet. Für die „Berlin Peace Parade“, die im Oktober 2020 stattfinden sollte meldete er offenbar sogar fünf Millionen Teilnehmende an, dazu mehrere Dutzend Paradewagen, auf einer 36 Kilometer langen Strecke. 200.000 Zelte sollte im Berliner Tiergarten aufgestellt werden, dazu drei Millionen weitere „auf allen freien Grünflächen“. Tatsächlich stattgefunden hat davon allerdings offenbar nichts. Unklar bleibt, inwiefern Becker seine Aktionen ernst nimmt oder ob es sich um eine Form von Satire handeln soll.

Screenshot aus der Telegrammgruppe der „Freedom Parade“

Wieviel vom „Antifaschismus“ des Organisators und seiner Unterstützer:innen zu halten ist, zeigen allerdings Screenshots aus der Telegramgruppe der „Freedom Parade“, einem Bündnis rund um den Verschwörungsaktivisten „Captain Future“. Die Gruppe scheint einer der wenigen Orte zu sein, an dem für die „Club Demo“ mobilisiert wird.

Screenshot aus der Telegrammgruppe der „Freedom Parade“

Becker, der sich offenbar bisher hauptsächlich als Aktivist zur Legalisierung von Marihuana betätigt hat, verbreitet allerdings auch selbst Verschwörungserzählungen. Auf der Facebookseite, „Garden of Freedom“ und dem zugehörigen Telegramkanal – der „Garden of Freedom“ scheint der Garten hinter Beckers Wohnhaus zu sein – finden sich immer wieder Beiträge aus der QAnon-Verschwörung, einer US-amerikanischen Verschwörungserzählung, die unter anderem behauptet, dass „Eliten“ des sogenannten „tiefen Staates“ in unterirdischen Tunnels entführte Kinder foltern, um aus ihnen Adrenochrom zu gewinnen, ein Produkt der Nebenniere, dass laut der Fantasieerzählung ewig jung halten soll. Eine Droge, die offenbar nicht zur esoterischen Partyapotheke von Becker passt.

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