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Trikots gegen rechte Gewalt Keine CURA-Werbung auf Berliner Trikots aus Rücksicht vor Neonazis?

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Tennis Borussia Berlin wollte ein Zeichen gegen rechte Gewalt setzen und auf seinen Trikots für den Opferfonds CURA werben. Doch der zuständige Fußballverband untersagte den Aufdruck mit fadenscheiniger Begründung. Die Unterstützung Betroffener rechter Gewalt sei ein einseitiges politisches Statement – und einige Menschen könnten sich durch den Aufdruck provoziert fühlen. (Quelle: Tennis Borussia Berlin)

 Der Fußballverein Tennis Borussia Berlin (TeBe) wollte ein Zeichen gegen rechte Gewalt setzen. Bei dem ersten Spiel vor heimischer Kulisse, am zweiten Spieltag in der Regionalliga Nordost gegen den FSV Union Fürstenwalde am 27. Juli 2021 wollte die Mannschaft ein Statement gegen rechte Gewalt machen und den Berliner Todesopfern rechter Gewalt gedenken. Ursprünglich war dafür geplant, dass das Team von Tennis Borussia sich in Shirts mit den Namen von Todesopfern rechter Gewalt aufwärmt und in einem besonderen Trikot das Spiel bestreitet. Auf dem Trikot sollte das Logo des Opferfonds CURA auf der Brust zu sehen sein. CURA ist Teil der Amadeu Antonio Stiftung und bietet Opfern rechtsextremer, rassistischer und antisemitischer Gewalt finanzielle Unterstützung, zum Beispiel im Falle eines notwendig gewordenen Umzugs, wenn wichtige Dinge zerstört wurden oder bei der Beteiligung von Anwaltskosten.

Der Vorwurf: Die Amadeu Antonio Stiftung setze sich „nur für gruppenbezogene Menschenfreundlichkeiten“ ein

Die Trikots waren bereits bedruckt, da kam, nur wenige Stunden vor Anpfiff, die Nachricht: Der Nordostdeutsche Fußballverband e.V. (NOFV) untersagt den Aufdruck des CURA-Logos. Am 30. Juli folgt die schriftliche Begründung des Verbands, dass politische Aussagen auf Trikots nicht zulässig sind. Die Amadeu Antonio Stiftung und CURA setzten sich „nur für gruppenbezogene Menschenfreundlichkeiten (sic!) ein und symbolisieren und solidarisieren sich nicht mit den Opfern aller anderen – auch politisch motivierten – Gewalttaten“, schrieb der NOFV. So erscheint also das  Werben für einen Fonds, der Opfer von rechter Gewalt unterstützt, als “zu politisch”. Müsste es nicht eher Konsens in einer offenen, demokratischen Gesellschaft sein, dass wir uns alle solidarisch hinter Angegriffene rechter und antisemitischer Straftaten stellen? Warum “Menschenfreundlichkeiten” ein Problem sein sollten, weiß nur der NOFV – wobei dies vor allem ein Verständnisfehler ist, denn CURA setzt sich gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeiten ein – das ist neben Rechtsextremismus etwas auch Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, LGBTIQ*-Feindlichkeit oder Sexismus  Das Demokratieverständnis des Norddeutschen Fußballverbandes, wie es die Begründung äußert, ist  extrem fragwürdig.

Keine CURA-Werbung aus Rücksicht vor den Neonazis im Stadion?

Doch eine weitere Passage aus dem Begründungsschreiben lässt noch fassungsloser zurück. Der Verband sagt nämlich außerdem, er habe „die Sorge, dass sich eine bestimmte Gruppe von Personen durch die Werbung provoziert fühlen könnte.“ Wer könnte damit gemeint sein? Welche Gruppen fühlen sich durch das Gedenken an rechte Todesopfer gestört? Wer fühlt sich durch Solidarität mit Betroffenen rechter Gewalt provoziert? Vor allem dürften das Neonazis, Rassist:innen und rechte Gewalttäter:innen sein. Die sitzen – neben vielen anderen – auch im Stadion. Aber müsste es dann nicht eher so sein, dass der Verband Personen vom Fußballplatz verbannt, die sich durch Werbung für den Opferfonds provoziert fühlen – statt das Gedenken zu unterbinden? Mit seiner Entscheidung berücksichtigt der Verband nicht nur Fans mit menschenfeindlichem Gedankengut, in vorauseilendem Gehorsam kuscht er vor ihnen und gibt ihnen damit noch ein Gefühl der Toleranz.

Der Norddeutsche Fußballverband e. V. (NOFV) ist einer von fünf Regionalverbänden des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), in dem die ganzen Amateur Ost-Verbände und Berlin eingegliedert sind. In der vom NOFV organisierten Regionalliga spielen gleich vier Fußballclubs mit einer politisch linken Fankurve, FC Carl Zeiss Jena, SV Babelsberg 03, BSG Chemie Leipzig e.V. und Tennis Borussia Berlin (TeBe). Viele andere Amateurvereine die zum NOFV gehören, haben hingegen eher eine rechtsoffene oder rechte Fanszene. Und das bietet Konfliktpotential. Scheinbar hat der NOFV bisher noch keinen vernünftigen Umgang gefunden, mit politischen Fan-Szenen umzugehen.

Der unrühmliche Umgang des NOFV mit rechtsextremen Fans

Im Umgang mit rechtsextremen Parolen hatte sich der NOFV in der Vergangenheit sehr zurückhaltend gezeigt. 2017/2018 fiel der NOFV wegen seiner Blindheit und Taubheit gegenüber Rechtsextremen und Antisemit:innen bereits negativ auf. Der SV Babelsberg weigert sich, eine von der NOFV auferlegte Geldstrafe in Höhe von 7.000 Euro zu zahlen, weil ein Fan bei einem Spiel 2017 „Nazischweine“ Richtung Cottbus-Fans gerufen habe. Unterschlagen wurde aber, dass das eine Antwort auf Provokationen des Cottbuser Anhangs war. Vermummte Energie-Fans hatten während des Spiels den Hitlergruß gezeigt und Nazi-Parolen skandiert. Es kam zu einem Platzsturm durch Energie-Fans, auf den der Babelsberger Anhang entsprechend reagierte.

Und noch ein weiterer Fall verdeutlicht, dass der NOFV nicht im Stande oder nicht Willens ist, rechtsextreme Fans angemessen zu sanktionieren: Nach einem Stadtduell zwischen Chemie und Lok Leipzig im November 2017 wurde Chemie Leipzig wegen des Zündens von Pyrotechnik zu 10.000 Euro, Lok zu 12.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Was die Rufe „Türken, Zigeuner und Juden – Ultras Chemi“ von Lok-Ultras anbelangte, zeigte sich der NOFV taub, stumm und blind, obwohl sie in der Übertragung des MDR zu hören waren und auch Gegenstand von Zeitungsberichten waren.

Leidtragende sind die Opfer rechter Gewalt

Der NOFV behauptet nun in seiner offiziellen Begründung, der Verband stehe für „Vielfalt und Toleranz“ und trete „rassistischen, verfassungs- und fremdenfeindlichen Bestrebungen sowie anderen diskriminierenden oder menschenverachtenden Verhaltensweisen entschieden entgegen“. Die Absage des Verbands wegen der Sonder-Trikots macht diese Bekundungen jedoch zur leeren Floskel – und wirkt doppelt absurd, da ein solches Verhalten nach Bewertung des Verbands ja eigentlich auch ein politisches Statement sein müsse.

Am Bittersten ist die Entscheidung des NOFV jedoch für die Menschen, die von der Trikot-Aktion am meisten profitiert hätten, die Opfer von rechter Gewalt. „Die Absage des NOFV ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus im Fußball einsetzen – und verletzt alle, die Opfer rechter Gewalt wurden, ein weiteres Mal“, meint dazu die Amadeu Antonio Stiftung. „Mit dieser Aktion hat der Verband die Debatte um Rechtsextremismus im Fußball um Jahre zurückgeworfen – und sich selbst ins Abseits geschossen.“

Die Sondertrikots mit dem CURA-Logo sind im Fanshop von TeBe erwerben.

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