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USA Geplanter Incel-Anschlag in Ohio verhindert

Die regelmäßig innerhalb der Incel-Community getätigte Behauptung, es würde sich um eine „Selbsthilfegruppe“ für alleinstehende und unglückliche junge Männer handeln, wurde diese Woche wieder einmal Lüge gestraft. Ein 21 Jahre alter User eines großen Incel-Forums wurde am Mittwoch, den 21.07.2021 in Hillsboro, Ohio, festgenommen. Der junge Mann hatte geplant, so das Justizministerium der USA, einen Incel-Terroranschlag zu begehen. Sein auserwähltes Ziel waren – ähnlich wie bei dem von Incels als „Held“ und „Heiligen“ verehrten Attentäter Elliot Rodger – Verbindungsstudentinnen.

 
Das Robert F. Kennedy-Gebäude des amerikanischen Justizministeriums in Washington D.C. (Quelle: Wikimedia / Another Believer / CC BY-SA 3.0)

Laut Polizeidokumenten lag sein erhoffter und sehr ambitionierter „KC“, also „Kill count“ bei 3.000 Menschen. Auf dem Incel-Board, auf dem seine Postings nicht mehr einsehbar sind und dessen Mods versuchen, Spuren zu dem Attentäter zu verwischen, prahlte er damit, einige „Foids und Pärchen“ aus einer Wasserpistole mit Orangensaft bespritzt zu haben. „Foids” ist ein abwertender Begriff für Frauen im Incel-Jargon. Er vergleicht diese Handlungen mit denen Elliot Rodgers, der das gleiche getan hatte, und beschreibt das Erlebnis als „extrem ermächtigend“. User auf dem Incel-Forum rufen dazu auf, einen Beitrag zum Anschlag auf dem Forum Reddit negativ zu bewerten und zu melden, so dass der Post möglichst ungesehen bleibt. Ihre Befürchtung: Die Tage des Incel-Forums seien bald gezählt.

Quelle: Incel-Forum

Dem versuchten Anschlag geht eine mehrere Jahre andauernde Phase der Radikalisierung und Planung voran. Im August 2019 publizierte der verhinderte Attentäter ein Manifest mit dem Titel: „A hideous symphony. A manifesto written bei [Name des mutmaßlichen Täters, der Belltower.News bekannt ist, aber den wir nicht nennen], the socially exiled incel“. Dort lässt er seinen Pathos-geladenen Gewaltfantasien freien Lauf und schreibt: „Ich werde [Frauen] aus Hass, Eifersucht und Rache abschlachten… Ich werde ihnen die Kraft des Lebens, die sie mir vorenthalten, nehmen, in dem ich ihnen zeige, dass es mehr gibt als Glück und Erfüllung, es gibt einen allumfassenden Tod, den großen Gleichmacher, der uns alle in seinen verführerischen Samt aus Schweigen und Gelassenheit birgt .“ Wenige Monate darauf besuchte er ein Militärtraining in Georgia, es gelang ihm jedoch nicht, dieses abzuschließen. Außerdem besorgte er sich unter anderem mehrere Feuerwaffen und dazugehörige Munition, eine kugelsichere Weste, und eine auch von rechtsterroristischen Akzelerationisten getragene Totenkopfmaske.

In einem weiteren Text namens „Isolated“ schreibt er: „Falls du das liest, habe ich etwas schreckliches getan. Irgendwie hast du es geschafft, über das Schriftstück eines Wahnhaften und Gemeingefährlichen zu stolpern, keine einfache Aufgabe, und ich gratuliere dir zu deiner Neugier und deiner Bereitschaft, in einen derart dunklen Ort vorzubringen.“ Das Dokument ist unterzeichnet mit: „Dein Freund und Mörder“.

Täter, die Manifeste hinterlassen, haben immer die Motivation, sich selbst ein Denkmal innerhalb der eigenen Community zu setzen, ihre Taten zu legitimieren, und im besten Falle andere zu motivieren, es ihnen gleichzutun. Bei dem Incel aus Ohio ist es nicht anders.

Es ist seiner eigenen Unfähigkeit im Bezug auf Online-Security zu verdanken, dass der Anschlag an der Universität von Ohio vereitelt werden konnte. Zu seinen Google-Suchen 2019 und 2020 zählten unter anderem Elliot Rodger, die Adressen der Häuser von Studentinnenverbindungen, Tipps zum Modifizieren von Schusswaffen, als auch die Frage: „Wie plant man einen Amoklauf?“.

Im März 2020 durchsuchten Polizeibeamt:innen den Wohnsitz des mutmaßlichen Täters und fanden die von ihm erworbenen Waffen, deren Seriennummer er abgefeilt hatte.  Nun soll ihm sowohl wegen Hassverbrechen, als auch unerlaubtem Waffenbesitz der Prozess gemacht werden. Die Höchststrafe wäre lebenslängliche Haft.

Die Reaktion auf den geplanten Terroranschlag im Forum bestehen hauptsächlich aus Verärgerung, dass dieser vereitelt worden ist, Diskussionen darüber, ob der User wirklich „hässlich“ genug war, dass der Terrorakt seine letzte Lösung gewesen wäre, und Sorge, dass Massenmörder im Namen der Incel-Ideologie ein schlechtes Licht auf den Rest der Community werfen könnten.

Quelle: Incel-Forum

Mitleid mit den potentiellen Opfern findet man in einer Szene, die auf Selbstviktimisierung und Frauenhass aufgebaut ist, jedoch vergebens.

Titelbild: Wikimedia / Another Believer / CC BY-SA 3.0

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