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Volksverhetzung Haftstrafe für Antisemiten und Holocaustleugner Reza Begi

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Begi (r.) bei der Neonazi-Demo am 25. Mai 2019 in Dortmund. (Quelle: Jennifer Marken)

Der sendungsbewusste Begi, den manche wegen seines „schrillen“, emotionalen Auftretens als „krank“ zu entpolitisieren versuchen, blickt, als Erbe der antisemitischen „Kölner Klagemauer“, auf eine zumindest achtjährige Karriere als überzeugter Shoahleugner zurück. Bei einem Prozess gegen die Holocaustleugnerin und hafterfahrene Naziikone Ursula Haverbeck hatte er im Dezember 2020 vor laufender Kamera gegenüber dem Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus zum wiederholten Male den Holocaust geleugnet: „Ich halte (den) Holocaust für eine Lüge. Es ist eine Lüge!“ Weder „der Zentralrat der Juden“ noch „irgendwelche Politiker, Wissenschaftler, Historiker“ hätten eine Antwort auf die Frage gegeben, wo sich denn der Holocaust ereignet habe. „War Auschwitz ein Vernichtungslager oder war Auschwitz ein Arbeitslager? Das ist eine offene Frage“, sagte Begi vor dem Gerichtssaal in die Kamera.

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Begis Verurteilung ohne Bewährung wegen Volksverhetzung in neun Fällen sowie wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt – die Staatsanwaltschaft attestiert Begi ein „geschlossenes antisemitisches Weltbild“ – ist Anlass, einen Blick zurück auf die sehr lange antisemitische Karriere des Deutsch-Iraners zu werfen. Gepaart war sie durchgängig mit einer Kooperation mit Querfront-Protagonisten wie auch mit zahlreichen gemeinsamen Auftritten mit Neonazis und versierten Holocaustleugnern. Erst vergangenes Wochenende hatte Begi gemeinsam mit 800 Neonazis in Dresden bei einem „Trauermarsch“ demonstriert. Um den zu wahren, sollten nur schwarze Fahnen mitgeführt werden – es sei denn, man komme aus einem anderen Land: Begi nahm mit einer iranischen Fahne am „Trauermarsch“ teil, wie Belltower auch mit einem Foto belegt hat. In Livestreams sprach Begi von einem „Endsieg“ und der „Wahrheit über Auschwitz“ (Jüdische Allgemeine, 14.2.2023), vom „Bombenholocaust in Dresden“, vom „Bombenterror“ sowie vom „größten Völkermord in der Menschheitsgeschichte.“

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Die Volksverhetzungs-Karriere“ des „Klagemauer“-Erben dauert jedoch bereits sehr viel länger, als das Urteil vermuten lässt.

2015: Kölner „Klagemauer“

Bundesweite Aufmerksamkeit suchte und fand Reza Begi bereits 2015 in Köln. Mit Unterstützung des seinerzeit 76-jährigen Kölner „Klagemauerbetreibers“ Walter Herrmann trat er als Nachfolger des seinerzeit kranken Herrmann in Szene. In langatmigen YouTube-Videos inszenierte er sich als Kölner Taxifahrer, der sich „für den Weltfrieden“ engagiere. Er bezeichnete sich auch gerne als Kölns jüngsten und vollständig integrierten iranischstämmigen Taxifahrer. Das kam in Köln gut an, auch beim WDR (s.u.).

Bereits 2015 meldete Begi in Köln mehrere „Friedensdemonstrationen“ an, auf denen er gemeinsam mit der früheren Pegida-Frontfrau Kathrin Oertel und Herrmann als palästinensischer Interessenvertreter auftrat. Es folgten im November 2015 eine weitere vorgeblich „pro-palästinensische“ Demonstration, auf der er gemeinsam mit den Antizionist*innen Evelyn Hecht-Galinski und Fuad Afane auftrat. Am Ende der Kundgebung kam es zu Tätlichkeiten gegenüber israelsolidarischen Gegendemonstranten.

Im Hintergrund wirkte für Begi – sie dürfte wohl auch einige seiner ideologisch gefestigten damaligen Reden geschrieben haben – offenkundig eine Kölner Querfront-Gruppe, deren wenige Mitglieder früher in der DKP waren und sich nun als „Arbeiterfotografen“ bezeichnen. Auf einer entsprechenden Webseite wird die antisemitische „Kölner Klagemauer“ virtuell weiter inszeniert. Auf linken Kölner Demonstrationen fotografieren die Aktivist*innen regelmäßig linke Gegendemonstranten ab. Auf Coronaleugner-Demos sind sie immer inmitten der Menge präsent, genau wie bei Begis Kölner Kundgebungen. Weltweite Aufmerksamkeit fand die Kölner Querfront-Gruppe bereits 2012,  bei einem Besuch des  damaligen iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad. Der Spiegel berichtete seinerzeit, auch wegen der Teilnahme eines Delmenhorster Lokalpolitikers der FDP, von einer „wundersamen Reisegruppe“. Die Arbeiterfotograf*innen berichteten begeistert über den Trip: „Gibt es ein Land, in dem auch die Tätigkeit der Frau in der Familie als vollwertige Arbeit honoriert wird? Gibt es ein Land, in dem die höchstgestellten Politiker Atomwaffen verurteilen? Das Land heißt Islamische Republik Iran.“

Am 06. November 2016 marschierte Begi in Berlin bei einer „Merkel muss weg“-Demo an der Seite von Flüchtlingsgegner*innen, Pegida-Fans, Reichsbürgern, Hooligans, Landsmannschaften und „Identitären“ mit. Seine bundesweite Verankerung war bereits vor sieben Jahren offenkundig.

Dresden 2017: Auftritte mit Neonazis und Shoahleugnern

Begis Karriere als Erbe der antisemitischen „Kölner Klagemauer“ ging konsequent weiter. Im Februar 2017 trat er in Dresden gemeinsam mit Hardcore-Shoahleugnern der Naziszene, darunter Gerhard Ittner, auf. Dieser präsentierte sich auf der Kundgebung als „überzeugter Nationalsozialist“ und pries die NS-Ideologie als „Modell für die ganze Welt“. Nahezu alle Redner dieser Neonazikundgebung unter Beteiligung Begis gehörten zum Umfeld der unverbesserlichen Shoahleugnerin Ursula Haverbeck an. Die Neonazi-Ikone war also bereits 2017 ein fester ideologischer Orientierungspunkt für den Deutsch-Iraner.

Weitere Kundgebungsteilnehmer in Dresden waren der rechtsextreme „Druide“ Burghard Bangert, der Reichsbürger Enrico Bohnet sowie die ehemalige Mahler-Lebensgefährtin und mehrfach wegen Volksverhetzung vorbestrafte Anwältin Sylvia Stolz.

Begi präsentierte sich auf der Kundgebung unübersehbar, stets an vorderster Stelle, mit einem überdimensionalen Transparent unmittelbar neben dem Hauptredner Ittner wie auch gemeinsam mit Sylvia Stolz, was auf mehreren YouTube-Filmen sowie vom MDR (siehe auch, bebildert, auf haGalil, 14. Februar 2017) dokumentiert worden ist.

Auf seiner Facebook-Seite übte Begi zeitgleich noch weniger taktische Zurückhaltung. 2016 postete er, „die Welt solle sich, anstatt Iran zu sanktionieren, mit ‚dem Terrorstaat Israel‘ und dessen ‚Helfer Deutschland‘ beschäftigen (…) „Die Halbjüdin und Faschistin Angela Merkel sollte sanktioniert oder gestürzt werden. Iran ist ein friedliches Land, FUCK U USA, FUCK U ISRAEL, FUCK U HURE ANGELA MERKEL.“ Sich selbst bezeichnete Begi immer wieder als „Weltfriedenskanzler“. Ideologisch querfrontmäßig bestens geschult ließ er wissen, dass Deutschland „wegen des Irans“ von Israel erpresst werde. Auf seiner Facebook-Seite schrieb Begi am 4. Februar 2017: „Am 11.02.2017 um 14 Gedenken wir in Dresden dem Bombenholocaust an Zivilisten im Jahre 1945 durch die Imperialisten UK und USA, und gleichzeitig feiern wir den Sieg der iranischen Revolution vom 11.02.1979 über die Imperialisten und Zionisten UK, USA, ISRAEL“ (sic!), wie haGalil im Februar 2017 berichtete.

2018: WDR feierte Begi – „Holocaust is a lie“

All dies inszenierte Reza Begi jedoch keineswegs, wie man annehmen könnte, aus einer absolut isolierten Position. Im Gegenteil. Im WDR wurden seinerzeit sowohl Walter Herrmann als auch Begi mehrfach prominent präsentiert – Herrmann sogar in der Renommee-Sendung „Zeitzeichen“ als eine besondere Persönlichkeit der Zeitgeschichte. Begi wurde vom WDR in einem rührenden Porträt gefeiert, prominent und über Monate auf der Website abrufbar.

Dort wurde Begi als „Deutschlands jüngster Taxifahrer“ präsentiert – obwohl seine antisemitischen Ausfälle in Köln bereits seit Jahren nicht unbekannt waren. Weiter hieß es: Die Wartezeit im Taxi nutze Begi, um zu lernen. Er habe „die Zeit im Taxi genutzt, um etwas Positives zu machen“ und so „Zauberei gelernt und die spanische Sprache.“ Erst nach Protesten löschte der WDR seine rührselige Homestory über Begi.

Köln 2018: Strafverfahren wegen Volksverhetzung

Im August 2018 leitete die Staatsanwaltschaft Köln ein Strafverfahren gegen Begi wegen Volksverhetzung ein. Das Verfahren wurde fünf Monate später vorläufig eingestellt, weil „der Aufenthalt des Beschuldigten nicht ermittelt werden“ könne. Begi war, wie er auch auf Facebook kundtat, zu seiner Schwester in den Iran geflohen. Dort postete er ein Foto, auf dem er gemeinsam mit dem ehemaligen iranischen Präsidenten Ahmadinedschad zu sehen ist. Es blieb Monate still um ihn. Später postete er, dass er in einem iranischen Gefängnis gesessen habe, seine Sehnsucht nach Deutschland sei ausgeprägt.

Am 29.9.2018, anlässlich des Besuches Erdogans in Köln, tauchte der orientierungs- und terminsichere Begi bei einer Kundgebung der sehr rechten Kölner Bürgerwehr „Internationalen Kölschen Mitte“ auf. Diese Kölner Kampftruppe, aus deren Mitte mehrere bekannte lokale Neonazis wie auch ein mit Hitlergruß und Böllerwürfen im FC-Stadion berühmt gewordener 35-jähriger Straftäter stammt, veranstaltete auf der Kölner Bahnhofsrückseite eine Protestkundgebung gegen Erdogan. Auf Facebook schrieb Begi zeitgleich, dass er Präsident Erdogan sehr gerne am Flughafen abholen wolle.

2019: „Bombenholocaust von Dresden und Gaza-Stadt“: Begi vereint mit Neonazis in Dortmund und Dresden

Am 25. Mai 2019 tauchte Begi, nach seinem Iranaufenthalt sichtlich abgemagert und trotz bestehenden Haftbefehls im Rahmen des neonazistischen „Europa-Erwache“ – Wahlkampfes der Dortmunder Neonazipartei „Die Rechte“ in Dortmund-Hörde auf. Er trug, wie alle Teilnehmenden, ein rotes Die-Rechte-T-Shirt für Haverbeck, was eine gewisse Intimität im Umgang voraussetzt. Auf einem Foto sah man, wie Begi vom Düsseldorfer Neonazi Sven Skoda energisch eingewiesen und ermahnt wurde.

Am 15.7.2019 ging es, erneut in einem geschichtsrevisionistischen Kontext, weiter. Diesmal trat Begi bei der montäglichen Pegida-Demonstration in Dresden auf, wie die Website Friedensdemowatch dokumentiert hat. Erneut sprach er vom „Bombenholocaust von Dresden und Gaza-Stadt“. Auf Twitter wurde zeitgleich mit einem Foto Begis darauf hingewiesen, dass dieser auf der Kundgebung „erneut den Holocaust geleugnet“ habe. Die anwesende Polizei habe „sich der Sache angenommen“. Die Polizei Sachsen bestätigte dies kurz danach auf Twitter.

Diese Liste antisemitischer und die Shoah leugnender Auftritte Reza Begis ließe sich noch deutlich erweitern. Legendär war auch ein von „stadtrand aktion“ am 13.4.2021 auf Twitter publiziertes Video, auf dem Begi auf dem Weg zum Bundestag von der Polizei abgefangen wurde.

Reza Begis Verurteilung u.a. wegen öffentlicher Leugnung der Shoah zu 14 Monaten Haft ohne Bewährung – bei Prozessbeginn im November 2022 wurden ihm 25 Taten aus dem Zeitraum vom Mai 2020 bis September 2021 zur Last gelegt, darunter auch eine Shoahleugnung vor der israelischen Botschaft gegen 5 Uhr morgens (Tagesspiegel, 8.11.2022) – hat eine sehr lange Vorgeschichte. Die zahlreichen weiteren Delikte aus den zurückliegenden Jahren fanden hierbei offenkundig keine Berücksichtigung.

Einsicht dürfte bei Reza Begi auch durch die Haft eher nicht zu erwarten sein.

Dieser Text ist zuerst bei haGalil erschienen.

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