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„Widerstand“ im Prenzlauer Berg Das sind die Parteien der „Corona-Leugner*innen“

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Parteigründung von "Team Freiheit" ohne Mindestabstand und Maske, dafür in der Kneipe mit Bierchen. (Quelle: Screenshot aus dem YouTube-Livestream )

Wer es überhaupt schafft, anzutreten oder Kandidat*innen aufzustellen, bleibt abzuwarten. Hier sind die aktuellen Schwurbelparteien, die sich bisher im Laufe der Covid-19-Pandemie gegründet haben. 

Widerstand 2020 / Basisdemokratische Partei Deutschland, Die Basis

Die von „Schwindelarzt“ Bodo Schiffmann, dem Rechtsanwalt Ralf Ludwig und Victoria Hamm gegründete Partei „Widerstand 2020“ war für kurze Zeit die womöglich erfolgversprechendste politische Kraft der Republik. Unmittelbar nach der Gründung vermeldete die Partei bereits 100.000 Mitglieder. Wie sich allerdings schnell herausstellte, wurde offenbar jede Person, die die parteieigene Website besuchte, kurzerhand zum Parteimitglied erklärt. Nachdem dieser Fehler bereinigt wurde, machte die Partei keine weiteren Angaben zu Mitgliedszahlen. 

Und auch der Rest der Parteigeschichte lief eher chaotisch. Auf der Website war zunächst ein weiteres Gründungsmitglied aufgelistet, eine promovierte Wirtschaftsjuristin aus Burladingen. Die gab jedoch später an, die Nennung sei ein Missverständnis gewesen, sie hätte lediglich eine andere Person beraten. Der Name von Victoria Hamm, die eine Zeitlang als Vorsitzende auf der Website der Partei genannt wurde, verschwand später kommentarlos. Hamm soll als Coach tätig sein und unterhielt eine Website namens „Liebeskummerbox.de“ für zahlungspflichtige Paarberatung. Die Seite, sowie der Facebook-Auftritt sind mittlerweile verschwunden. 

Schwierigkeiten gab es auch im Rest des Gründungsteams. Schiffmann verließ die Partei und gründete eine weitere Partei, während Ralf Ludwig eine Umbenennung vorantrieb. Natürlich per Abstimmung via Telegram wurde ein neuer Name gesucht, Der entsprechende Telegramkanal wird offenbar nicht mehr bespielt, hat aber weiterhin über 10.000 Abonnent*innen. Seit Juli 2020 heißt die Partei „Basisdemokratische Partei Deutschland“. Kurz „Die Basis“. 

„4 Säulen“ hat die Partei laut Website: „Freiheit, Machtbegrenzung, Achtsamkeit, Schwarmintelligenz“. Wieviele von den angeblich 100.000 Mitgliedern noch dabei sind, ist dabei nicht klar. Auf Facebook hat die Partei aktuell etwa 3.300 Likes, auf Twitter knapp 2000 Follower*innen. Im aktuellen Vorstand ist Gründer Ralf Ludwig nicht mehr zu finden. Dafür hat man ungewöhnlichere Parteiämter vergeben, etwa unterschiedliche „Säulenbeauftragte“ und auch ein „Visionsbeauftragter“ ist dabei.

Der baden-württembergische Landesverband will bei den Landtagswahlen antreten. Die Ziele der Partei, die auf der Website eher im vagen bleiben, werden im Interview mit Dragan Nesovic, einem der Kandidaten im Bundesland, im Schwarzwälder Boten etwas klarer: „Wir wollen, dass es in Deutschland wieder normal wird“, so Nesovic. Und: „Die nächste Generation soll eine Art von Chip bekommen.“ Die Einschätzung von Matthias Quent, Leiter des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena, zu „Widerstand 2020“ scheint auch noch zur umbenannten Partei zu passen. Quent hatte die die Vorgängergruppierung als diffuses Sammelbecken aus Verschwörungsideolog*innen, Rechtspopulist*innen, linksesoterischen Impfgegner*innen und verunsicherten Bürger*innen beschrieben. 

WIR2020

Im Juni 2020 gab „Schwindelarzt“ Bodo Schiffmann per YouTube-Video die Gründung einer weitere Partei bekannt: WIR2020. Schiffmann wurde in der Parteisatzung als „Gründungsvater“ mit „Sonderrechten“ in der Partei bezeichnet, ansonsten galt er als „Parteiidentitätshüter (PIH)“ und „Vater der Parteiidentität“. In der Satzung hieß es: „Der Parteiidentitätshüter (PIH) Dr. Bodo Schiffmann ist als Gründungsvater ein bis zum 31.12.2025 befristetes besonderes Mitglied mit Sonderrechten im Sinne des § 10.14.1 WirBS.“ Lange hütete der PIH allerdings nicht die Identität. Bereits im August gab Schiffmann seinen Austritt bekannt. In der Satzung ist sein Name mittlerweile nicht mehr zu finden. 

Dem Austritt vorangegangen war eine Auseinandersetzung zwischen dem „Gründungsvater“ und dem Generalsekretär Kai Pauling. Schiffmann gab an, Pauling sei entlassen worden. Der wiederum scheint auch heute noch, also mehr als ein halbes Jahr nach dem Vorfall, noch Auseinandersetzungsbedarf mit seiner alten Partei zu haben. Auch Pauling betreibt natürlich einen Telegramkanal und schießt dort munter gegen seine alte politische Heimat. 

Zwischenzeitlich war Eva Rosen Vorsitzende der Partei. Rosen ist eine der Teilnehmer*innen der „Frauen Bustour“, einer Gruppe von „Querdenker*innen“, Corona-Leugner*innen und rechtsalternativen YouTubern, die seit Monaten immer wieder per Bus durch die Republik touren. Anfang Januar 2021 gab Rosen allerdings ihren Rücktritt bekannt. Jetzt ist sie Mitglied der Partei „Die Basis“. Das Leben als „Querdenkerin“ mit wechselndem Parteibuch ist offenbar allerdings nicht ganz billig. In ihrem eigenen Telegramkanal (natürlich) bittet Rosen per prominent platzierter „pinned Message“ um Unterstützung. Das aber ganz im Stile der „Querdenken“-Bewegung und ihres Gründers Michael Ballweg. Genau wie der Stuttgarter IT-Unternehmer möchte Rosen am liebsten „Schenkungen“ haben. Die müssen praktischerweise nirgends angemeldet werden und sind an keinen Verwendungszweck gebunden. Ballweg wurde dafür von Jan Böhmermann als „Corona-Unternehmer des Jahres“ ausgezeichnet

„Die Direkte“

Das Hauptziel der Partei „Die Direkte“ ist offenbar die Einführung von Volksentscheiden in Deutschland. Gegründet wurde die Partei im Januar 2021, unter anderem von Thorsten Schulte, einem selbsternannten „Finanzexperten“, der ausgestattet mit YouTube- und Telegramkanal unterschiedlichste Verschwörungserzählungen verbreitet. Wie er damit Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus verbreitete, hat Belltower.News bereits früher dokumentiert.

Im Bundesvorstand der Partei sitzt zum Beispiel Alexander Ehrlich von „Honk for Hope“, einer Initiative von Busunternehmen, die Coronaleugner*innen und „Querdenker*innen“ zu den unterschiedlichen Events der Szene kutschieren. Der mittlerweile ausgestiegene Mitgründer der Organisation Joachim Jumpertz gab t-online einen Einblick in die Finanzen: „Bei den beiden Demofahrten, am 1. und 29. August nach Berlin, wurden insgesamt etwa 10.000 Personen befördert. (…) Macht also 800.000 Euro Umsatz.“ Jumpertz sagt, dass etwa die Hälfte des Geldes an die beteiligten Busunternehmen ging. Die andere Hälfte ist, offenbar nachdem Steuern darauf gezahlt wurden, Gewinn. Ohnehin bot „Honk for Hope“ keine Solidaritätspreise für „Querdenker*innen“ an. Eine Fahrt von Stuttgart nach Berlin kostete am Demowochenende im August 2020 etwa 50 Euro über Flixbus. „Honk for Hope“ nahm für die gleiche Strecke 94,27 Euro.

Ebenfalls im Parteivorstand ist laut Website auch Daniela Scheible. Es ist nicht das erste mal, dass Scheible und Schulte zusammen auftreten. Die beiden waren Teil einer Gruppe von rechtsalternativen YouTubern, die während einer Demonstration von „Querdenker*innen“ im November 2020 von AfD-Abgeordneten in den Bundestag eingeladen wurden und dort Abgeordnete bedrängten und zum Teil beleidigten.  

Daneben ist auch noch Clemens Kuby im Vorstand der Partei. 1979 war er einer der Mitgründer der Grünen in Baden-Württemberg, verließ die Partei aber 1981 wieder. Im gleichen Jahr fiel er eigenen Angaben zufolge 15 Meter vom Dach seines Hauses und war danach querschnittsgelähmt. Danach trat jedoch – ebenfalls eigenen Angaben zufolge – eine Spontanheilung ein. Kuby konnte wieder laufen. Seit 2005 leitet er zusammen mit seiner Frau die „Europäische Akademie für Selbstheilungsprozesse“.

„Team Freiheit“

Ganz frisch in der Verschwörungsparteienfamilie ist „Team Freiheit“, die Partei wurde am 21. Januar in einer Bar in Berlin-Prenzlauer Berg gegründet. Übertragen wurde das Ganze per Livestream auf YouTube. Inhaltlich gibt es wenig Überraschungen, von der „international agierenden Agenda“ und „den Eliten“ ist zu hören, „schlimmen Ekzemen, die sich bei manchen Menschen hinter der Maske gebildet haben“ und ohnmächtigen Kindern. 

Dabei war es bereits der dritte Versuch, der Corona-Skeptiker*innen, zwei vorherige wurden von der Polizei wegen fehlendem Hygienekonzept aufgelöst. Beim ersten Versuch, am 14. Januar, wurde laut Informationen des Tagesspiegels eine Journalistin angegriffen. Wie das angeblich vorhandene Hygienekonzept aussah, bleibt dabei ebenfalls fraglich. Im Videostream ist zu sehen, dass die Parteigründer*innen weder Mindestabstände einhalten und Teil auch keine Masken tragen. 

Wortführer*innen der Veranstaltung waren offenbar die Hutmacherin Rike Feurstein, die hier genauso wie in diversen Videos der „Querdenken“-Szene, als Anwältin Viviane Fischer auftritt, sowie der Anwalt Reiner Fuellmich. Fuellmich hatte bereits im November 2020 mehrere Klagen unter anderem gegen Christian Drosten und den Chef des RKI, Lothar Wieler angekündigt. Dabei soll es sich um eine Art „Class Action Lawsuit“ handeln, der in den USA verhandelt werden soll. An der Sammelklage kann man sich gegen Vorauszahlung von 800 Euro beteiligen. Den Klageversuch sehen unterschiedliche sowohl medizinische als auch rechtliche Expert*innen dabei eher kritisch, wie der Faktenfinder ARD hier zusammengetragen hat. 

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„Querdenken“-Gründer Michael Ballweg lässt sich offenbar für Auftritte bezahlen und sammelt „Schenkungen“ auf einem privaten Konto. Ein Aussteiger berichtet über sechsstellige Umsätze mit Busreisen zu Demos. Die Anti-Corona-Bewegung ist lukrativ.

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