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Ermordete Polizeibeamte in Kusel Die emotionale Verrohung der Pandemieleugner:innen-Szene

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Symbolbild Polizei (Quelle: Pixabay/fsHH)

In der Nacht von Sonntag, den 30.01.2022, auf Montag, den 31.01.2022, sterben zwei Menschen, ein 29-jähriger Mann und eine 24-jährige Frau, auf einer Kreisstraße nahe Kusel in Rheinland-Pfalz. Der Oberkommissar und seine Praktikantin, die Polizeistudentin ist, haben als Zivilstreife einen Wagen angehalten und entdecken bei der Verkehrskontrolle totes Wild im Kofferraum. Beide tragen Uniform und Schutzwesten, doch der Täter schießt die junge Kommissaranwärterin in den Kopf, auch der Kollege wird getroffen, schießt selbst und setzt noch einen Funkspruch ab, bevor auch er stirbt. Im Wagen finden ermittelnde Polizist:innen später einen Ausweis, den der mutmaßliche Täter bei der Fahrzeugkontrolle fallen gelassen haben muss. Der mutmaßliche Täter wird zur Fahndung ausgeschrieben, verhaftet wird ein 38-jähriger Besitzer eines Wildhandels und einer „Traditionsbäckerei“ in finanziellen Schwierigkeiten (vgl. Spiegel). Noch ist über den mutmaßlichen Täter und seinen 32-jährigen Komplizen nicht viel bekannt: Offenbar hat er aber keine Skrupel, auch gegen Menschen zur Waffe zu greifen, wenn er sich bedroht fühlte.

Warum freut das Teile der Coronaleugner:innen-Szene?

Während bundesweit Bestürzung darüber herrscht, dass zwei Menschen im Polizeidienst erschossen worden sind, weil sie eine Überprüfung vornahmen und dabei offenbar illegales Wilderer-Gut entdeckten, gibt es eine Szene in Deutschland, die sich über tote Polizist:innen freut: Das ist die verschwörungsideologische Pandemieleugner:innen- und Impfgegner:innen-Szene.

In Coronaleugner:innen-Gruppen werden die Morde in Bezug zu den Coronaprotesten gesetzt – obwohl es den nicht gibt. Und die Morde werden mit Bezug zu den Corona-Demonstrationen gut geheißen. So kommentiert in einer Gruppe „Mario“: „2 weniger bei den Spaziergängen“.

„Jim“ schreibt: „Aber die Herrschaften sollten sich mal die Frage gefallen lassen, warum sie sich nicht um die eigentlichen Polizeiaufgaben kümmern, nämlich Verbrecher jagen und festnehmen anstatt Handlanger der verbrecherischen Regierungen zu spielen“ (alle Fehler in allen Zitaten im Original).

„Torsten“ ergänzt: „Tja, selber Schuld. Die Polizei hat die Aufgabe die Bevölkerung zu schützen und nicht die Bevölkerung bei Spaziergängen gegen sie vorzugehen!“

Später führt er weiter aus: „Hast Du gesehen, gehört oder gelesen, dass die Bullen eine Schweigeminute eingelegt haben bei den Sparziergängen ??? Nein, also ! Warum sollte man jetzt Mitleid haben.“

Und „der Hoschi“ ist völlig empathiefrei: „2 Söldner weniger, nicht das es vergessen wird.“

„Gregor“ hat auch noch einen unpassenden Vergleich: „Mein Mitleid hält sich in Grenzen, mit dieser neuen SA“.

Bei den „Freiheitboten Landkreis Kusel“ bekommt ein „Angry old man“ Zustimmung, der weiter „laufen“ will, weil „Politikverbrecher“ auch kein Erbarmen zeigen würden: „Mit Abstand zu Kusel aber ich laufe.“

Allerdings ist das nicht Konsens. Andere Teilnehmer:innen rufen zur Mäßigung auf:

Eine neue Verschwörungserzählung wird verbreitet

Die Morde bieten den in Coronaleugner:innen-Gruppen Organisierten aber auch Anlass, Verschwörungsnarrative zu verbreiten und zu verstärken.

So teilt Querdenken-Sänger „Björn Banane“ die Aussage: „Wieder ein Täter der seine Ausweispapiere am Tatort liegen lässt“. Zweifelt dieser Beitrag, die Polizeiermittlungen an? Deutet er eine dahinterliegende Absicht an? Neonazi Sven Liebich wird deutlicher, sieht die „Rubrik zufälligste Zufälle“ walten.

Noch deutlicher wird Mitdiskutant „CYA“: „Ich vermute MOSSAD.“

Ein anderer, „Thomas“, bekräftigt: „Das klingt nicht wirklich glaubwürdig und so arbeiten eher die Geheimdienste.“ Aber warum sollten Geheimdienste das tun? „Thomas“ vermutet: „Das muss anders heißen nicht Polizisten Mord sondern Terroristen Mord, Polizisten sind die ja keine (…).“ und er führt weiter unten aus: „da wird ein Riesenaufwand betriben, weil sie j auch zu den Verbrechern gehören, von den Impftoten (Totgespritzte) sagt keiner was.“ (Fehler im Original). Ein Autor namens „Corona Virus Informationen“ hat eine andere Idee: „Sicher ist aber das die Psychopathen alle Waffenbesitzer entwaffnen wollen, um alle wehrlos zu machen.“ Ein „André“ sekundiert: „… das aufbegehrende Völklein muss entwaffnet werden“. Ein anderer ergänzt: „Zusätzlich brauchen sie auch den Schießbefehl für die Demos.“  (Alle Fehler im Original).

Auch Attila Hildmann sieht eine Verschwörung am Werk: „Denen ist JEDES Mittel Recht, um ihre Gegener zu diffamieren! Ihr Bäckermeister-Copkiller-Metzgerkittel, der zufällig seine Papiere zurücklässt, wird jetzt richtig ausgeschlachtet fürs Framing und die Entwaffnung.“

„Luise“ hat eine andere Idee: „Wild im Kofferraum? Wilderer/Jäger? Macht keinen Sinn. Für Wilderei tötet niemand einen Menschen. Menschenwild? (…) Waren die getöteten am Kinderhandel beteiligt?“ Dies bezieht sich auf die Verschwörungsideologien von QAnon, in denen es unter anderem auch im Kinder geht, die gehandelt und in Kellner gehalten und misshandelt werden. Sie nennt die Ermordeten „Söldner“, wie große Teile der Corona-Demo-Szene Polizist:innen delegitimiert.

Der „Q-Quanal Germany“ sieht ebenfalls „Untergrund-Saarland-Kinderschänderbanden“ und zieht einen Zusammenhang zu einer Ermittlung von 2019, die nichts mit dem aktuellen Fall zu tun hat.

Rassismus gehört natürlich auch dazu. „Anticitizen one“ findet: „Riecht nach (…) Clanumfeld.“ „Regimekritiker 1419“ versuchts mit „Humor“: „Na, dass waren doch bestimmt wieder diese Ungeimpften!“

Sprachliche und gedankliche Verrohung

Es sind erschreckende Beispiele der sprachlichen und gedanklichen Verrohung von Menschen, die sich als „Spaziergänger:innen“ verharmlosen, während sie das Ende der Demokratie und ihrer Regeln und Pflichten herbeispazieren wollen. Wer sich regelmäßig  in Gruppen aufhält, in denen Politiker:innen, Journalist:innen, Polizist:innen beschimpft, bedroht und gedanklich und verbal aufgehängt werden, der verliert offenbar jeden empathischen Bezug zu ermordeten Menschen, die in diese ihre „Hasskategorien“ fallen. Die beiden ermordeten Polizist:innen hatten nichts mit Pandemieleugner:innen-Demonstrationen zu tun, sie haben den Schreiber:innen nichts getan, und trotzdem wird ihr Tod gefeiert. Sie werden in ihrer Funktion als „Staatsdiener:innen“ entmenschlicht – die „Freien Sachsen“ sprechen in ihren Gruppen fast nur noch von „Söldnern“, wenn sie Polizist:innen thematisieren, um ihnen die Legitimität ihres Handelns abzusprechen.

Hier zeigt sich auch ein Wandel des Polizei-Bildes innerhalb der Corona-inspirierten Demonstrationen. Im Corona-Startjahr 2020 sah die Pandemieleugner:innen-Szene Polizist:innen eher noch als Partner:innen an. Immer wieder wurden Aufrufe an die Polizei gestartet, „die Seiten“ zu wechseln und sich bei den Demonstrierenden einzureihen. Jede Geste des Zuspruchs – sei es eine freundliche Lautsprecherwagen-Durchsage oder ein Hände-Herz einer Polizistin am Rande der Demonstration – wurde begeistert durch die Social-Media-Blase getrieben und bestärkte das Gefühl der Demonstrierenden, nicht pandemie-leugnend, nicht rücksichtslos und unsolidarisch gegen den Schutz von Schwächeren zu demonstrieren, sondern als „Gute:r“ für Freiheitsrechte auf die Straße zu gehen.

Dieser Eindruck hat sich längst gewandelt, seit Polizist:innen vermehrt dazu angehalten werden, die unangemeldeten „Spaziergangs-“-Demonstrationen, die oft gegen Coronaschutzmaßnahmen verstoßen, zu begrenzen und am Weitergehen zu hindern. Die vermeintlich „bürgerlichen“ Demonstrierenden zeigen seitdem ein anderes Gesicht, durchbrechen regelmäßig Polizeiketten, brüllen und spucken. Und es mehren sich die Bilder, auf denen Polizist:innen als greifbare Stellvertreter:innen des Staates angegriffen werden, geschlagen und gebissen wie in Zwönitz mit vielen im Mob gegen wenige Polizist:innen oder vor einer Woche in Brüssel, wo Polizist:innen, die in einem U-Bahn-Schacht vor dem Corona-Mob Schutz suchen mussten, mit Absperrgittern und Müll beworfen werden.

Nun feiern diese Menschen den Tod von einem Oberkommissar und einer Kommissaranwärterin. Es sollte eine Warnung sein, wohin sich diese Szene radikalisiert.

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