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Broschüre „Eine Waffe im Informationskrieg“ Demokratiefeindliche Narrative in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine

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Ausschnitt aus dem Titelbild der Broschüre »Eine Waffe im Informationskrieg« Demokratiefeindliche Narrative in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine" (2023) (Quelle: Amadeu Antonio Stiftung)

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine versetzt Deutschland in Aufruhr. Seit dem 24. Februar 2022 haben Hunderttausende im gesamten Bundesgebiet demonstriert und ein Zeichen gegen die völkerrechtswidrige Invasion gesetzt.1 Doch auch konträre Deutungen des Kriegsgeschehens entfalteten in den Folgemonaten ein zunehmendes Mobilisierungspotenzial. Im April sorgte eine Reihe von Autokorsos für Schlagzeilen: Insbesondere Menschen mit postsowjetischem Migrationshintergrund fuhren mit Russlandfahnen hupend durch die Straßen. Nach eigener Angabe wollten sie gegen eine in Deutschland um sich greifende „Russophobie“ demonstrieren; doch immer wieder beobachteten Behörden auch Solidaritätsbekundungen mit dem russischen Angriffskrieg.

War der Trend zu den Umzügen über den Sommer 2022 abgeflacht, sind die dahinter liegenden Positionen zum Krieg in Communitys von Menschen mit postsowjetischem Migrationshintergrund nach wie vor präsent. Anzunehmen sind Konflikte zwischen den Generationen und innerhalb von Familien.

Daneben entdeckten verschwörungsideologische und rechtsradikale Milieus zunehmend den Russland-Ukraine-Krieg für sich. Bei einer Kundgebung in Berlin am 1. August 2022 forderten Pandemieleugner*innen „das Ende der Kriegstreiberei“ und einen sofortigen NATO-Austritt Deutschlands. Unter den Stichworten „heißer Herbst“ und „Wutwinter“ mobilisierte das gesamte rechtsradikale bis rechtsextreme Spektrum mit dem Themennexus Waffenlieferungen an die Ukraine, Sanktionen gegen Russland und steigende Energiepreise zu demokratiefeindlichen Massenkundgebungen. Das Narrativ: Deutschlands Unterstützung der Ukraine würde die heimische Wirtschaft torpedieren und zu massiver sozialer Verelendung führen. Hinter dem Krieg stünde die NATO und die Bundesregierung folgte nur dem Willen Washingtons.

Eine vermeintlich grassierende „Russophobie“, eine imaginierte westliche Kriegsschuld und der angeblich bevorstehende Kollaps der deutschen Wirtschaft – diese Erzählungen finden immer mehr Zulauf. Eine repräsentative Umfrage des unabhängigen Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) zeigt
für den Oktober 2022, dass fast ein Fünftel der deutschen Bevölkerung an eine Provokation Russlands durch die NATO glaubt.

Dabei zirkulieren derartige Narrative nicht nur hierzulande. Sie finden sich auch im russischen Staatsfernsehen und auf anderen Informationskanälen, die über eine gewisse Nähe zum Kreml verfügen. Beobachtbar ist eine Übernahme russischer Narrative durch deutsche Akteur*innen. Im August 2022 warnte der Verfassungsschutz jedoch auch vor einer gesteuerten Einflussnahme: „Die Russische Föderation ist bestrebt, in Bezug auf ihren völkerrechtswidrigen Angriffskrieg die öffentliche Meinung in
Deutschland durch die Verbreitung von Desinformation und Propaganda und andere Formen der Einflussnahme zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Auch Deutschlands Partner, unter anderem in EU und NATO, sind von dieser Einflussnahme betroffen.“

Solche Bestrebungen sind nicht neu. Mittels des in der EU mittlerweile verbotenen Auslandssenders Russia Today beförderte der Kreml in den vergangenen Jahren gezielt die Positionen von Impfgegner*innen und Corona-Leugner*innen. Im Zuge des Kriegsgeschehens ist eine Ausweitung dieser Bemühungen zu beobachten. Propagandistische Narrative und prorussische Deutungen zum Angriffskrieg verbreiten sich insbesondere über die sozialen Medien weiter – auf Russisch und auf Deutsch.

Die Amadeu Antonio Stiftung möchte über kremlnahe Desinformation und Propaganda informieren, verbreitete Narrative analysieren und eine Übersicht über Akteur*innen geben, die innerhalb Deutschlands an der Verbreitung von Falschmeldungen im Kontext des Krieges beteiligt sind.

Die Publikation

Weitere Teile der Broschüre „“Eine Waffe im Informationskrieg“ – Demokratiefeindliche Narrative in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine“ der Amadeu Ant0nio Stiftung erscheinen in den nächsten Tagen.

Aus dem Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung
2. Worauf zielt Desinformation?
3. Narrative 
3.1 Was steht hinter Krieg und Propaganda?
3.2 Russische Propaganda: Zwischen Desinformationskampagne und Verschwörungsideologie
3.3 Feindbild Ukraine
3.
4 Der Westen als Feind
4. Grenzüberschreitende Desinformationskanäle auf Russisch
4.1 Russische Propaganda als deutsches Problem
4.2 Quellen der Desinformation in Russland
5. Wie wird in Deutschland kremlnahe Desinformation verbreitet?
5.1 „Alternative Medien“
5.2 Social Media
5.3 Putin-Freund*innen in der Politik
6. Handlungsempfehlungen
6.1 Strategische Überlegungen zum Umgang mit
kremlnaher Propaganda und Desinformation
6.2 Handlungsempfehlungen

Die Broschüre als PDF zum Download finden Sie hier:


Anmerkungen zum Sprachgebrauch:

Der Sprachgebrauch hierzulande reserviert den Begriff „Russ*innen“ oftmals für alle Menschen mit Migrationshintergrund, die Russisch sprechen oder irgendwie mit Osteuropa verbunden sind. Dabei kommen viele russischsprachige Migrant*innen nicht aus Russland, sind im ethnischen Sinn keine Russ*innen und identifizieren sich auch nicht mit diesem Land. Andere Menschen haben vielleicht Wurzeln, die nach Russland zurückreichen, doch sprechen sie kein Russisch, sondern Deutsch. Um der Heterogenität und Vielschichtigkeit dieses Milieus gerecht zu werden, sprechen wir in dieser Publikation von „Menschen mit postsowjetischem Migrationshintergrund“ oder von „Menschen mit Bezug zum postsowjetischen Raum“. Dabei sind wir uns bewusst, dass auch das Label „postsowjetisch“ nicht ohne Tücken ist, da es nicht von der gewaltvollen Geschichte der erzwungenen Russifizierung der übrigen Sowjetrepubliken zu trennen ist und Russland wiederrum in den Mittelpunkt stellt. Mit der Rede von „russischsprachigen Menschen in Deutschland“ meinen wir meist denselben Personenkreis. Die Formulierung markiert zudem, dass es auch in Deutschland geborene Menschen gibt, die Russisch verstehen und zur Zielscheibe russischsprachiger Propaganda werden können.

Diese Begriffsverwendungen denken auch die komplexen Geschichten russlanddeutscher Spätaussiedler*innen und jüdischer Kontingentflüchtlinge mit, die zwar oftmals Russisch sprechen, aber aus ehemaligen Sowjetrepubliken wie Kasachstan oder der Ukraine nach Deutschland gekommen sind. Das Wort „russisch“ ist – insbesondere in der Verwendung als Adjektiv – zur Benennung
des russischen Staatsapparates und seiner ideologischen Gebilde reserviert.

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