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Bundeswehr Impfgegner in Uniform

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Ein Drama in drei Akten: Die Radikalisierung des Bundeswehrsoldaten Andreas Oberauer, der Selfies und Videos in seinem Telegram-Kanal hochlädt
Ein Drama in drei Akten: Die Radikalisierung des Bundeswehrsoldaten Andreas Oberauer, der Selfies und Videos in seinem Telegram-Kanal hochlädt (Quelle: Screenshot/Belltower.News-Collage)

Als an einem frischen Januarsamstag in Magdeburg mehrere Tausend Impfgegner:innen, Verschwörungsgläubige und Rechtsextreme zu einer sogenannten „Mega-Demo“ mobilisieren, stehen am Rande drei Bundeswehrsoldaten uniformiert und offenbar einsatzbereit. Eine behelmte Truppe der Bereitschaftspolizei schreitet schnell ein und setzt die Soldaten fest, die offenbar Platzverweise bekommen. Das zeigt ein Video, das einer der Soldaten auf Telegram hochlädt. Es geht um den Oberfeldwebel Andreas Oberauer, den Obergefreiten außer Dienst Julian Copeland und den Oberst außer Dienst Maximilian Eder. Was haben die Soldaten vor?

Der pensionierte Oberst Eder ist in Magdeburg nicht zum ersten Mal aufgefallen. Eder, Gründungsmitglied der sogenannten „Eliteeinheit“ Kommando Spezialkräfte (KSK), sagte auf einer „Querdenken“-Bühne in der Hauptstadt an Pfingsten 2021: „Man müsste das KSK mal nach Berlin schicken und hier ordentlich aufräumen, dann könnt ihr mal sehen, was die können“. Seitdem beschäftigen sich auch Sicherheitsbehörden mit ihm. Während des Hochwassers in Ahrweiler im Sommer 2021 errichtete Eder einen „Stab“ im Auftrag vom „Querdenken“-Arzt Bodo Schiffmann, um mit anderen Veteranen Fluthilfe zu leisten. Der ehemalige Obergefreite Julian Copeland ließ sich im Januar 2022 vom Ex-AfDler und Rechtsaußen-Medienaktivisten Stefan Bauer interviewen, er verwendet oft rechtspopulistische Rhetorik, um den Staat zu delegitimieren. Nach eigenen Angaben sei er im September 2021 wegen „Extremismusverdacht“ aus der Bundeswehr entlassen. Oberfeldwebel Andreas Oberauer gehört der 1. Kompanie des Gebirgsjägerbataillons 231 in Bad Reichenhall an. Zuvor war er allerdings nicht aufgefallen.

Was diese Männer verbindet: Alle drei sehen sich als Schützer der Proteste gegen einen Staat, den sie immer wieder delegitimieren. Alle drei kritisieren die Impfpflicht für Bundeswehrsoldaten mit polemischer Rhetorik, die in den Medien für Aufruhr sorgt. Ende Dezember, eine Woche vor der Demo in Magdeburg, stellt Oberauer der Regierung sogar ein Ultimatum: Die Impfpflicht und Corona-Maßnahmen seien verfassungsfeindlich, gar wahnwitzig – und müssten beendet werden. Er spricht von „Leichen auf den Feldern“.

Oberauer ist wegen solcher Äußerungen bereits seit längerer Zeit mit Uniform- und Dienstverbot belegt, was einer Suspendierung gleichkommt. Ende Dezember wurde er vorläufig festgenommen, bevor er kurze Zeit später wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Wie ist es dazu gekommen? Welche Radikalisierungsprozess haben die drei Soldaten hinter sich? Wie sind sie vernetzt? Und welche Gefahr geht von ihnen aus? Um diese Fragen zu beantworten, haben wir Telegram-Kanäle, Selfievideos und Social-Media-Beiträge ausgewertet, um eine Chonrik der Ereignisse zu rekonstruieren. Die Ergebnisse zeigen das Bild eines Soldaten, der sich offenbar in einer Ecke gedrängt fühlt, in seiner Wortwahl zunehmend radikal wird – und schnell Verbündete findet.

Noch am Anfang Dezember ist Oberauers Ton wesentlich milder: Laut einer Nachricht und einem Video im verschwörungsideologischen und QAnon-nahen Telegram-Kanal „fuf media – Freiheit denken“ spricht er am 1. Dezember 2021 auf einer Mahnwache im bayerischen Rosenheim. Ein Video der Mahnwache auf YouTube scheint das zu bestätigen. Dort erklärt Oberauer, dass es unter den Soldaten viel Angst gäbe und er den Impfbefehl für falsch halte. Er kündigt einen offenen Brief an seine Vorgesetzten in Bad Reichenhall an.

Am nächsten Tag veröffentlicht Oberauer den Brief. Darin erklärt er, dass er die Pflichtimpfung in der Bundeswehr ablehnt. Er argumentiert, dass diese ein „verfassungswidriger Befehl“ sei – und findet dafür dramatische Worte. Sein vorgesetzter Offizier solle zu seiner Befragung eine Pistole mitbringen, weil sie ihn erschießen müssten, bevor er einlenken würde, schreibt er etwa. Entgegen manchen Medienberichten bedroht er hier allerdings weder seinen Vorgesetzten, noch meinte er, dass sie zu ihrer Sicherheit bewaffnet sein sollten.

Der Brief geht in der Pandemieleugner-Szene viral. Zunächst wird er in der Telegram-Gruppe „BayernStehtZusammen – INFO-Kanal“ geteilt, bevor er auf den einschlägigen „Querdenken“-Kanälen verbreitet wird. Oberauer wird als mutiger Held gepriesen – im Kampf gegen eine Diktatur.

Oberauer ist nicht alleine: Am 14. Dezember veröffentlicht auch der Oberstleutnant Daniel Futschik einen offenen Brief auf Facebook an den Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Auf Facebook schreibt Futschik dazu: „Liebe Mit-Menschen, in Sorge bezüglich der Impfdurchsetzung bei meinem Arbeitgeber, habe ich beiliegenden Brief an meinen höchsten medizinischen Vorgesetzten geschrieben. Kennt Ihr Leute, welche sich mit gleichen Sorgen befassen, leitet den Brief gerne weiter. Möge er Kraft, Hoffnung und Licht den Menschen bringen“. Er endet seinen Post mit einem Bibelvers: „‚So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise, und kauft Die Zeit aus, denn die Tage sind böse‘ Epheser 5:15-16“. Bis heute hat der Beitrag nur 135 Likes und 88 Kommentare. Der Brief findet aber in der Szene Widerhall – und wird unter anderem auf der Webseite des rechtsalternativen Publizisten Boris Reitschuster veröffentlicht.

Eine Woche später, am 21. Dezember, wird der Telegram-Kanal „Soldaten für das Grundgesetz“ erstellt. Der Admin: Andreas Oberauer, der fast alle Beiträge mit seinem Namen und dem Telegram-Nutzernamen „Bayer100“ unterzeichnet. Der Kanal hat inzwischen rund 8.500 Abonnent:innen. Der erste Beitrag, den er im Kanal postet, ist ein Interview auf der rechtspopulistischen Webseite „Die Tagesstimme“ mit einem impfskeptischen Oberstabsgefreiten der Bundeswehr. Es folgen Artikel vom russischen Desinformationssender RT DE.

Schnell findet Oberauer Gleichgesinnten in der Bundeswehr. Er teilt den offenen Brief einer Bundeswehrangehörigen namens Sina Kliefoth, die die Sicherheit der Covid-19-Impfstoffe infrage stellt. Auch ein Video einer Rede des Obergefreiten a.D. Julian Copeland wird geteilt: In der Rede kritisiert Copeland auch die deutsche Regierung und die „Zwangsimpfung“ in der Bundeswehr. Er nennt den Impfstoff eine „Gentherapie“.

Es folgt ein zweiter Facebook-Beitrag vom Oberstleutnant Futschik, der auch in Oberauers Telegram-Kanal geteilt wird. Darin äußert Futschik seine Bedenken über den Impfstoff und die Covid-19-Politik der Regierung. „Wir sind das erste Testobjekt, für die weiteren auszuweitenden Impfpflichten“, schreibt er. „Lange war ein Kampf direkt vor unserer Haustür weit entfernt. Für mich hat er vor gut drei Wochen hier in meinem Heimatland angefangen. Der Kampf gegen politische Entscheidungen, welche ich mit meinem Gewissen nicht mehr mittragen kann“. Er vergleicht diesen Kampf mit der Geschichte von David und Goliath. Und er will das Grundgesetz gegen „alles und jeden“ verteidigen.

Doch er betont auch: „… unsere Waffen sind nicht militärischer Natur. Aktuell ist unser Verstand, unsere Worte und Tun (Schreiben, Spazieren gehen) unsere Werkzeuge.“ Auch dieser Beitrag endet mit einem Bibelvers, von Daniel 11:33: „Und die Verständigen des Volkes werden die Vielen unterweisen, aber sie werden fallen durch Schwert und Flamme, durch Gefangenschaft und Raub, eine Zeitlang“. Der Beitrag hat inzwischen knapp 300 Likes und fast genauso viele Kommentare.

Offenbar motiviert dieser Facebook-Beitrag Oberauer, weitere Schritte zu unternehmen – und seine inzwischen viel geteilten und kritisierten Videos aufzunehmen. Am nächsten Tag, den 29. Dezember, teilt er ein Foto von sich auf Telegram. Er schreibt: „Ich schließe mich OTL Futschik an und werde treu für das Grundgesetz und den Eid kämpfen“, dazu Schild- und Schwertemojis. Er erklärt der Regierung, die er mit einem teufelähnlichen Oger-Emoji markiert, „den Kampf“, bis die verfassungsmäßige Ordnung wiederhergestellt sei. Auch Oberauer verwendet erstmals einen Bibelvers.

Am selben Tag, dem 29. Dezember, teilt Oberauer abends ein Video von seiner Rede, die er offenbar bei einer Kundgebung vor der Kaserne im nordrhein-westfälischen Minden gehalten hat. Aus Worten werden Taten. Oberauer erklärt, dass er sich entschlossen habe, sich dem Kampf gegen die Ungerechtigkeit der Impfpflicht anzuschließen – und ruft jeden „gestandene[n] Bayer“ dazu auf, „mitzumarschieren und unseren Staat und unser Recht zu verteidigen“. Er stellt infrage, ob es in Bayern noch eine demokratische Ordnung gebe und warnt diejenigen, die er als seine Feinde ansieht und „Feiglinge“ und „Hochverräter“ nennt, mit den inzwischen viel zitierten Worten: „Euch wird man in Scherben schlagen, eure Leichen wird man auf den Feldern verstreuen.“

Diese Sätze werden später von den Medien und dem Verteidigungsministerium als gewalttätige Drohung gegen Politiker:innen und Entscheidungsträger:innen aufgefasst. Eine weitere Lesart könnte jedoch sein, dass vermeintliche „Verräter“ nicht „ehrenhaft“ wie Soldaten begraben werden. Doch der Bibelvers, der Oberauer inspiriert haben könne, lässt wenig Zweifel an seiner militanten Rhetorik. Judit 6:17 lautet: „Wer ist Gott außer Nebukadnezzar? Er wird seine Kraft aussenden und sie vom Erdboden vernichten und ihr Gott wird sie nicht retten. Wir aber, seine Knechte, werden sie schlagen wie einen einzigen Mann. Sie werden dem Ansturm unserer Reiterei nicht widerstehen können; mit ihr werden wir sie vernichten, sodass die Berge von ihrem Blut getränkt und die Felder mit ihren Leichen übersät sein werden.“ Später wird Copeland auf einer Demonstration sagen, die Oberauers „angeblicher Gewaltaufruf“ sei eigentlich nur „ein Zitat aus der Bibel“. Ein Video von Copelands Rede teilt Oberauer in seinem Telegram-Kanal.

Noch in derselben Nacht, um 01:04 Uhr, lädt Oberauer ein zweites Video in seinem Telegram-Kanal hoch – dieses Mal ein Selfievideo und in Uniform. „Hier spricht der Oberfeldwebel Oberauer. Ich habe allen Politikern der gesamten Regierung klar ihr Schicksal angedroht“, sagt er, bevor er der Regierung ein Ultimatum stellt. „Dies ist eine Warnung. Wir haben es bereits klar benannt. Ich und Oberstleutnant Futschik. Wir werden uns nicht wiederholen. Ihr habt bis morgen Zeit, euch dazu zu äußern und von diesen wahnwitzigen, verfassungsfeindlichen Maßnahmen abzutreten“.

Die Frist kommt und geht. Am 30. Dezember um 16:05 Uhr postet er ein weiteres Selfievideo auf Telegram. Wie erwartet sei die Frist ignoriert worden und man habe hier keinen Willen mehr zum Dialog oder zum Deeskalieren, so Oberauer. Das Video endet mit einem Aufruf: „Geht dazwischen. Greift ein, gegenüber den Kollegen, gegenüber der Bevölkerung, Kindern und Frauen übergriffig werden“. Jeder Soldat sei dazu aufgerufen, die „Spaziergänge“ in Uniform zu schützen – damit meint er die oft unangemeldeten und teils gewalttätigen Demonstrationen von Impfgegner:innen, Pandemieleugner:innen und Rechtsextremen. Zum Schluss sagt er: „Ich befehle jeden mir unterliegenden Soldaten für 19:00 Uhr wieder in den Dienst. In Uniform. Ihr werdet den Auftrag erfüllen und die Zivilbevölkerung und die Spaziergänge schützen und gegen Angriffe von außen dazwischen gehen. Jeder Polizist, der sich hier verfassungsfeindlich oder übergriffig gegenüber der Bevölkerung zeigt, ist festzusetzen und der Strafverfolgung zuzuführen“.

Etwa zwei Stunden später, um 18:31 Uhr, postet Oberauer auf Telegram erneut. Er kündigt an, dass er um 19 Uhr „friedlich und unbewaffnet“ auf dem Münchener Odeonsplatz auftreten werde. Auch in einem Livestream auf YouTube ruft er seine Anhänger:innen dazu auf, sich ebenfalls am Odeonsplatz zu versammeln. Er fühle sich zudem missverstanden. Oberst a. D. Maximilian Eder kommt im Video ebenfalls zu Wort und verteidigt Oberauer. „Sein Herz ist am richtigen Fleck und er trifft die Dinge auf den Punkt. Und ich möchte sagen, ja, aber: Bleibt friedlich, gewaltfrei. Löst das Ganze auf eine Art und Weise, dass die Regierung gezwungen wird, einzusehen, dass sie Grund- und Freiheitsrechte unserer Bevölkerung, unserer Bürger, unrechtmäßig einschränken“. Damit impliziert Eder, dass Oberauers früheren Videos doch als gewaltvolle Bedrohungen zu verstehe seien. Dann bricht Oberauer auf in Richtung Odeonsplatz. Dort wird er von der Polizei festgenommen, wird aber kurz darauf wieder freigelassen.

Seit seiner Festnahme ist von „Leichen auf Feldern“ nicht mehr die Rede. Doch die Soldaten bleiben aktiv – und versuchen offenbar, sich weiter in der Bundeswehr zu vernetzen. Auf Telegram ruft Oberauer andere Soldaten dazu auf, ebenfalls Videostatements aufzunehmen und ihm zu schicken. Doch er betont: keine Aufrufe zum Putsch, keine verfassungsfeindlichen Inhalte. Oberauer distanziert sich auch von nationalsozialistischen Anspielungen und Antisemitismus. Nachdem ein Kamerad, offenbar vom Versorgungsbataillon 141 in Luttmersen, Oberauer ein Foto unter anderem mit einem „Judenstern“ und durchgestrichener Spritze schickte, kritisierte er: „Diese menschenverachtende, nationalsozialistische und antisemitische Tat ist eine Schande für die gesamte Armee. Ein Mensch der sowas tut sollte keine Waffe in der Hand halten. Als Soldat muss man sich immer seiner historischen Verantwortung bewußt sein“ (Fehler im Original).

Auch offline suchen die Soldaten Verbündete: Am 8. Januar soll ein Kameradschaftstreffen für Soldaten und Reservisten in „150 km Umkreis von Berlin“ stattgefunden haben, organisiert vom Maximilian Eder. Am 8. Januar war auch die Demonstration in Magdeburg, auf der Oberauer, Eder und Copeland vorübergehend festgesetzt wurden. „Bitte kommt in Uniform“ steht auf der Einladung. Was genau beim Treffen besprochen wurde und wie viele Soldaten erschienen sind, ist nicht bekannt. Doch das Verteidigungsministerium ist weiterhin alarmiert – und hat den Militärischen Abschirmdienst damit beauftragt, nach weiteren radikalen Pandemieleugner:innen und Impfgegner:innen in der Bundeswehr zu suchen.

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