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„Demo“ in Berlin QAnon-Umfeld will schon wieder die Regierung stürzen

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QAnon-Flagge auf einer Demo der "Querdenken"-Szene im Sommer 2020 in Berlin (Quelle: AAS)

Denn die deutsche QAnon-Szene ist zerstritten. Einig ist man sich nur bei Geschichtsrevisionismus, antisemitischen Verschwörungserzählungen und ungezügelten Hass auf Politiker:innen, Medien und den Staat. Mindestens zwei Lager haben sich gebildet, die sich gegenseitig vorwerfen, für den Verfassungsschutz zu arbeiten oder satanische Pädophile zu sein. Eine Fraktion mobilisiert für eine unangemeldete Demonstration am 19. Juni 2021 in Berlin (während die andere glaubt, bei eben jener Demo handele es sich um ein satanisches Ritual).

Organisiert wird die Veranstaltung am Samstag von Georg H. aus Karlsruhe. H. ist eigenen Angaben nach ein „Wasser-Experte“, der bis zum Beginn der Corona-Pandemie versuchte, mit der „Initiative Reines Wasser“ auf sich aufmerksam zu machen. Inhaltlich handelt es sich dabei um eine krude Mischung aus zum Teil belegten Fakten und Esoterik. H. wirbt auf seiner Website, die offenbar zum letzten mal 2017 aktualisiert wurde, für Wasserfilter aber auch für sogenanntes „energetisiertes“ oder „belebtes Wasser“. Laut dieser Theorie kann Wasser Informationen aufnehmen und speichern. Indem Leitungswasser mit Edelsteinen oder für teures Geld erhältliche Spezialfilter „belebt“ wird, sollen sich die Wassermoleküle demnach in neuen Strukturen anordnen. Dadurch soll das Wasser nicht nur „lebendig“ werden, sondern beispielsweise auch dazu in der Lage sein, Bakterien abzutöten und Krankheiten zu heilen. Wissenschaftlich belegt ist das nicht. Es handelt sich um reine Esoterik, mit der den Gläubigen das Geld aus der Tasche gezogen werden soll.

Besonders erfolgreich scheint H. mit seiner Initiative nicht gewesen zu sein. Die dazugehörige Facebookseite hat zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Textes 273 Likes. Aktualisiert wurde sie zum letzten mal im März 2021. Fahrt aufgenommen hat die Karriere des „Wasser-Experten“ offenbar mit der Pandemie. H.s Telegramkanal hat über 47.000 Abonnent:innen. Um Wasser geht es nicht mehr, stattdessen werden die üblichen Anti-Maßnahmen-Narrative geteilt, die aus dem „Querdenken“-Umfeld bekannt sind. Demnach ist Covid-19 eine leichte Grippe, existiert gar nicht oder ist je nach Stimmungslage eine biologische Waffe des „tiefen Staates“. Mit den Corona-Impfungen werden entweder Chips eingepflanzt oder gleich alle Menschen getötet. Gesichtsmasken sind tödlich oder dazu da, die Menschheit zu versklaven. Das alles gemischt mit einem starken rechtsesoterischen Einfluss.

Passend dazu verbreitet H. die Verschwörungserzählung QAnon. Darin ist Donald Trump ein fast göttlicher Erlöser, der die Welt von einer satanischen, kinderbluttrinkenden Elite befreien wird, die über den „tiefen Staat“ bisher noch die Geschicke der Welt lenkt.

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Zur Strategie diesen „tiefen Staates“, so die Idee der deutschen Verwörunsgsfreund:innen, gehört auch die Unterdrückung Deutschlands. Die Szene kombiniert die amerikanische QAnon-Erzählung mit Reichsbürger-Ideologie und anderen rechtsextremen Themen. Demnach wird Deutschland mindestens seit Ausbruch des Ersten Weltkriegs unterdrückt und zum Sündenbock gemacht. Ein angeblicher „Schuldkult“ würde der Bevölkerung eingetrichtert, um sie zu unterdrücken. Doch nun, nach dem unmittelbar bevorstehenden Triumph Donald Trumps (mit der Realität hat das alles offensichtlich wenig zu tun), gibt es Hoffnung. H. hatte nun vor einigen Wochen eine Vision, dass er und seine Unterstützer:innen die Bundesregierung zum Rücktritt bewegen werden. Und zwar am kommenden Samstag.

In zahlreichen sehr langen Video- und Sprachnachrichten, die er mit anderen Verschwörungsgurus aufnimmt, spricht er von ein bis zwei Millionen oder alternativ zwei bis drei Millionen Menschen – wenig überraschend sind die Angaben jedes mal unterschiedlich – die am Samstag in Berlin aufmarschieren sollen. Gesteuert werden wird die Masse über den Telegramkanal von H., der in der Nacht zum Samstag Treffpunkt und Ziel des Aufmarsches bekannt geben will. Offenbar sollen die Teilnehmenden sich vormittags außerhalb des Regierungsviertels versammeln, da ihnen dort die Polizei nichts anhaben könne. In Anlehnung an bizarre Reichsbürgerideen herrschen laut H. im Regierungsviertel andere Gesetze als im Rest des Landes und der Stadt. Auch das ist nicht korrekt, was die Fans allerdings nicht zu interessieren scheint. Dann sollen die Anwesenden Ketten bilden und offenbar zum Reichstagsgebäude oder zum Kanzleramt laufen, woraufhin die Bundesregierung widerstandslos zurücktreten wird. Noch am Vormittag wird Deutschland schließlich „befreit“ und wird laut der Ansicht des Organisators eine Art Dominoeffekt auslösen, mit dem schlussendlich die gesamte Erde von der Herrschaft des „tiefen Staates“ erlöst werden soll. So weit, so absurd.

Von einer Mobilisierung zum Event ist allerdings bisher noch wenig zu sehen. Die „Querdenken“-Bewegung will erst im August wieder in Berlin aufmarschieren, während andere QAnon-nahe Gruppierungen sich entweder neutral positionieren oder sogar von der Teilnahme in Berlin abraten, da sie, wie schon erwähnt, entweder ein satanisches Ritual befürchten oder glauben, dass es sich um eine „False Flag“-Aktion des Verfassungsschutzes handelt.

H. ficht das alles offenbar bisher nicht an. Er glaubt weiterhin fest an den Erfolg seiner Aktion. Wie so oft im QAnon-Umfeld wirkt das an vielen Stellen wahnhaft. So wiederholt H. immer wieder, dass er seit 20 Jahren – womöglich seit den Ereignissen am 11. September 2001, die vielen Beobachter:innen als die Geburtsstunde moderner Verschwörungsideologien gelten – auf diesen Tag gewartet habe. In einem verstörenden YouTube-Video erzählt er von dieser Zeit und resümiert mit Tränen in den Augen: „Das war ein Scheißleben!“

Wie sich die Situation am Samstag entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass das FBI in den USA mit mehr Gewalt aus dem QAnon-Lager rechnet: Aus Enttäuschung darüber, dass die Prophezeiungen der Verschwörungsgläubigen sich nicht bewahrheitet haben und Donald Trump weiterhin nicht Präsident ist, könnten Vertreter:innen der Bewegung selbst aktiv werden und Personen oder Institutionen angreifen, von denen sie glauben, sie seien an dieser Misere schuld. Der angekündigte Putsch vom Samstag dürfte zu dieser Kategorie der unerfüllten Hoffnungen zählen.

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