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Deplatforming Rechtsrapper Chris Ares verliert Distributions-Kanäle – und seinen „YouTube“-Channel

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Chris Ares gelöscht! Aber offensichtlich nicht auf diesem Social Media Kanal. Aber woanders! Und das auch noch mit Recht...

Demokratien sind zerbrechlich. Nach dem Sieg über den Nationalsozialismus stellten Demokrat*innen weltweit und vor allem in Deutschland fest, dass Demokratien vor ihren Feinden geschützt werden müssen – auch, weil diese sonst Prinzipien der Demokratie nutzen können, um diese abzuschaffen. Eine wehrhafte Demokratie muss also aufmerksam sein, wo sich Menschen aktiv und bewusst anschicken, die Grund- und Menschenrechte wie die Gleichwertigkeit aller Menschen anzugreifen – und wenn dies geschieht, muss sie ihre demokratischen Werte verteidigen. Das gilt in der Offline- genauso wie in der Online-Welt.

Meinungsfreiheit vs. Volksverhetzung

Und deshalb gibt es immer wieder Proteste, wenn reichweitenstarke Social-Media-Plattformen antidemokratischen „Alternativmedien“-Macher*innen, rechtsextremen Musiker*innen oder Influencer*innen erlauben, Rassismus, Antisemitismus oder Gewaltaufrufe gegen Andersdenkende auf ihren Kanälen zu verbreiten. Weil aber auch die Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist, wird in der Regel abgewogen – in den Unternehmen, die Soziale Netzwerke betreiben, aber in Streitfällen auch vor Gericht: Wo endet die Meinungsfreiheit des Einzelnen? Wann müssen Angegriffene vor Hasstiraden geschützt werden? In Deutschland kommen hier Straftatbestände wie Volksverhetzung oder Beleidigung ins Spiel. Aber auch jenseits der Strafbarkeitsgrenze hat Hetze gegen Menschen, etwa aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Religion, ihres Engagements oder ihres Geschlechts, fatale Folgen bis zu gewalttätigen Attacken.

Untersuchungen zeigen zudem: Verpacken Rechtsextreme ihre Abwertungen gegen Muslim*innen, Migrant*innen, Jüdinnen und Juden, demokratische Politiker*innen oder „die Antifa“ in Musik, erreichen Sie damit Jugendliche besonders einfach. Über Social Media lässt sich die Musik nicht nur leicht verteilen, sondern die Musiker*innen können ihre Fans schnell erreichen, mit ihnen in Kontakt treten, bis sogar das Gefühl einer parasozialen Beziehung entstehen kann. Das machen viel Musiker*innen. Bei rechtsextremen Musiker*innen kommt hinzu, dass sie antidemokratische Ideen oder Gewaltfantasien neben Alltagsbanalitäten als Normalität erscheinen lassen und verbreiten. Und sie nutzen ihre Reichweiten für politischen Aktivismus.

HipHop dient der Normalisierung rechtsextremer Ideologie

Das bringt uns zu Chris Ares alias Christoph Aljoscha Zloch. Über den der „Identitären Bewegung“ nahestehenden Ares ist hinlänglich bekannt, dass er nicht komplett dilettantisch klingenden HipHop macht, den Rechtsextreme trotz der nicht sehr deutschen Musikherkunft schätzen und der Nicht-Rechten trotzdem bisweilen in die Timeline gespült wird, weil die Musik in Sozialen Netzwerken, aber auch bei gängigen Musikstreamingdiensten präsent und bequem erreichbar war. Rechtsextreme Musik war, solange Social-Media-Unternehmen und Streamingdienste nichts dagegen unternahmen, für ein Jahrzehnt plötzlich keine Bückware mehr, für die Jugendliche ein lokales Nazigeschäft aufsuchen oder zumindest auf einer dubiosen Website ohne Impressum bestellen mussten. Sie konnte Alltag sein, in Mixlisten aufgenommen werden, Verbreitung finden. Zloch rappt Texte mit viel „Heimat“-Pathos und Rebellen-Attitüde, aber auch voller Islamfeindlichkeit, Rassismus, voller antisemitischer Chiffren der „Hochfinanz und kleinen Cliquen“, voller Gewalt- und Machtfantasien gegenüber politisch Andersdenkenden, also „der Antifa“ (hier quasi jede*r, der kein*e „Patriot*in“ ist), Politiker*innen, Journalist*innen.

Wie Chris Ares seine Plattformen verlor

Kurzum: Chris Ares für seine Musik keine Plattform zu geben, ist eine gute Idee. Und genau das passiert in diesem Sommer 2020 in Deutschland erstmals stringent über Plattformen hinweg. Das ist für Ares bitter, weil er Jahre gebraucht hat, um überhaupt etwas wie ein Album zusammenzustellen, aber nachdem er sein Debüt über Jahre angekündigt hatte, erschien es im April 2020 tatsächlich – und damit nahmen die Proteste nicht-rechter Nutzer*innen zu, die die Nazi-Musik in ihren Streamingdiensten oder Verkaufsplattformen fanden. Das Ergebnis: Amazon, iTunes und Spotify nahmen Ares‘ Musik offline, nun auch GooglePlay. Für die Hörer*innen heißt das: Zurück zu den dubiosen Vertriebswegen, für Ares heißt das: Einkommensverlust und Prestigeverlust (Rechtsextreme feierten sich gern, wenn sie ein Rechtsrap-Album in die vorderen Positionen von Musikcharts bei Streamingdiensten tricksen konnten). Ein weiterer Misserfolg für den Mann, der sich online gern als harter Pumper beim Hantelnstemmen zeigt. Schon im Juli 2020 floppte die Idee des vom bayerischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Allgäuer Musikers, ein „Chris-Ares-Dorf“ bei Bautzen aufzuziehen (Belltower-News berichtete).

Nun aber hat Chris Ares aber auch noch seinen „YouTube“-Channel verloren. Dies brachte ihn zum oben zitierten Satz: „Die Zeiten von Demokratie und Freiheit sind vorbei.“ Denn der Verlust des YouTube-Channels bedeutet wiederum finanziellen Einbußen, aber auch weniger Propagandamöglichkeiten. Ares stellt traurig fest: „10 Millionen Klicks und weit über 80.000 Abonnenten. Heute wurde mein YouTube-Kanal seitens des Regimes gelöscht. Nach Amazon, iTunes, Spotify uvm. beerdigt nun auch YT die Kunstfreiheit. (…) PS: Die Zeiten von Demokratie und Freiheit sind vorbei. Unzählige kritische Stimmen wurden mundtot gemacht. Wir nehmen das zur Kenntnis und verurteilen dies aufs Schärfste.“ Ob es auf dem Kanal in nur einem einzigen Beitrag wirklich um Kunst ging, sei mal dahingestellt. In vielen ging es dagegen um Politik, manchmal mit großer Mobilisierungswirkung, wie angesichts der rechtsextemen Demonstrationen in Chemnitz 2018. Belltower.News  berichtete damals, hier eine Einordnung von unserem Kollegen Miro Dittrich auf Twitter:

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Der Verlust des Kanals als Propagandainstrument dürfte für Zloch auch der größere Verlust sein – zumal seine Musik (leider) auf diversen anderen „YouTube“-Kanälen weiterhin verfügbar ist. Aber: Zloch selbst kann sie nicht mehr monetarisieren, er kann nicht mehr andere rechtsextreme oder antisemitische Rapper an seinen 80.000 „YouTube“-Fans promoten, und seine Aufrufe zu politischem Aktivismus, etwa der aktuelle, zur nächsten Coronavirus-Leugner-Demonstration nach Berlin zu fahren, erreichen jetzt mindestens 80.000 Menschen weniger.

Chris Ares‘ Fans sind jedenfalls auch empört und üben sich in Täter-Opfer-Umkehr, einer rechtsextremen Lieblingsdiziplin (alle Fehler im Original):

Das zeigt doch das Dilemma – man kann sich in diesem Land nicht mehr auf seine Grundrechte berufen, sofern man eine Meinung hat, die dem politischen Establishment widerspricht. Dass diese politische Eliten so enormen Druck auf ausländische Musik/Video/Streaming-Plattformen ausübt und es tatsächlich zum Einknicken dieser Firmen kommt, war in der Form nicht zu erwarten, da derartige Vorgänge bisher bei normaler Meinungsäußerung nie geschehen sind.“

Nun, dass man Rassismus, Antisemitismus und andere Menschenfeindlichkeit nicht verbreiten darf, steht schon in den AGBs aller Plattformen…

„Die gleichen Mittel wie ab 33…….ist erschreckend……“

Da kommt sogar aus dem Freundeskreis des Posters der Hinweis, dass es einen Unterschied gibt zwischen einer Social-Media-Plattform, die einen Kanal sperrt, und der nationalsozialistischen Regierung, die den Holocaust plante, organisierte und durchführte.

Ein antisemitischer Rap-Kollege von Ares kommentiert:

„Wieso gibt man chris keine öffentliche plattform, wo er sich zu all den vorwürfen verteidigen kann?!“

Doch Moment? Wo kommentieren die Fans und Freunde das denn?

Sie tun es auf Chris Ares’Social-Media-Kanälen. Ja, weiterhin hat Chris Ares‘ Social-Media-Kanäle, [die wir kennen, aber jetzt einfach mal nicht nennen], auf denen er weiterhin seine Musik, seinen Aktivismus und seine Ideologie verbreiten kann. Deplatforming, also das Löschen von Rechtsextremen von Plattformen, ist immer ein Zeichen der Grenzensetzung. So sagt YouTube auch, dass Ares eben mehrfach gegen ihre Richtlinien verstieß und der Kanal deshalb nun offline ist (vgl. heise.de). Eine solche Grenzensetzung ist wichtig, auch wenn sie keine Probleme löst. Bestenfalls kostet es die betroffenen Akteure Reichweite – Zloch hat auf den verbliebenen Kanälen keine 80.000 Follower, sondern nur ein Viertel davon. Das sehen sogar seine Fans als Problem: „Nur kann der Krieger sich im Kampf behaupten. Das hier ist ein Kampf der Stimmen und ohne Zunge wird das schwer, machen wir uns nichts vor.“

Und hier noch ein trauriger Post zum Thema:

Traurig im Adlerpulli: Chris Ares.

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