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Der Mythos der unterdrückten Männer

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(Quelle: Pexels)

Es gibt ein regelrechtes Netzwerk an Blogs und Foren, in denen es ausschließlich um Männerthemen geht. Neben Usern, die sich über Rechte von Vätern oder Gesundheitsthemen austauschen, gibt es in der sogenannten Manosphere Bereiche, in die man lieber nicht eintauchen möchte. In den letzten Jahren hat sich dort eine antifeministische Subkultur formiert. Feministische Errungenschaften der letzten Jahrzehnte gehen für diese User mit einem Statusverlust einher, sie sind der festen Überzeugung, dass emanzipierte Frauen ihnen ihre Männlichkeit wegnehmen. In Foren der Manosphere finden die Getroffenen dann Zuspruch. Für ihr herbeifantasiertes Leid und vor allem für ihren Hass.

Alpha oder Beta Male?

In diesem misogynen Pool tummeln sich verschiedene Akteure. Typen wie einst Robert Timm kämpfen gegen diesen Statusverlust an, indem sie sich zum „Alpha-Male“ ausbilden lassen. Alpha-Male kann man werden, indem man eine Ausbildung zum Pick-Up Artist macht. Das kann man zum Beispiel in den Seminaren des Vergewaltigungsbefürworters Daryush Valizadeh, aka Roosh. Nach dem Motto Bait (ködern) – hook (krallen) – reel (einholen) – release (freilassen) wird in den Seminaren alles vom ersten Ansprechen bis zum sogenannten „final close“ gelehrt. Es geht hier also um die Kunst, Frauen flachzulegen. Und natürlich werden Frauen in diesen Seminaren nicht  als Menschen gesehen, sondern vielmehr als ein Code, den der Alpha-Male knacken muss. PUA möchten gerne in klaren patriarchalen Hierarchien leben und müssen sich ihre Vormachtstellung wieder zurück erkämpfen. PUA hassen also vor allem Feminist*innen, da die ja unfairerweise, diese archaischen Kategorien auflösen wollen. PUA hassen aber nicht alle Frauen.  

Kollektiver wird der Hass auf Frauen bei den sogenannten Men Going Their Own Way (MGTOW) und den Involuntarily Celibate (Incel). Für MGTOW hat Feminismus die Gesellschaft zerstört. Es gibt unzählige Beiträge in Foren, in denen Feminismus als psychische Erkrankung beschworen wird. Die Beweisführung ist dabei äußerst skurril. So habe beispielsweise das #Metoo Movement Sex viel zu gefährlich gemacht, man würde direkt als Vergewaltiger verschrien. Es ist offensichtlich, dass sich hier niemals ernsthaft mit der angestrebten Gleichberechtigung aller Geschlechter auseinandergesetzt wurde. Aber warum auch? MGTOW leben in einer von Frauen kontrollierten Welt. Konsens? Eine Ausgeburt des Matriarchats. Als Konsequenz haben MGTOW allen Frauen abgeschworen. Sie wollen keine romantischen Beziehungen, keinen Sex und auf keinen Fall heiraten. Stattdessen konzentrieren sie sich auf die „Rückgewinnung ihrer männlichen Souveränität“.

PUA wollen Frauen, MGTOW wollen keine Frauen. Incels hätten gerne Frauen, aber kriegen sie nicht. Darum sind sie auch im unfreiwilligen Zölibat. Während Alpha-Males also noch Hoffnung haben, Frauen irgendwie reinlegen zu können, haben Beta-Males diese Hoffnung aufgegeben. Sie werden niemals Alpha. Stattdessen können sich sich vollkommen darauf konzentrieren, ihre misogyne Propaganda auf Imageboards wie 4chan oder Reddit zu spreaden.

Den heterosexuellen Männern, die sich als Incel identifizieren, geht es sehr, sehr schlecht. Sie haben keine Freundinnen, keinen Sex und finden sich auch noch hässlich. Auf Grund ihres Aussehens gehören sie nicht zu den „Normies“. Incel haben sich eine Fantasie-Hierarchie ausgedacht, in der sie selbst ganz unten stehen. Im Incel-Universum sind „Normies“ attraktiv und haben dementsprechend auch sehr viel Sex. Unter den Normies gibt es dann die „Chads“ und die „Stacys“: Ein Chad ist der Typ Mann, der keine Probleme hat eine Freundin zu finden. Eine Stacy ist eine Frau, die mit Chads ausgeht. Frauen sind für Incels nur auf das Aussehen fixierte, oberflächliche Monster. Und sie als Beta-Males haben da natürlich keine Chance.

 

Vom Pick-Up-Se­mi­nar zu den Iden­ti­tä­ren: Robert Timm (Chef der „Identitären Bewegung“ Berlin-Brandenburg) erzählt gern, dass er „links“ gewesen sei. Alte Filmaufnahmen zeigen ihn hingegen als Teilnehmer von sexistischen „Pick Up“-Seminaren. Mehr dazu: https://t.co/hNJUeDGInU pic.twitter.com/92NFHqIhyO

— Inforiot (@inforiot) 18. Dezember 2017

 

Der Kampf gegen die Social Justice Warriors

Für ihre Lieblingsfeinde haben sich Rechtsextreme und Rechtspopulist*innen in den USA einen besonderen Namen ausgedacht Social Justice Warriors (SJW), ein Begriff, der sich auch im deutschsprachigen Raum verbreitet. SJW sind Personen, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen. Das macht sie in der verkehrten Welt der User besonders hassenswert. Für die Manosphere sind das besonders Feminist*innen.

Nun ist Hass im Netz kein Novum. Doch der Hass auf Frauen, der sich auf Foren wie Reddit und 4chan entwickelte, erreichte spätestens 2007 eine neue Qualität. User erkannten, dass sie zusammen agieren können um richtigen Schaden anzurichten. Offline-Schaden also. Dies passierte zunächst in einer Hasskampagne gegen die amerikanische Programmiererin Katy Sierra. Sierra schrieb auf ihrem Blog, dass sie ihre Kommentare nicht moderiere, aber verstehen könne, wenn Blogger*innen dies täten. Die Fakten wurden verdreht. Eine Feministin wolle das Internet abschalten. Sierra bekam Vergewaltigungs- und Morddrohungen, ihr Wikipedia-Eintrag wurde mit falschen Fakten verändert und ihre Sozialversicherungsnummer und Adresse veröffentlicht, mit dem Appell, ihr Sachen zu senden. Weitere Hasskampagnen gegen feministische Bloggerinnen folgten.

2012 kam dann #GamerGate. Die feministischen Medienkritikerin Anita Sarkeesian hatte ein Kickstarter-Projekt gestartet, um die stereotype Darstellung von Frauen in Videospielen genauer zu untersuchen. Ein klarer Angriff auf die Rechte von Gamern also; ein Angriff auf die Rechte von Männern. Ohne sexy female Sidekick macht das Spielen schließlich auch keinen Spaß. Verschiedenste antifeministische Strömungen  schlossen sich in einer enormen Hasskampagne gegen sie zusammen. Als Rache kursierte „Beat up Anita Sarkeesian“ im Netz. Ein Spiel  in dem ihr Gesicht in kürzester Zeit durch möglichst viele Klicks verprügelt werden sollte. Auch sie und ihre Familie erhielten Morddrohungen. Der wütende Mob der sich dort online formierte,  gilt heute quasi als Geburtsstunde der Alt-Right. Frauenfeindlichkeit und Antifeminismus sind Teil der DNA der Bewegung.

 

Incel-„Logik“ Quelle: Screenshot Reddit

 

Von 4chan zur Alt-Right

Wer ernsthaft glaubt, dass feministische Kämpfe der letzten Jahre Männern ihre Rechten geraubt haben, der ist auch offen für andere wirre Hirngespinste. Das Opfernarrativ, was sich die Incel, PUA und MGTOW gesponnen haben, funktioniert so gut, da es direkt Schuldige liefert. Warum mal kurz nachdenken, wenn man blind hassen kann? Der gleiche Mechanismus ist auch konstitutiv für rechte Ideologie. Das Opfernarrativ ist nämlich leicht ausdehnbar. Der Weg von der Idee, dass Frauen Männern ihre Rechte wegnehmen, bis zur Verteidigung der weißen männlichen Souveränität gegen herbei halluzinierte Feinde ist kurz.

Der Sprung von einem extremen Hass auf Frauen zu Rassismus funktioniert also ziemlich schnell. Neonazi und Alt-Right Vorzeige-Hipster Richard Spencer sagt 2016 in einem Interview mit Vice: „We memed alt-right into existence“, auf deutsch: „Wir haben die Alt-Right aus Memes geschaffen“. Und damit hat er wahrscheinlich recht. Für die rechtsextremen Positionen der Alt-Right lieferte eine Internetkultur, deren größter Feind politische Korrektheit ist, perfekte Anknüpfungspunkte. Zwar stehen im Zentrum der Alt-Right die Zurückweisung von Gleichwertigkeit und die Betonung weißer Identität, doch konnten mit dem radikale Antifeminismus und der Betonung von der Rückgewinnung männlicher Souveränität, viele User abgeholt werden. Wenn der Mainstream vermeintlich feministisch, antirassistisch und queer ist, dann darf die Gegenkultur eben all das nicht sein. Und an dieser Stelle passiert der gefährliche Twist. Rassismus, Antisemitismus und Homofeindlichkeit werden zum subversiven Akt erklärt, im Namen einer vermeintlichen Anti-Mainstream-Kultur. Gegen das „linke“ Establishment. Gegen liberale Demokratie und gesellschaftliche Vielfalt. Die Alt-Right ist also das Ergebnis eines politischen Backlashes, der sich unter Anderem in diesen Foren entwickelte.

Und nicht nur das. Sowohl die Alt-Right als auch PUA sehen sich als redpiller. Die Metapher der Red Pill kommt von dem Film Matrix, in dem Neo sich zwischen der Blue und Red Pill entscheiden muss. Entweder in ewiger Täuschung weiter leben wie bisher, oder die wahre und durchaus gefährliche Welt sehen. Die hyper-maskulinen Alpha-Males sind natürlich ganz wie Neo und nehmen die rote Pille. Schließlich können sie nicht nur den Code von Frauen knacken, sondern haben quasi schon den Code der Gesellschaft geknackt. Sie haben die Scheinwelt hinter sich gelassen und wissen genau, dass Frauen Männer unterdrückten. Bei der Alt-Right geht es verschwörungstheoretisch  noch ein bisschen steiler bergauf. Red Pill bei der Alt-Right bedeutet dann das komplette Programm. Von der jüdischen Weltverschwörung bis zum Herbeifantasieren eines weißen Genozids durch Abtreibung und Einwanderung. Die Incel-Nihilisten haben diese Analogie nochmal neu besetzt. Sie haben, wen wundert’s, die Black Pill geschluckt. Da nichts auf der Welt eine Bedeutung hat, haben Frauen eben auch keine. Leider hat dies nicht zur Folge, dass Incels Frauen egal wären und sie sie ignorieren würden. Im schlimmsten Fall führt der Hass der Incels zu antifeministischen Terror.

Von Hasskampagnen zur Beta-Rebellion

Im Oktober 2015 sorgte ein Post auf 4chan für Aufmerksamkeit. Es wurde die „Beta-Rebellion“ eingeläutet: „The first of our kind has struck fear into the heart of America“. Es geht  hier um Chris Harper-Mercer, der am 1. Oktober neun seiner Mit-Studierenden in Oregon ermordete. Ein anderer User kommentierte, wenn Harper-Mercer bloß eine Freundin gehabt hätte, dann hätten viele Leben gerettet werden können. Harper-Mercer hatte sich zuvor in Foren mehrfach als „involuntarily“ single [sic] beschrieben.

Auch Ellitot Rodger und George Sodini, die 2014 und 2009 mehrere Menschen ermordeten, waren in Online-Foren aktiv und hinterließen eindeutige Nachrichten. So hinterließ Rodger „ein Manifest, in dem er von einer Zukunft träumt, in der die Menschheit vom Sex befreit ist […] Dafür, so er, müssten nur alle Frauen in Konzentrationslagern hingerichtet werden“ (vgl. Taz). Alek Minassian, der im April 2018 mit einem Auto in eine Menschenmenge in Toronto fuhr, wird ebenfalls dem Incel-Spektrum zugeordnet. Vor seiner Tat schrieb er in einem Facebook-Post, dass er alle „Chads“ und „Stacys“ stürzen wolle (vgl. Belltower) In seiner Nachricht grüßt er auch Elliot Rodger, der in Incel-Kreisen als Held gefeiert wird. Nach dem schrecklichen Mass Shooting im November 2017 in Las Vegas, wurde der Attentäter Stephen Paddock in Incel-Foren als Held gefeiert, da er so viele „Normies“ ermordet hätte. Auch bei der Alt-Right wurde auf schmerzlicher Weise spätestens im August 2017 klar, dass Hass schnell in Gewalt und politischen Mord umschlagen kann: Heather Heyer wurde auf einer Gegenkundgebung zur „Unite the Right“ Demonstration von einem Alt-Right Aktivisten ermordet, der mit seinem Auto bewusst in eine Menschenmenge fuhr.

 

PUA Roosh über das Attentat von Minnasian Quelle: Screenshot Twitter

 

„Identitäre Bewegung“ und Alt-Right

Aber nun zurück zu Robert Timm und der „Identitären Bewegung“. Timm als Ex-PUA ist bei der antifeministischen und rechtsextremen IB durchaus gut aufgehoben. Schließlich steht die IB für archaische Geschlechterrollen und patriarchale Organisation. Also all das, was Timm schon im Pick-Up Seminar gelernt hat. Einen Hehl machten IB-Aktivisten und Sympathisanten aus ihrem radikalen Antifeminismus nicht, als der österreichische IB-Gründer Sellner aus Spaß ein Frauenhaus in Graz besuchen wollte. „Frauenhaus. Bester Aufrissplatz. Irgendeine ist immer da.“ schrieb ein Sympathisant dazu auf Twitter.

In einem Interview der Juli-Ausgabe des rechten und verschwörungstheoretischen „Compact“-Magazins bezeichnet sich Alt-Right-Rassist Spencer ebenfalls als „identitär“. Die Grundlage für seine Identität ist für Spencer sein Weiß sein. „Als Weiße sitzen wir im gleichen Boot. Das ist Identitarismus, wie ich ihn verstehe.“ So wie die „Identitäre Bewegung“ also den Ethnopluralismus beschwört, vollendet Spencer hier diesen Gedankengang und spricht „vom großen Endziel der Zukunft“, dem Ethnostate. Vorbild für diesen Staat seien für ihn die USA ab „Ende des 18 Jahrhunderts“, Zeiten also, als  Sklaverei noch legal war.

Es gibt also durchaus ideologische Verbindungen zwischen der Alt-Right und IB. Praktisch gibt es sie auch. So unterstützte David Duke, einer der prominentesten US-Neonazis und ehemaliger Anführer des Ku-Klux-Klan das rassistische IB-Projekt „Defend Europe“ und auch auf dem Fake-News-Portal der Alt-Right, Breitbart, wurde Werbung für das Verhindern von Seenotrettungen gemacht. Auch wenn die IB sich letztendlich nur als besonders groß und personenstark inszeniert, ist die Vernetzung mit der AfD in letzter Zeit überaus deutlich geworden.

WikiMANNia rekrutiert für die AfD

Welche User aus Deutschland auf den 4chan und Reddit-Subboards unterwegs sind, ist relativ schwer zu erkennen, da die Kommunikation auf Englisch abläuft. Allerdings gibt es einige deutsche Foren und Plattformen, die ebenfalls Überschneidungen zwischen der rechten Szene und Akteuren aus der Manosphere nahelegen. So beispielsweise das antifeministische Online-Lexikon Wikimannia. Wie der Name schon verrät, handelt es sich hierbei um ein Lexikon für Männer, und zwar für weiße, heterosexuelle Männer. „Stell Dir eine Welt vor, in der jeder freie Mann feminismusfreies [sic] Wissen mit anderen teilen kann. Dies ist unser Auftrag. — Leitbild WikiMANNia.“ Die Ideen zu Geschlechterrollen basieren dabei auf den Evolutionstheorien der PUA. So werden Frauen als hinterhältige, betrügerische „Weiber“ bezeichnet, die sich ihre Reize schamlos zunutze machen, um Männer auszunutzen. (Vgl. Belltower) So wie auf gewissen 4chan subboards gegen die SJWs gewettert wird, geschieht es hier gegen die „Helferindustrie“.

Auf Wikimannia gibt es also nicht nur Bestätigung für die prekäre Situation weißer deutscher Männer, sondern auch noch Handwerkszeug zur rassistischen Hetze. Neben dem Feindbild Frau gibt es noch das Feindbild Migrant*in. Um die „Helferindustrie“ am Laufen zu halten, würden nämlich künstlich Opfer produziert. Und diese falschen Opfer seien eben Frauen und Migrant*innen. Sätze wie „15 Betreuer für 35 Migranten im Asylheim – 1 Pflegekraft für 25 Bewohner im Pflegeheim.“ gehören auf Wikimannia zum Standardrepertoire. Rassistische Hetze geht hier Hand in Hand mit einem misogynen Weltbild. Auch hier greift wieder das klassische rechte Opfernarrativ, denn die wahren Opfer sind natürlich die weißen deutschen Männer, die von allen Seiten bedroht werden. Passend dazu findet sich Werbung für die die AfD auf der Seite, die ähnliche Positionen vertritt.

Auch die rechtsextreme „Identitäre Bewegung“ hat einen eigenen Eintrag auf der Seite. Dort wird über eine Antifa-Outing-Aktion von IB-Aktivisten gejammert und zu einem Interview mit dem österreichischen IB-Gründer Sellner verlinkt, der auch seine eigene Seite hat. Eine ziemlich klare Positionierung zugunsten der Rechtsextremen also.  

 

„Infografik“ bei WikiMANNia zur „Helferindustrie“ Quelle: Screenshot WikiMANNia

 

Falsche Feinde

Generell sind Portale, die über Männerrechte aufklären, teilweise eng mit der AfD vernetzt. So ist z.B. der Blog „Die freie Welt“, betrieben von Beatrix von Storch und ihrem Mann, auch Publikationsportal für den Männerrechts-Verein „Manndat“. In den Kommentarspalten geht es auch hier verschwörungstheoretisch hoch her: „Die Wahrheit macht aber frei..Und worauf sind wir hier in Deutschland den stolz auf unsere angebliche sogenannte Freiheit und Demokratie. Was bleibt den anderes übrig als die rote Pille zu nehmen? Jeder fühlt doch das etwas ganz gewaltig nicht stimmt.“ [sic]

Das antifeministische Forum „Wieviel ‘Gleichberechtigung’ verträgt das Land?“ beschreibt ein User auf einem anderen Männerrechte-Blog wie folgt: „Das Forum ist das heiße Herz der Männerrechtsbewegung. Dort wird die rote Pille verabreicht, welche die Illusion beendet: Wellcome in the real world.“ […] PC vernebelt die Realtität, ist Neusprech, ist Lüge.“ [sic]

Der „neurechte“ Antifeminist Hagen Grell meldete sich nach den Ereignissen der Silvesternacht in Köln mit einer Botschaft an „alle deutschen Frauen“. Grell vertritt hier in PUA-Manier die These, dass Feminismus Männer klein macht und deswegen die deutschen Frauen nicht beschützt werden konnten. Also selber schuld. Passend dazu folgt er dem Vergewaltigungsbefürworter und PUA Roosh auf Twitter. Außerdem ist Grell mit dem österreichischen IB-Gründer Sellner gut vernetzt. Der Account RedPillGermany kommentiert regelmäßig unter Grells Videos und bekommt viele Likes von Grells Zuschauern. 

Auch in den deutschen Männerrechtsforen finden sich also klare Bezüge zu den Verschwörungsfantasien der redpiller. In den Kommentarspalten im „alles evolution“-Blog geht es nach dem Amoklauf von Minassian darum, dass zwei Incel-Freunden eines Users einfach noch die „Aggressivität, Rücksichtslosigkeit und die Bereitschaft, den eigenen Vorteil zum Nachteil anderer zu nutzen“ fehle. Ein andere User schreibt, dass Minassian aus Selbsthass gehandelt habe, dessen Ursache „in der offenen gesellschaftlichen Misandrie“, also Männerfeindlichkeit, läge. Frauen sind also selbst Schuld an frauenhassenden Amokläufern. Weiter bezeichnet der User den Amoklauf als „sozialen Protest, [da] ein tatsächlicher sozialer Protest gegen perverse und gesellschaftliche Anforderungen“ nicht stattfinde.

Auch hier wieder das klassische Opfernarrativ. Eine verkürzte Kapitalismuskritik ersetzt eine umfassende Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse. Dass Männer ebenfalls mit gesellschaftlichen Erwartungen zu kämpfen haben und übermäßigem Druck ausgesetzt sind,  steht außer Frage. Nur sind weiße, heterosexuelle Männer nunmal strukturell nicht von Diskriminierung betroffen, da sie Teil der weißen Mehrheitsgesellschaft sind. Doch das sehen die Incels, PUA, MGTOW, Alt-Right-Aktivisten und gewisse Männerrechtler natürlich nicht so. Sie inszenieren sich als benachteiligte Männer, die im Kampf gegen einen übermächtigen Gegner stehen. Selbsthass, Depression und soziale Angststörungen, die sich vor allem in Incel-Foren finden, werden durch andere User befeuert. Der Hass wird externalisiert.

Wie die Entwicklung in den USA zeigt, führte der Zusammenschluss von frauenhassenden, meist relativ jungen, Männern zu kollektiven Hasskampagnen und Terror. Antifeminismus und eine gekränkte weiße Männlichkeit fungieren auch in Deutschland als zentrales Bindeglied zwischen Misogynie und rechter Ideologie. Es wird versucht, die Angst vor dem vermeintlichen Statusverlust als Mann durch rassistische und antifeministische Hetze zu kompensieren. Politisch nicht korrekt zu sein, wird auch hier zum subversiven Akt erklärt, denn man müsse sich ja gegen die „Meinungsdiktatur“ des linken Mainstreams und die „Lügenpresse“ wehren. So wie bei der Alt-Right Antifeminismus für viele die Einstiegsdroge zu rechtsextremen Positionen war, sollte dieses Phänomen auch in Deutschland nicht unterschätzt werden.  Durch die „neurechten“ und rechtsextremen Netzwerke um die AfD gibt es leider viel Potenzial.

 

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