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Eisenach Wer ist hier das Problem, Neonazis oder linke Demonstrant*innen?

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06.02.2019, Thüringen, Eisenach: Außenansicht der Wartburg. (Quelle: picture alliance/Swen Pförtner/dpa)

Die thüringische Stadt Eisenach, an der Grenze zu Hessen, ist schon länger im Fokus rechtsextremer Umtriebe. Angriffe und Morddrohungen gegen antifaschistische Aktivist*innen und vermeintliche „Nicht-Deutsche“, sowie antisemitische Sachbeschädigungen an Gedenksteinen , oder am Wahlkreisbüro der Linken haben seit Jahren stete Konjunktur. Dazu haben Aktivist*innen eine Chronik rechtsextremer und rassistischer Übergriffe in Eisenach von 2013 bis 2019 angelegt.

Die rechte Szene vor Ort ist gut vernetzt und verfügt über diverse Immobilien. Die prominenteste liegt im Stadtkern Eisenachs und trägt den Namen „Flieder Volkshaus“. Sie wurde 2014 von der NPD erworben und fungiert als ihre Landesgeschäftsstelle. Hier finden neben rechtsextremen Vorträgen, wie durch die Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck auch Rechtsrock-Konzerte, von Bands wie der “Lunikoff Verschwörung”, oder “Oidoxie”, statt. Besonders perfide: das „Volkshaus“ wird auch immer wieder als Ort für öffentliche Feiern der Nachbarschaft vermietet.

Dort ebenfalls aktiv ist der Neonazi Patrick Wieschke. Er war in den 1990er Jahren Mitglied des Thüringer Heimatschutzes, also der Gruppe, aus der sich das NSU-Kerntrio rekrutierte. Im Jahr 2000 war Wieschke als Anstifter an einem Sprengstoffanschlag auf einen türkischen Imbiss in Eisenach beteiligt.

Auch die deutschen Burschenschaften legen einen Fokus auf Eisenach. Jedes Jahr findet hier der „Tag der deutschen Burschenschaften“ statt, bei dem sich etwa 120 Mitgliedsverbände der “Deutschen Burschenschaft” treffen. Teile dieser Burschenschaften sind immer wieder durch rechtsextreme Äußerungen aufgefallen. So diskutierten sie 2013 noch über die Wiedereinführung eines „Ariernachweis“ als Aufnahmekriterium.

Wie konnte es dazu kommen, dass sich der Hass im in diesem Ort derart fest manifestiert hat? In Eisenach existiert seit geraumer Zeit eine stark verwurzelte Neonazi-Szene. Mittlerweile sind ganze Familien in der Szene aktiv. Während eine rassistische Alltagskultur boomt, bricht hier der Widerstand weg. Und immer wieder werden auch die Aktivist*innen selbst Opfer rechter Gewalttäter*innen.

“Die Wartburgstadt ins Wanken bringen!”

Gegen die Zustände in Eisenach soll es am Samstag den 16. März eine Demonstration vor Ort geben, organisiert von lokalen Gruppen und solchen aus dem gesamten Bundesgebiet. Unter dem Motto “Die Wartburgstadt ins Wanken bringen!” werden rund 500 Teilnehmende erwartet.

Die Stimmung vor Ort ist jedoch eher ablehnend statt kooperativ. Dazu dürfte die BILD erheblich beigetragen haben, welche vor einigen Tagen titelte “Chaoten wollen Eisenach stürmen“ und damit die Demonstrierenden gegen Rechtsextremismus meinte. Auch Lokalpolitiker*innen verschiedener Couleur gingen aus Angst um die öffentliche Sicherheit öffentlich auf Distanz zur geplanten Demonstration.

“Panikmache hat System”

Die Beratungsstelle ezra bemängelt dies in ihrer Pressemitteilung: „Wir beraten und begleiten mehr als ein Dutzend von rechter Gewalt betroffene Menschen in Eisenach. Alle verbindet, dass sie sich couragiert der rechten Hegemonie in dieser Stadt entgegenstellen. Dass ausgerechnet diese Menschen und ihre Unterstützer*innen nun im Vorfeld der Demonstration als Bedrohung für die öffentliche Sicherheit dargestellt werden, entspricht nicht der Wirklichkeit, die ich und meine Kolleg*innen hier seit Jahren erleben“ so Robert Friedrich von ezra. Auch das Demo-Bündnis „Irgendwo in Deutschland“ hat eine Theorie zur feindlichen Stimmung in der Stadt: „Die Panikmache vor unserer Demo ist kein Zufall, sondern hat System. Es geht darum, dass die Kritik an den rassistischen Zuständen im Vornherein bereits delegitimiert wird. Es ist einfacher, sich vor einfallenden Horden zu fürchten, als die rechte Hegemonie anzugehen.“

Die Aktivist*innen werfen damit ein Schlaglicht auf die Verhältnisse in der thüringischen Provinz. Sie zeigen auf, dass neonazistische und rechtsextreme Organisationen und Strukturen dort gedeihen, wo es keinen öffentlichen Widerspruch gegen sie gibt. Hier müssten Politik und Verbände vor Ort einhaken, Aufklärungsarbeit und Sensibilisierung gegenüber rechtem Gedankengut betreiben und die Zivilgesellschaft stärken.

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