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Good Gaming – Well played Democracy Wie reagieren Plattformen auf problematische Inhalte?

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(Quelle: Unsplash)

Das Projekt-Monitoring von „Good Gaming – Well Played Democracy“ hat die Aufgabe, Phänomene rund um Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Gaming-Communitys und Gaming-Kontexten zu beobachten, Narrative zu verfolgen und das Ausmaß von Problemfeldern zu umreißen. Hierbei gilt es, die die Gaming-spezifischen Begrifflichkeiten, Memes und Erzählungen zu verstehen und konkret einzuordnen. Im Folgenden werden die zwei großen Problemfelder toxische Gamer:innen und rechtsradikale Gamer:innen aufgezeigt und erläutert. Zum Abschluss werden exemplarisch Ergebnisse aus dem Monitoring zusammengefasst, mit besonderem Fokus auf Discord und Steam.

Zwei distinkte Problemfelder

Wir unterscheiden bei der Beobachtung von Gaming-Communitys grundlegend zwischen zwei Problemfeldern: toxische Gamer:innen und rechtsextreme Gamer:innen. Zur ersten Gruppe gehören Spieler:innen, die beispielsweise politisch inkorrekte Sprache benutzen und sexistische oder rassistische Narrative wiedergeben, aber dadurch noch nicht als rechts extrem eingestuft werden können. Die zweite Gruppe sind Rechtsextreme, die Gaming bewusst einsetzen, um ihre Ideologie zu verbreiten, also nicht nur Narrative wiederholen, sondern diese systematisch (ein)setzen. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass auch toxische Gamer:innen ein Klima erzeugen können, in dem sich andere, insbesondere marginalisierte Gamer:innen, nicht sicher fühlen oder vollkommen ausgeschlossen werden. Es ist natürlich nicht in jedem Fall möglich einzuordnen, zu welcher Gruppe ein:e User:in gehört. Die Unterscheidung ist dennoch wichtig, da Rechtsextreme gezielt Strategien verfolgen, die verstanden werden müssen, um angemessen darauf reagieren zu können.

Strategien der Rechtsextremen in Gaming-Communitys

Es lassen sich drei unterschiedliche Strategien beobachten, mit denen Rechtsextreme Gaming-Communitys benutzen: Vernetzung, die Strategie der sogenannten „Metapolitik“ und das Einsetzen einer Gaming-Ästhetik. Rechtsextreme nutzen Gaming-Plattformen, um sich zu vernetzen, Wissen auszutauschen und gemeinsame Aktionen zu organisieren. Diese Strategien laufen häufig über halböffentliche Plattformen, beispielsweise über Discord-Server, Steam-Gruppen oder private Subreddits. Dank der Koordination auf solchen Plattformen können Online- Diskurse gezielt überwältigt werden, so erscheint die eigentlich kleine Zahl der Rechtsextremen als eine deutlich größere – dazu später mehr.

Die Neurechten verfolgen außerdem eine Strategie, die sie selbst „Metapolitik“ nennen. Es geht ihnen insbesondere darum, vorpolitische Räume mit ihren Themen zu besetzen. Das lässt sich auch in Gaming-Communitys beobachten, so gibt es beispielsweise zahlreiche Discord-Server und Steam-Gruppen, die sich gegen die vermeintliche „degeneracy“ (deutsch „Entartung“) der modernen Gesellschaft wenden. Gemeint damit sind meist Teile der LGBTQI+-Community, vorwiegend Transgender-Personen, aber auch eine allgemeine Abkehr von klassischen Genderrollen und der idealisierten Kernfamilie. Rechtsextreme Spieleproduktionen sind eher selten. Häufiger dagegen: ideologische Spielmodifikationen, die beispielsweise alle nicht-weißen Personen aus einem Spiel entfernen oder explizite Referenzen zu Attentaten wie Christchurch beinhalten. Auch gibt es zahlreiche Modifikationen speziell für Kriegssimulationen und Strategiespiele, die den Nationalsozialismus samt Symbolen, Namen und gelegentlich Taktiken und Zielsetzung spielbar machen.

Vereinzelt lässt sich auch die Instrumentalisierung von Gaming-Ästhetik durch Rechtsextreme finden. Dabei werden visuelle Elemente aus dem Gaming, die schnell als solche wiedererkennbar sind, zweckentfremdet und mit neuer Bedeutung belegt. Damit werden die Botschaften ansprechender verpackt und öfter geteilt und verbreitet.

Discord, ein beliebtes Werkzeug zur Organisation

Eine Beobachtung des Discord-Servers Reconquista Germanica (RG) zeigte bereits 2017, dass Akteure des rechten Spektrums Gaming-Plattformen für ihre Zwecke nutzen. Die Gruppe diente den Mitgliedern dazu, Ideologie-bildende Videos und Artikel zu verbreiten. Über diesen Weg wurde beispielsweise auch das „Handbuch für Medienguerillas“, eine Anleitung für möglichst effektives Trolling verbreitet. Mit „Tagesbefehlen“ versuchtendie RG-Mitglieder, Debatten in Sozialen Netzwerken gezielt zu beeinflussen und zu manipulieren. Solche Befehle wurden über die hierarchisch militärische Serverstruktur meist durch dessen Gründer an seine „unterstellten“ Mitspieler:innen weitergegeben. Selbst bezeichnete sich RG hingegen als ein „satirisches Internet-Projekt ohne Bezug zur realen Welt“. Die Beobachtung von RG endete, nachdem Discord den Server bereits zum vierten Mal gesperrt und sich dessen Administratoren schließlich für eine nicht öffentlich zugängliche Serverstruktur entschieden hatten.

Vier Jahre später existieren immer noch ähnliche Server auf Discord. Manche betiteln sich ähnlich wie Reconquista Germanica als „humoristische“, nicht ernst zu nehmende Gruppe, andere als offen antisemitisch, rassistisch, faschistisch und/oder „Anti-LGBTQ“. Im Gegensatz zu RG findet sich hier aber ein internationales Publikum zusammen. Um eine Zutrittsberechtigung zu erhalten, ist es bei einigen Servern nötig, einen einschlägigen Fragenkatalog zu beantworten. An der gleichen Stelle, an der in herkömmlichen Discord-Servern einer Netiquette zugestimmt werden muss, wird hier nach der eigenen Meinung zur „Judenfrage“, zu People of Color, homosexuellen Männern und/oder nach der selbst vertretenen Ideologie gefragt. Das Geschlechtkann dabei ebenfalls ein Ausschlusskriterium sein. Antisemitische, rassistische und LGBTQ*-feindliche Antworten gewähren den Zutritt. Neuankömmlinge stehen dennoch häufig unter dem Verdacht, dem Verfassungsschutz oder anderen Kontrollinstanzen anzugehören, daher wird häufig zunächst nur der Zutritt auf einen Teil der verfügbaren Kanäle gewährt. Auf den Servern angekommen, offenbaren sich durch RG bekannte Strukturen. Eine eindeutig erkennbare autoritäre Hierarchie, an deren Spitze wenige „Moderatoren“ oder ein „leader“/„owner“ stehen. Weitere untergeordnete Ränge sind z.B. „NSDAP Division Leader“, „SS-Hauptsturmführer“, „Heer“ oder„Racist“. Auch bei den Kanalnamen lassen sich ähnliche Muster finden; so heißt der Warteraum, bevor man aufgenommen wird, beispielsweise „GasChamber“ oder „rassistische Gamer“ und „antisemitische Gamer“.

Zuletzt geriet Discord im Zusammenhang mit sogenannten „Hate Raids“ auf Twitch erneut in die Kritik. Bei diesen Raids handelt es sich um Bot-unterstütze Belästigungskampagnen, die insbesondere gegen Streamer:innen gerichtet wurden, die Minderheiten angehören. Hier wurden gezielt die Twitch Visibility Tags, die eigentlich mehr Aufmerksamkeit für marginalisierte Streamer:innen auf Twitch generieren sollen, zweckentfremdet, um Ziele für diese Aktionen zu finden. Während der Raids wurden in den Kommentaren der Livestreams durch Bots lauter extrem beleidigende, menschenfeindliche bishin zu gewaltverherrlichenden Kommentaren gepostet. Häufig waren die Kommentare so verfasst, dass den Streamer:innen eine vermeintliche Zugehörigkeit zu Gruppen wie der „KKK“ unterstellt wurde. Das Ziel der Aktionen war offenbar, die Streamer:innen durch Twitch von der Plattform bannen zu lassen. In der Klage von Twitch gegen zwei User, die verdächtigt werden, hinter den Raids zu stecken, wurde Discord explizit als eine der Plattformen genannt, auf denen die Vorbereitung und Planung der Aktionen stattgefunden habe.

Dass Discord so häufig von rechtsradikalen Gruppen genutzt wird, liegt u.a.an der halböffentlichen Struktur, die zum einen ausreichend Öffentlichkeit zum Vergrößern der eigenen Gemeinschaft bietet und zum anderen ermöglicht, besonders problematische Inhalte vor der breiten Öffentlichkeit zu verbergen. Da das Eröffnen von Servern kostenlos und einfach ist, ziehe nauffällig gewordene Server häufig sehr schnell in Gänze um und können so der Löschung durch Discord entgehen.

Moderationstest bei Steam

Steam ist bisher durch besonders wenig Moderation aufgefallen, so lassen sich auf der Handelsplattform viele toxische bis rechtsradikale Inhalte finden, die durch Nutzer:innen veröffentlicht werden. User:innen haben auf Steam öffentliche Profile, es können Diskussionsgruppen gegründet, eigene Kunstwerke und Screenshots geteilt und Spielerezensionen geschrieben werden. Die Plattform bietet außerdem die Möglichkeit, dass für einige Spiele neue Inhalte von User:innen erstellt und auf Steam geteilt werden können.

Um besser einschätzen zu können, wie Steam auf der eigenen Plattform moderiert, haben wir eine Testreihe durchgeführt. Dabei wurden 150 Profile von Nutzer:innen gesammelt, die problematische Inhalte auf ihrem Profil präsentieren. Häufig handelte es sich dabei um Profile mit nationalsozialistischen Symbolen im Profilfoto oder Profilnamen (Steam ermöglicht Nutzer:innen, Symbole im Namen zu verwenden) – aber auch Profile, die nach NS-Rängen oder -Persönlichkeiten benannt sind. Hinzu kamen Profile, die rassistische oder antisemitische Inhalte beinhalten. Die Profile wurden über die gewöhnliche Reporting-Funktion bei Steam gemeldet, jeweils mit einem kurzen Erklärungstext zum Kontext der Inhalte. Da Steam keine klare Rückmeldung zu Meldungen gibt, wurde jeweils zwei Wochen nach der initialen Meldung überprüft, ob es Veränderungen auf den Profilen gibt.

Dabei ergab sich, dass von den 150 gemeldeten Profilen bei 71 % (absolut:107) nach zwei Wochen keinerlei Veränderung der gemeldeten Inhalte stattgefunden hatte. Nur bei 43 Profilen (29 %) gab es offenbar Reaktionen, bei30 % (13) der veränderten Profile wurden das Profilfoto und der Profilname gelöscht oder geändert. Mit 49 % (21) war die Entfernung des Profilfotos die häufigste Reaktion, und bei 19 % (8) wurde der Profilname verändert. Ein einzelnes Profil war nach zwei Wochen nicht mehr auffindbar.

Dabei wurde ein Muster deutlich. Profilfotos, die eindeutige nationalsozialistische Symbolik beinhalten, wie Hakenkreuze, Siegrunen oder Schwarze Sonnen, wurde meist entfernt. Auch Profilnamen, die Hakenkreuze oder Siegrunen verwendeten, wurden häufig auf die Steam-ID zurückgesetzt. Nicht gelöscht wurden aber Profilnamen und Fotos mit unbekannteren Symbolen, wie beispielsweise der Wolfsangel. Profilfotos, die Adolf Hitler zeigten, oder Profile, die nach ihm benannt waren, wurden fast alle verändert. Nicht eingegriffen wurde bei den meisten Profilen, die andere Nationalsozialisten darstellen, so blieben Fotos von Erwin Rommel, HeinrichHimmler, Max Wünsche etc. unverändert. Besonders überraschend war, dass bei mehreren Profilen, die Namen wie „Konzentrationslager“, „Yolocaust“ oder „Auschwitz“ trugen und KZ-Inhaftierte oder manipulierte Bilder von Anne Frank im Profilbild zeigten, nicht eingegriffen wurde. Auch bei einem Großteil der Profile, die durch eine NS-Ästhetik auffielen, beispiels-weise Anime-Mädchen in SS-Uniformen, wurde nicht eingegriffen.

Es entsteht der Eindruck, dass Steam nur dann moderiert, wenn es sich auf den ersten Blick um rechtsradikale Inhalte handelt und diese durch User:innen gemeldet werden. Sobald zum Verständnis allerdings Kontext benötigt wird, bleiben die Profile meist unberührt. Auffällig ist auch, dass sich die Steam-Moderation stark auf Profilbild und Profilnamen beschränkt, so blieben beispielsweiseeine SS-Losung im Profiltext, GIFs marschierender Wehrmachtssoldaten oder der ASCII-Art-Wehrmachtspanzer auf Profilen bestehen, auch wenn das Profilfoto auf demselben Profil entfernt wurde.

Diese Erhebung dient lediglich als ein erster Einblick in das Moderationsverhalten von Steam. Wir können zudem nicht ausschließen, dass einige der User:innen selbst ihre Profilfotos gelöscht oder Profilnamen geändert haben.Weiterhin handelt es sich bei dieser Testreihe ausschließlich um Inhalte auf Nutzer:innen-Profilen; interessant wäre es, Ähnliches mit anderen Nutzer:innen-generierten Inhalten auf Steam durchzuführen. Es ist erstaunlich, dass Steam seinen Nutzer:innen so viel Freiheit bietet. So ist beispielsweise das Nutzen von Symbolen im Profilnamen äußerst ungewöhnlich. Problematisch bleibt, dass viele der rechtsextremen Modifikationen, Gruppen und Profile auf der Plattform unberührt und von Sanktionen verschont bleiben. Damit funktioniert Steam nicht nur als Plattform, auf der sich extrem rechte Akteure ohne viele Beschränkungen austauschen und vernetzen können. Sondern auf Steam können auch erste Bezugspunkte zu einer rechtsextremen Erlebniswelt aufgebaut und erweitert werden. Erstaunlich dabei ist, dass selbst strafrechtlich relevante Symbole – wie die in Deutschland verbotenen Hakenkreuze – nicht einmal unter einem Geoblock liegen, sondern offen verwendet werden. Dies wäre ein Fall für das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Leider fallen Gaming-Plattformen bisher nicht unter das Anti-Hatespeech-Gesetz.

Dieser Text ist ein Auszug aus der Broschüre:

Amadeu Antonio Stiftung / Good Gaming – Well Played Democracy:
„Unverpixelter Hass. Toxische und rechtsextreme Gaming-Communitys“
Berlin 2022
90 Seiten

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