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Hochwasser Wie AfD und Co. mit Zynismus und Verschwörungserzählungen auf die Katastrophe reagieren

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Heimbach in der Rureifel. Die Hochwasserlage in Teilen von Nordrhein-Westfalen ist weiterhin angespannt. (Quelle: picture alliance/dpa | Oliver Berg)

Brandner ist auf Linie mit seiner Partei. Kaum ein Post der Rechtsradikalen in den sozialen Medien  zum Hochwasser kommt ohne Relativierung des Klimawandels aus. Angegriffen werden vor allem die Grünen. Obwohl mittlerweile selbst CSU-Innenminister Seehofer den Zusammenhang zwischen den schlimmen Unwettern und dem Klimawandel erkannt hat. Unter anderem Georg Pazderski, Berliner Bundestagskandidat der Partei, wirft den Grünen vor, die Katastrophe für den Wahlkampf zu instrumentalisieren. Ein merkwürdiges Argument, ist es doch die Ökopartei, die seit Jahren von den Gefahren des Klimawandels und dem daraus resultierenden Extremwetter warnt. Fraktionschefin Alice Weidel postet etwas ähnliches: „Aus Respekt vor den Opfern verbietet sich besonders jetzt jede Vereinnahmung dieser Katastrophe für die Klimapropaganda“, heißt es auf ihrer Facebookseite.

Tatsächlich hatte sich Grünenkanzlerkandidatin Annalena Baerbock zunächst nur mit einer Pressemitteilung geäußert und statt „Klimapropaganda“ ihr Mitgefühl mit den Betroffenen ausgedrückt. Bei AfD-Vertreter:innen passiert Mitgefühl allerdings höchstens im Nebensatz. AfD-Politiker wie Brandner oder Pazderski lassen es gleich ganz weg. Auch Spitzenkandidat Tino Chrupalla hat sich bisher nicht zu den Ereignissen geäußert. Wenigstens Parteichef Jörg Meuthen findet tröstende Worte für diejenigen Menschen, die Angehörige, Freunde oder ihre Wohnungen verloren haben, denn: Wetterkatastrophen hat es immer schon gegeben, man erinnert sich nur nicht so gerne daran zurück. Meuthen listet gleich mehrere Hochwasser aus der Vergangenheit auf, zum Beispiel im Schramberg im Schwarzwald, 1959: „Vergleicht man die damaligen Bilder, aufgenommen nachdem das Wasser bereits wieder abgezogen war, wird man viele Schadensbilder wiedererkennen, derer man nun in den heutigen Tagen insbesondere in der Eifel erneut gewahr werden musste.“

Screenshot vom Twitteraccount von Jörg Nobis

Aber es bleibt Luft nach unten. Jörg Nobis, Landtagsabgeordneter der Partei aus Niedersachsen twittert genau wie Brandner über den Dürresommer und postet anlässlich des tödlichen Hochwassers auch noch ein lustiges Bild. Nobis’ Tweet wurde laut der Standortinformationen von Twitter – im Screenshot unten in der Mitte zu sehen – offenbar aus dem Frankreichurlaub gesendet.

Auch Holger Lucius, stellvertretender Sprecher der AfD-Ratsgruppe in Münster, findet plumpe Angriffe offenbar sinnvoller, als Anteilnahme. Auf einen Tweet der Klimaaktivistin Luisa Neubauer antwortet er mit Hohn und Abwertung.

Screenshot von Twitter

Neben den Grünen ist die „Fridays for Future“-Bewegung, zu der auch Neubauer gehört, der Lieblingsfeind der rechtsradikalen Partei. Auch Sven Tritschler, Landtagsabgeordneter der AfD ausgerechnet in Nordrhein-Westfalen, bietet statt konstruktiver Lösungen lieber Beschimpfungen auf Schulhofniveau.

Screenshot von Twitter

Unter dem Hashtag #LangstreckenLuisa wird bereits seit einiger Zeit versucht, die Klimaaktivistin ins schlechte Licht zu rücken, indem ihr frühere Flugreisen vorgeworfen werden.

Die Argumentation der Partei widerspricht jedenfalls dem wissenschaftlichen Konsens. Denn egal wie sehr die AfD darauf besteht, dass menschengemachter Klimawandel nicht existiert oder keine Auswirkungen hat, und versucht, die Ereignisse ins Lächerliche zu ziehen, so sind sich Expert:innen doch einig, dass vor allem extreme Wetterereignisse durch den Klimawandel verursacht werden. Vor allem handelt es beim Klimawandel und auch bei Katastrophen wie dem aktuellen Starkregen und Hochwasser um komplexe Phänomene, bei denen unterschiedliche Faktoren zusammenkommen. Die Reaktionen der AfD zeigen einmal mehr, dass Populismus immer nach den einfachsten Antworten sucht, die nur wenig mit der Realität zu tun haben.

Damit zeigt die Partei eine weitere Gemeinsamkeit zum Verschwörungsmilieu auf. Ein Blick in die Szene beweist allerdings, dass die Realität für viele Gläubige immer weiter in den Hintergrund rückt. Die Marschrichtung gibt unter anderem Holocaustleugner Attila Hildmann vor. Gleich in mehreren Tweets behauptet der geflüchtete Vegankoch, das „Hochwasser in Deutschland ist eine militärische Operation“. Laut Hildmann manipulieren Regierungen auf der ganzen Welt mit Hilfe unterschiedlicher Technologien das Wetter. Dadurch würden nicht nur Menschen getötet, sondern Hungersnöte und Chaos sollen entstehen, damit die wiederum dagegen vorgehen können, um so an noch mehr Macht zu gelangen.

Screenshot von Twitter

Solche oder ähnliche Geschichten werden in vielen Telegramgruppen der Szene herumgereicht. Dabei zeigt sich ein bedenklicher Trend. Unter teils unverfänglichen Namen werden Telegramgruppen gegründet, die Betroffenen angeblich helfen wollen. Tatsächliche Hilfsangebote findet man hier nur selten, vielmehr werden in den Gruppen die dramatischen Videos aus NRW und Rheinland-Pfalz geteilt, dazwischen immer wieder Desinformation zum Coronavirus oder zu Impfungen. Mehrere große Telegramgruppen aus dem „Querdenken“- und QAnon-Umfeld sind offenbar beteiligt. Dabei ist auch der „Veteranen-Pool“ aktiv, ein Vernetzungskanal für ehemalige Mitarbeitende von Sicherheitsbehörden, in dem über den gewalttätigen Umsturz fantasiert wird.

Screenshot aus einer Telegramgruppe mit fast 50.000 Abonennt:innen.

Wie so oft werden Katastrophen und Todesopfer in der Rechtsaußen- und Verschwörungsszene hauptsächlich instrumentalisiert, um das jeweils eigene Weltbild zu untermauern. Während AfD und Co. alles dafür tun, den menschengemachten Klimawandel und seine Folgen ins Lächerliche zu ziehen und den wissenschaftlichen Konsens zu diskreditieren, ist die Regenkatastrophe für Verschwörungsfreunde nur das nächste Puzzlestück, das beweisen soll, dass hinter allem dunkle Mächte stehen. Das hilft weder den Betroffenen noch verhindert es ähnliche Katastrophen in der Zukunft.

 

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