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Jugendarbeit 2×6 Punkte gegen Verschwörungsdenken

Ausschnitt aus dem Flyer "2 x 6Punkte gegen Verschwörungsdenken" von ju:an (Quelle: Amadeu Antonio Stiftung)

Der Glaube an eine geheime Verschwörung „der Mächtigen“ ist sehr alt und spricht auch heute tiefliegende Bedürfnisse an: Menschen können sich die immer komplexer werdenden gesellschaftlichen Verhältnisse nur dadurch erklären, dass bestimmte kleine Gruppen oder gar einzelne Personen das Geschehen in Wirtschaft, Politik und überall nach geheimen Plänen lenken würden.

Viele Menschen fühlen sich ohnmächtig angesichts der vielen gesellschaftlichen Probleme und dem großen Unrecht weltweit, und auch die eigenen Lebensumstände scheinen unveränderbar. Abstrakte Problemlagen (beispielsweise „die Gentrifizierung“, „die Arbeitslosigkeit“, Kriege und Naturkatastrophen) lassen sich, so das Gefühl, leichter bekämpfen, wenn man konkrete Schuldige benennt. Auch für die vielen Zwänge, in denen man lebt, will man gerne jemanden verantwortlich machen können.

Eine konkrete Kritik ist aber meist gar nicht so einfach, und viele greifen auf bestehende Vorstellungen über bösartige Gruppen zurück. Antisemitismus ist die älteste und bekannteste Verschwörungstheorie der Geschichte. Sie bildet das Grundmuster für weitere Verschwörungserzählungen, selbst wenn sie auch andere Gruppen als Schuldige benennen. „Die Juden“ werden als das personifizierte Böse dargestellt und immer wieder für unverstandene, als bedrohlich und ungerecht erlebte Ereignisse und Verhältnisse verantwortlich gemacht.

Was tun? Prinzipien für eine nachhaltige Prävention

Das tief verankerte Verschwörungsdenken muss entsprechend umfassend in einer gemeinsamen Anstrengung des gesamten Bildungssystems angegangen werden. Präventionsarbeit muss sich an den folgenden übergreifenden Prinzipien orientieren, die bereits zu den Grundlagen von Bildungskonzepten in Kinder- und Jugendarbeit und Schule gehören:

Politische Bildung

Wer seine Lebenswelt und deren politische, ökonomische, soziale Kontexte versteht, braucht nicht auf die Vorstellung zurückzugreifen, alles werde von (bösen) Menschen bewusst gelenkt, und muss nicht nach einem »Geheimwissen« suchen.

Kritikfähigkeit

Wer in der Lage ist, die Verhältnisse fundiert, sachbezogen und offen zu kritisieren, unter denen er*sie selbst und andere leiden, trägt keinen unterdrückten Groll gegen »die da oben« mit sich.

Handlungsorientierung

Wer sich in seiner Lebenswelt als aktiv, selbstwirksam und mitgestaltend erlebt, fühlt sich weniger ohnmächtig und fremdbestimmt.

Ambiguitätstoleranz

Wer es aushalten kann, dass es auf viele Dinge keine eindeutige Antwort gibt und auch nicht die eine Seite, die immer Recht hat, braucht keine einfachen Antworten und keine Schuldigen.

Aufklärung

Wenn man verschiedene Verschwörungserzählungen kennt, ihre Muster versteht und auch weiß, welche Gefühle sie ansprechen, erkennt man schnell neue Verschwörungsnarrative. Sie hängen eng mit antisemitischen und auch rassistischen Stereotypen zusammen, die man erkennen muss.

Empathie

Wenn man sich vorstellen kann, wie Menschen sich fühlen, die man einer »bösen« Gruppe zuordnet oder wegen ihrer (vermuteten) Gruppenzugehörigkeit angreift, hält man sich mit dummen Äußerungen und Beschimpfungen eher zurück.

Tipps für den Alltag

Junge Menschen haben meistens, wenn es nicht einen rechtsextremen oder islamistischen Hintergrund gibt oder sie nicht bestimmten linken Kleingruppen angehören, kein gefestigtes verschwörungsideologisches Weltbild, sondern reproduzieren Versatzstücke von verbreiteten Verschwörungserzählungen. Beispielsweise können viele Jugendliche die massiven Einschränkungen durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie nicht verarbeiten, sind oft auf sich selbst zurückgeworfen und finden in den Sozialen Medien vermeintliche Antworten und ein Ventil für ihre Frustrationen: Corona gebe es gar nicht; Corona sei eine Maßnahme, um die allgemeine Impfpflicht einzuführen; Corona sei von Leuten aus Asien hierher gebracht worden; Corona sei ein Kampfstoff, den mächtige Staaten entwickelt hätte, um noch mehr Menschen zu unterdrücken; Corona sei in Israel hergestellt worden, um endlich die Weltherrschaft zu erlangen usw.

Bei verschwörungsideologischen Sprüchen helfen diese Tipps:

  • Nehmen Sie ernst, dass Heranwachsende sich für politische Verhältnisse und Ereignisse interessieren, die durch Verschwörungsdenken scheinbar erklärt werden.
  • Zeigen Sie Haltung und markieren Sie eine Grenze, wenn antisemitische oder rassistische Äußerungen fallen. Verweisen Sie auf Ihre gemeinsame Grundhaltung gegen Unrecht und für die Menschenrechte.
  • Nehmen Sie ernst, dass Jugendliche durch die aktuellen Maßnahmen in ihren altersgemäßen Bedürfnissen besonders stark eingeschränkt werden, und zeigen Sie auf, wo auch Sie unter bestimmten Regelungen leiden.
  • Fragen Sie generell bei Verschwörungserzählungen (Chemtrails, IS als Erfindung Israels, …) weiter nach: Was willst du eigentlich wissen? Warum ist dir das so wichtig, wie bist du betroffen? Geht es um Angst, um Ungerechtigkeitsempfinden, um Wut …?
  • Überlegen Sie gemeinsam: Wie können wir uns (über die Herkunft eines Virus, über den IS, …) breit informieren, nach verschiedenen Antworten suchen und sie beurteilen? Was gibt es vielleicht, was wir mit anderen gegen das Problem tun können?
  • Wenn Sie Anzeichen für verfestigte Denkmuster erkennen, wenden Sie sich an auch überregionale Fachstellen, die Sie gegebenenfalls kompetent weitervermitteln.

Der Flyer als pdf zum Download:

https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/publikationen/2×6-punkte-gegen-verschwoerungsdenken/

 

Hilfestellungen der Amadeu Antonio Stiftung und anderer Träger:

Fachstellen

Liste aktueller Projekte gegen Antisemitismus bundesweit:

https://www.demo-kratie-leben.de/foerderprojekte/modellprojekte/handlungsfeld-vielfaltgestaltung.html#c13123

Weitere Träger mit Bildungsangeboten und/ oder Materialien

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