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Jungwähler*innen und AfD Wahlsiege via TikTok? 

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Der TikTok-Account von Maximilian Krah (AfD-Europawahl-Kandidat) zeigt: Viele Ideen braucht es nicht, eine reicht - ein paar provokante Takes und Mut zur Peinlichkeit belohnt TikTok schon. Wahrheitsgehalt der Inhalte: Egal. (Quelle: Screenshot TikTok)

Bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern zeichnete sich ein Trend ab: Junge Menschen wählen nicht mehr progressiv, sondern die AfD. In Hessen ist der Umschwung besonders krass: Bei der letzten Landtagswahl 2019 waren die Grünen mit 26 Prozent stärkste Kraft bei den Wähler*innen unter 25 Jahren. Jetzt liegen sie auf Platz drei mit 14 Prozent – hinter CDU (22 Prozent) und AfD (15 Prozent) (vgl. hessenschau). In Bayern stimmten ebenfalls 22 Prozent für die CSU und 16 Prozent für die AfD (nur liegen hier die Grünen mit 17 Prozent noch dazwischen) (vgl. Statista).

The Kids are alt-right? Also sind die Jugendlichen so rechtsextrem? Offensichtlich punktet die AfD, und das durchaus auch mit ihrer Politik – schon, weil sie ihren Hass auf Andersdenkende als rebellischen Gegenwind zur vermeintlich gesellschaftlich vorherrschenden „Political correctness“ vermarkten. Diese Vorherrschaft der Vernunft gibt es zwar gar nicht, aber das vermeintliche Rebellentum erreicht seine Zielgruppen trotzdem. Und zugleich fühlen sich die Konsument*innen von Rassismus und Politiker*innen-Bashing entlastet, wenn sie Sündenböcke präsentiert bekommen und nicht selbst an den Problemen ihrem Leben schuld sein sollen.

AfD erobert TikTok ohne Skrupel und Hemmungen

Besonders gut lässt sich platte, aber plakative Stimmungsmache auf Social Media verbreiten – und dies hat die AfD seit ihren Anfangstagen erkannt. Natürlich fällt es auch leichter, auf Social Media aktiv zu sein, wenn einem Begriffe wie Verantwortungsbewusstsein oder Skrupel fremd sind. Während demokratische Parteien noch diskutierten, wie auf Social Media Meinungsfreiheit zu gewährleisten sei, ohne dabei digitale Gewaltaussagen unmoderiert zu lassen, schaffte sich die AfD Reichweite an. Erst bot sie den Rechtsextremen und Rassist*innen bundesweit auf Facebook und X (Twitter) Resonanzraum unter ihren Bildpostings in den Kommentarspalten, in denen nichts moderiert wurde und viel Menschenfeindliches digital beklatscht. Dann veröffentlichten AfD-Politiker*innen die Video-Mitschnitte ihrer Bundestagsreden auf YouTube. Inzwischen verbreitet sich die AfD massiv auf TikTok. Während die demokratischen Parteien noch Skrupel haben, weil immer noch unklar ist, wie viel Kontrolle der chinesische Staat über die Video-App hat, oder unsicher sind, wie sie auf TikTok auftreten sollen, nutzt die AfD die Plattform, um sich als ideenreiche Rechtsradikale neu zu erfinden.

AfD-Strategien auf TikTok

Es gibt zwar immer noch AfD-TikTok-Accounts, die YouTube-Videos im Querformat einfach zweitverwerten, was auf der Plattform eher als peinlich wahrgenommen wird. Doch weitere Teil der AfD-TikTok-Nutzung sind kreativer – und hemmungsloser. Einzelne Politiker*innen – wie etwa der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl 2024, Maximilian Krah, agieren als parasoziale Beziehungspartner, die eigene Inhalte für TikTok erstellen, Zuschauer*innen ansprechen und selbst ansprechbar sind – und wenn dabei misogyne Beziehungsratschläge herauskommen, ist das zwar Anlass für Spott, aber auch für Verbreitung. „Jeder dritte Mann hatte noch nie eine Freundin. Du gehörst dazu?“, fragt Maximilian Krah, und gibt Tipps: „Schau keine Pornos. (…) Geh raus an die frische Luft. (…) Und vor allem, lass Dir nicht einreden, dass Du lieb, soft, schwach und links zu sein hast. Echte Männer sind rechts“. Seine „Tipps“ hat sich der Frauenversteher, der insgesamt acht Kinder mit drei Frauen hat, in rechtsextremen misogynen Internetcommunitys zusammengeklaubt. Aber deren Fanboys fühlen sich auch durch solche Krah-Videos angesprochen und sympathisieren dann mit der AfD. Auch diejenigen, die sich darüber lustig machen oder protestieren, geben dem Clip Reichweite – und Stitches, also Video-Erwiderungen, hat dieses Video reichlich produziert. Fast 85.000 Menschen gefällt der Clip, über 90.000 Mal wurde er geteilt, über 7.000 Kommentare – das gefällt den TikTok-Algorithmen, und umso mehr Interaktionen es gibt, desto mehr Reichweite erhält das Machwerk.

Memefizierung von AfDler*innen nützen auch

Andere AfD-Politiker*innen werden TikTok-Stars wider Willen: Vorsitzende Alice Weidel etwa postet selbst kaum Inhalte, fungiert auf TikTok aber wie ein Meme, wird gesampelt, verstärkt oder zu Challenges gemacht – zuletzt etwa, als sie in einer Rede monierte, den Deutschen würde noch das Schnitzel verboten, ihr könne das Schnitzel aber keiner nehmen. Daraus wurde eine TikTok-Challenge, wie User*innen Weidel das Schnitzel doch stehlen – das sind keine Weidel-Jubel-Beiträge, sorgen aber für große Verbreitung und Bekanntheit der AfD-Vorsitzenden unter jungen Menschen. Spitzenpolitiker*innen anderer Parteien kommen dagegen kaum auf TikTok vor. Weidel selbst wird auf den Video-Schnipseln freundlich und nahbar präsentiert – eine gelungene Form von Verharmlosung, die in starkem Widerspruch zur Politik der AfD steht.

Kein Mindestabstand zur extremen Internetrechten

Es gibt allerdings auch noch offenere Bezüge der AfD auf TikTok zum Online-Rechtsextremismus. So teilten viele AfD-Politiker*innen auf X/Twitter, aber auch auf Instagram und TikTok Beiträge zum „Stolzmonat“, einer rechtsextrem-nationalistisch begründeten, queerfeindlichen Kampagne, die als Trotzreaktion zu den Regenbogen-Flaggen des „Pride-Month“ entstand, der ja für sexuelle Vielfalt eintritt. Wenn die AfD also Inhalte mit einem Deutschlandfarben-bis-braunen-Regenbogen teilt, verbreitet sie damit Hass auf sexuelle Vielfalt und gibt rechtsextremen Meme-Communitys Aufwind – und wird von diesen gefeiert und verbreitet. Uneingeweihte sehen zwar nicht den Bezug zur rechtsextremen Trollszene, aber den Nationalismus und die Queerfeindlichkeit der Aktion oder freuen sich darüber, dass Nicht-Rechte getrollt werden – und werden auf dieser Ebene angesprochen.

Dies alles beschert der AfD auf TikTok eine überproportionale Reichweite. Ein Viertel aller deutschen Politiker*innen-Accounts auf TikTok betreibt die AfD. Dazu kommen Accounts von Fraktionen, Jugendorganisation, Ortsvereinen, Fans. Zwar ist der AfD-Hauptaccount gerade gesperrt, aber die politischen Botschaften kommen trotzdem an. Denn die AfD-Inhalte entsprechen der Plattformlogik von TikTok: Belohnt werden kurze und kurzweilige Inhalte, die emotionalisierend, bisweilen auch schrill vorgetragen werden und Reaktionen hervorrufen. Quellen und Analyse sind auf der Kurzvideoplattform eh nicht sonderlich gefragt. Der AfD gefällt das.

Regulierungsproblem: Livestreams

Außerdem gibt es auf TikTok ein Format, dass sich noch schwerer regulieren lässt als alles andere: Die Livestreams. Die AfD liebt das Format, Livestreams von Lokalpolitiker*innen sind oft mehrere Stunden lang. Da ist es besonders schwer, auf die Einhaltung von Community Guidelines in Bezug auf Hassrede und Desinformationen zu achten. Auf alle Fälle sollen so auch demokratische Kräfte gebunden werden – und antidemokratische befeuert. Da Livestreams von TikTok selbst auch massiv ausgespielt werden, erschließen sich so auch ganz neue Zielgruppen. Während politische Inhalte nicht unmotiviert auf die For-You-Startseite eingespielt werden, ist das bei Livestreams völlig anders. Sie werden breit beworben – auch bei politisch problematischen Inhalten.

AfD in der digitalen Lebensrealität von Jugendlichen – und jetzt?

Die AfD ist damit auf TikTok bereits jetzt gut für die Europawahl und die Landtagswahlen 2024 aufgestellt, hat ihre Fanbasis, die mit unterstützt und verbreitet, ihre Mandatsträger*innen, die daran gewöhnt sind, Kurzvideoformate zu drehen.

Eins steht fest: Wer TikTok nutzt, bewegt sich in der digitalen Lebensrealität von Jugendlichen und wirkt zugewandt und ansprechbar. Wer dies nicht tut – nicht. Jugendliche haben stark unter den Krisen der letzten Jahre gelitten, Einsamkeit und Abstiegsängste durchlebt, und wurden weder in der Coronavirus-Pandemie noch in den Kriegszeiten danach sonderlich von Politik beachtet oder adressiert. Kein Wunder also, dass das Vertrauen in die Demokratie gerade unter jungen Menschen sinkt: Nur noch 63 Prozent glauben, dass die Demokratie die beste Staatsform ist, zeigt die Mitte-Studie von September 2023. Der AfD gefällt das.

Der Text nutzt Recherchen des Projektes pre:bunk – Onlineprävention im Videoformat der Amadeu Antonio Stiftung.

Radiointerview mit pre:bunk-Projektleiterin Theresa Lehmann zum Thema:
Wieso ist gerade die AfD so erfolgreich auf TikTok? – Deutschlandfunk

 

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