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Kein Handshake mit Faschisten Bodo Ramelow zeigt, wie man demokratisches Rückgrat beweist

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Der neu gewählte Ministerpräsident Bodo Ramelow (r, Die Linke), verweigert dem AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke den Handschlag nach der Wahl. Höcke war in zwei Wahlgängen als Kandidat um das Amt des Ministerpräsidenten angetreten. Foto: Michael Reichel/dpa-Zentralbild/dpa | Verwendung weltweit

Vier Wochen nach der skandalösen Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum kurzzeitigen Thüringer Ministerpräsidenten mit den Stimmen der AfD bestimmte der Landtag in Erfurt am Mittwoch Bodo Ramelow zum neuen Ministerpräsidenten des Freistaats. Er führt künftig eine Minderheitsregierung von Linker, SPD und Grünen – wobei die CDU ihm bei bestimmten Projekten zu Mehrheiten verhelfen will. 

Die letzten Wochen waren ereignisreich in Thüringen: Am 5. Februar 2020 wurde in Erfurt der erste Ministerpräsident Deutschlands durch die Stimmen der rechtsradikalen AfD gewählt. Die AfD ließ damals im dritten Wahlgang ihren eigenen Kandidaten fallen und wählte stattdessen den FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum neuen Regierungschef. So wurde Kemmerich zum neuen Ministerpräsidenten gewählt – durch die CDU und die Höcke-AfD. 

Der Handschlag von Kemmerich und Höcke: Ein Bild das Entsetzen hervorruft 

Nach der Wahl gratulierte der Rechtsaußen-AfD-Mann Björn Höcke dem FDP-Mann mit einem Handschlag. Ein Bild, das symbolisierte, was so viele schockierte. Hier war ein unverzeihlicher Dammbruch geschehen. Ein Politiker hat sich zum Steigbügelhalter des Faschisten Höckes gemacht. Es war ein Trauerspiel, dass viele Demokrat*innen in Deutschland wütend, traurig und fassungslos machte. 

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Die FDP hatte im Herbst 2019 bei der Landtagswahl in Thüringen gerade mal 5,0005 Prozent der Stimmen erhalten und erreichte damit nur knapp den Einzug ins Parlament. Trotzdem gab es einen FDP-Ministerpräsidenten in Thüringen – für kurze Zeit. Einen Tag nach der Wahl kündigte Kemmerich bereits seinen Rücktritt an, er blieb allerdings geschäftsführend im Amt. Und auch die CDU hatte Konsequenzen zu tragen: CDU-Thüringen-Partei- und Fraktionschef Mike Mohring musste gehen, Bundes-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer kündigte ihren Rückzug an.

Die Flügel-AfD in Thüringen 

Wenige Tage vor der erneuten Wahl zum Ministerpräsidenten am 4. März 2020, zu der sich abermals Bodo Ramelow aufstellen ließ, kündigte auch Björn Höcke an, sich als Ministerpräsident zur Wahl zu stellen. Mit Björn Höcke an der Spitze hat die AfD Thüringen eine Ausrichtung des völkisch-nationalistischen Rechtsextremismus. Im Herbst 2018 erklärte der Verfassungsschutz die AfD Thüringen zum Prüffall – einer Vorstufe zu einer möglichen Beobachtung wegen extremistischer Tendenzen. Diese Einstufung resultierte unter anderem aus mehreren Äußerungen Höckes wie auch aus dessen Teilnahme am sogenannten „Trauermarsch“ in Chemnitz an der Seite von Neonazis. Und auch die anderen Landtagsabgeordneten der AfD in Thüringen sind keineswegs gemäßigt. Die AfD-Thüringen ist durchsetzt mit Flügel-Leuten und steht zu großen Teilen fest an der Seite von Björn Höcke, den man laut Gerichtsbeschluss einen Faschisten nennen darf.  

Und so kam es dann, dass die Abgeordnet*innen in Erfurt die Wahl zwischen dem Linken-Politiker Bodo Ramelow hatten und dem Faschisten Björn Höcke. Im dritten Wahl wurde schließlich Ramelow mit einfacher Mehrheit zum Ministerpräsidenten gewählt. 42 Abgeordnete stimmten für ihn, 20 enthielten sich, 23 stimmten mit Nein. Höcke trat in der dritten Runde nicht mehr an.

Gewöhnen wir uns an die Rechtsradikalen?

Nach der Wahl atmeten viele Demokrat*innen erleichtert auf. Hat doch nun das politische Drama in Thüringen vorerst ein Ende gefunden. Doch wenn man sich einmal vergegenwärtigt, dass Ramelow in zwei Wahlgängen gegen den Faschisten Höcke antrat, der jeweils halb so viele Stimmen bekam wie der Linken-Politiker, müsste einem doch mulmig werden. Aber wahrscheinlich müssen wir es auf den Gewöhnungseffekt schieben, dass uns kein eiskalter Schauer mehr über den Rücken läuft, wenn wir sehen, wie die Kamera des Livestreams im Plenarsaal zwischen den beiden Bewerbern Ramelow und Höcke hin und her schwenkt. 

Ramelow verweigert Höcke den Handschlag

Genau das ist eine Strategie des neuen Rechtsextremismus. Durch gezielte Provokationen setzen sie auf den Gewöhnungseffekt. Die demokratischen Kräfte der Zivilgesellschaft sind irgendwann aufgebraucht. Wie oft will man sich noch über die gezielten Provokationen der Neurechten aufregen? Je mehr in der Gesellschaft offenbar der Gewöhnungseffekt einsetzt, umso begeisterter sind wir doch immer über die kleinen und doch so großen Gesten des Widerstands:

Als nun die Abgeordneten vortraten, um dem Frischgewählten Ramelow zu gratulieren, trat auch Björn Höcke mit ausgestreckter Hand vor. Anders als noch Kemmerich vor einem Monat, reichte Ramelow dem AfD-Flügel-Mann jedoch nicht die Hand. 

Der Grundkonsens: Demokraten paktieren nicht mit Faschisten und Rassisten 

Eigentlich nur eine kleine Geste, doch mit ganz viel Wirkung. Was Ramelow hier gezeigt hat: Als Demokrat*in paktiert man nicht mit Faschist*innen, nicht einmal auf der Höflichkeitsebene. Wer die Demokratie und ihre Vertreter*innen beständig angreift, dabei selbst jedweden Anstand vermissen lässt und sich an keine geltenden Umgangsregeln hält, der hat auch das Recht auf einen Handschlag verspielt – auch auf offener Bühne.

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In seiner Ansprache nach der Vereidigung im Landtag von Thüringen sagt der alte und neue Ministerpräsident Bodo Ramelow: „Herr Höcke, ich bin erst dann bereit, Ihnen die Hand zu geben, wenn Sie bereit sind, die Demokratie zu verteidigen und nicht die Demokratie mit Füßen treten.“

 

 

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