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Kommentar Zumindest ein Anfang

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Anetta Kahane ist Vorsitzende des Vorstands der Amadeu Antonio Stiftung (bis Ende März 2022); Foto: MUT

Wir versuchen stattdessen wenigstens die Bedingungen für jene Flüchtlinge einigermaßen menschlich zu gestalten, die es geschafft haben, die überlebt haben und die durch unzählige Filter und Widrigkeiten den Weg nach Deutschland geschafft haben. Ob sie in Hellersdorf untergebracht werden oder in Greiz, in Braunschweig oder Hamburg, ist dann nur noch eine Frage des Zufalls. Es ist gut, dass sich dann dort vor Ort viele Menschen engagieren, um es den Flüchtlingen zu erleichtern sich in ihrem Exil zurechtzufinden.

Doch zurück zu den Toten an der Grenze. Menschen ertrinken zu lassen vor den eigenen Augen, nur um das reiche weiße Europa vor jener Armut zu beschützen, die es selbst mitproduziert, sagt mehr über unsere Verhältnisse aus, als es jede politische Lehrstunde tun könnte. Die Fluchtursachen bekämpfen, heißt es in diesen Tagen. Doch seien wir ehrlich, das wird nicht einfach so geschehen. Denn es würde bedeuten, dass es gerecht zuginge im Umgang mit den Fluchtländern und dass die europäische Wirtschaft gleichzeitig auf Korruption und seine tyrannischen Folgen verzichtete. So würde das Leben in den Fluchtländern besser, das im weißen Norden aber dramatisch teurer werden. Eigentlich wissen das alle und deshalb sind die Toten vor Lampedusa Opfer eines tief rassistisch geprägten Wohlstandskrieges.

Der „hässliche Deutsche“ marschiert mit Fackeln vor dem Flüchtlingsheim auf

In diesen Tagen fangen auch die Gespräche zur Bildung der neuen Regierung an, während der „hässliche Deutsche“ in Greiz vor dem Flüchtlingsheim mit Fackeln aufmarschiert – und die Toten von Lampedusa zur Bestattung nach Sizilien gebracht werden, weil der örtliche Friedhof bereits überfüllt ist. Es ist wichtig, dass die Verhandlungspartner einer möglichen Koalition diese Parallelität nicht als überzogen abtun. Wenn die Zivilgesellschaft schon keine Ertrinkenden retten kann, dann muss sie wenigstens auf Standards bestehen, die Opfer im eigenen Land verhindern. Rechtsextremismus und Rassismus zu bekämpfen gehört nicht in die Abteilung Gedöns bei der Regierungsbildung. Es liegen bereits einige gute Vorschläge auf dem Tisch; die SPD hat die Empfehlungen aus dem NSU Untersuchungsausschuss mit ihrem „Masterplan“ ernst genommen und daraus Schlussfolgerungen gezogen. Sie verlangt unter anderem die sichere Förderung für Beratungsstellen und Projekte, die Aufarbeitung von Rassismus innerhalb der Behörden und die Überprüfung der Anzahl anerkannter Morde aus rechtsextremen oder rassistischen Motiven. Und das mit konstruktiver Unterstützung der Zivilgesellschaft, die nicht als mehr als staatlicher Dienstleister oder eine nachgeordnete Einrichtung behandelt werden will.

Das ist ein Anfang. Noch immer nicht der Dimension des Problems Rechtsextremismus und Rassismus angemessen, doch zumindest ein Anfang. Wir dürfen als Profiteure der Fluchtursachen Anderer nicht zulassen, dass innerhalb Deutschlands Rechtsextremismus und Rassismus als gesellschaftspolitisches Bagatelldelikt behandelt wird. Wenigstens das. Wir sind es den Toten schuldig. Und nicht einen Millimeter weniger.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).

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