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Kulturkampf von rechts „Die Entsiffung des Kulturbetriebs“

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Theaterstück "Fear" in der Schaubuehne Berlin. gegen diese Inszenierung klagten die AfD-Frau Beatrix von Storch und die christlich-fundamentalistische Abtreibungsgegnerin, Hedwig Freifrau von Beverfoerde (Quelle: picture alliance / Eventpress Hoensch)

Systematische Angriffe auf die Kunstfreiheit sind ein Novum. Bislang galt sie parteiübergreifend als schützenswertes Gut, schließlich war die kritische Auseinandersetzung mit Volksvertreter*innen und Repräsentant*innen nach der Zeit des Nationalsozialismus selbstverständlich im Kunst- und Kulturbetrieb. An diesem Konsens rüttelt nun die sogenannte „neue“ Rechte und ihr parlamentarischer Arm, die AfD. Die „neue“ Rechte will die „Entsiffung des Kulturbetriebs in Angriff nehmen“, wie Marc Jongen, „Chefideologe“ der AfD und kulturpolitische Sprecher der Fraktion, 2018 ganz unverblümt twitterte.

Wir wollen die Stimmung im Land insgesamt drehen.“

Marc Jongen

Metapolitik im vorpolitischen Raum

Um ein vorherrschendes politisches System zu „überwinden“, will die rechte Szene auch über den politischen Bereich hinaus aktiv werden. Man müsse zunächst in die Zivilgesellschaft eindringen, die Grenzen des Sagbaren verschieben und rechte Positionen in der Öffentlichkeit normalisieren. Im Rahmen der Strategie eines „Kulturkampfes“ will die sogenannte „neue“ Rechte so meinungsbildend im öffentlichen Raum wirken, um Diskurse zu besetzen und zu ändern. Diesen Kampf um die „kulturelle Hegemonie“ bezeichnet die „neue“ Rechte mit dem Begriff Metapolitik“. Dabei eignet sich Rechtsaußen Theorien des italienischen Marxisten Antonio Gramsci an.

Grundlegendes Ziel der „neuen“ Rechten ist es, die Errungenschaften unserer liberalen Demokratie abzuschaffen und dabei hat sie nun auch dem liberalen Kulturbetrieb den Kampf angesagt.Dabei macht sie sich eben jene Errungenschaften zu Nutze, um Räume für sich zu beanspruchen. Mit dem schon sprichwörtlich gewordenen „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“, nutzen sie die Meinungsfreiheit, um Rassismus, LSBTIQ*-Feindlichkeit und Antisemitismus zu normalisieren. Auf der Straße treten sie dabei mit Stickern, Flashmobs und Protestaktionen in Erscheinung.

Strategien der „neuen“ Rechten

Und so geraten auch Theater, Ausstellungsflächen und Veranstaltungsorte in den Fokus der „neuen“ Rechten. Die Arbeit von Kulturinstitutionen wird dabei häufig grundlegend in Frage gestellt, denn rechtspopulistische und rechtsextreme Akteure haben in der Kulturpolitik ein wichtiges Feld der Auseinandersetzung erkannt. Ihre politischen Angriffe richten sich gegen ein liberales, pluralistisches und offenes Kulturverständnis und reichen von parlamentarischen Anfragen bis hin zu Versuchen, unliebsamen Kulturinstitutionen die Fördermittel zu streichen.

Einschränkung der Finanzierung

Unser Ziel ist es, die Förderkriterien grundlegend zu untersuchen und die bisherige Förderung politisch korrekter Projekte herunterzufahren […]. [Seiner Partei gehe es]  um eine Entideologisierung der Kulturpolitik, hin zur Förderung von echter Qualität und Talent“.

Marc Jongen

Ginge es nach den extrem rechten Kräften in der Bundesrepublik, sollte nur noch Kunst und Kultur gefördert werden, wenn sie sich „Volk und Nation“ verschrieben haben und zu einer „positiven deutschen Identität“ beitragen. Und so mehren sich Initiativen der AfD gegen Kulturschaffende.

In Zukunft wird die AfD ganz genau auf die Programmatik der Bühnen schauen, Intendanten, die ein zu buntes Agitprop-Repertoire mit Regenbogen-Willkommens-Trallala auf die Bühne bringen, denen muss man die öffentlichen Subventionen komplett streichen. Wenn ein Theater nur solche Stücke spielt, ansonsten nichts Sinnvolles macht, dann sehen wir keinen Sinn mehr darin, das zu fördern, dann werden wir natürlich sagen, dass das Ding zugemacht werden muss.“

Hans-Thomas Tillschneider, rechter Hardliner der AfD in Sachsen-Anhalt

Klagen

Neurechte Akteure gehen mittlerweile auch massiv juristisch gegen Kunst- und Kultureinrichtungen vor und klagen gegen Inszenierungen. So klagten beispielsweise die AfD-Frau Beatrix von Storch und die christlich-fundamentalistische Abtreibungsgegnerin, Hedwig Freifrau von Beverfoerde, gegen die Inszenierung „Fear“ an der Berliner Schaubühne und forderten, dass ihre Portraits dort nicht mehr gezeigt werden dürfen. Die Klage scheiterte. Auch eine Klage des AfD-Kreisverbandes Paderborn gegen das Theater Paderborn wegen Verleumdung und Volksverhetzung scheiterte. Durch eine Grafik im Programmheft sah die AfD eine Diskreditierung ihrer Mitglieder und Wähler*innen.  

Ginge es nach der sogenannten „neuen“ Rechten dürften sich subventionierte Einrichtungen nicht gegen eine demokratisch gewählte Partei wenden. Doch für Theater und Museen zählt die Kunstfreiheit – und dabei ist es egal, ob sie aus öffentlichen Geldern finanziert werden.  

Opferinszenierung & Einfordern von „Neutralität“

Wie in beinahe allen politischen und vor-politischen Bereichen inszenieren sich die „neuen“ Rechten gerne als Opfer irgendwelcher herbei schwadronierter Eliten, wenn es nicht nach ihrem Willen geht. So eben auch im Kulturbereich. Besonders gegenüber Einrichtungen, Projekten, Werken und Kulturschaffenden, die sich kritisch mit den „neuen“ Rechten auseinandersetzen oder eine klare Haltung gegenüber der AfD einnehmen. Hier geben sie sich als angebliche Opfer des „elitären Linksliberalismus“ oder gar Linksextremismus aus und fordern sogleich „Neutralität“ im Kulturbereich ein. Was die Rechtspopulist*innen hier jedoch mit „Neutralität“ meinen, ist nichts anderes, als Kulturinstitutionen von unliebsamen Ideen zu reinigen.

Parlamentarische Fragen

Im Bundestag sowie in den Landtagen macht die AfD mittlerweile exzessiven Gebrauch von kleinen Anfragen. Sie nutzt dieses Instrument, um unliebsame politische Gegner*innen und Minderheiten zu diffamieren. Vermehrt sind nun aber auch Kultureinrichtungen Gegenstand von parlamentarischen Anfragen der AfD. Was bezweckt der parlamentarische Arm der „neuen“ Rechten damit? Zum einen sammelt die AfD Informationen für die eigene Öffentlichkeitsarbeit, um ihre rassistischen Vorstellungen und ihren Eliten-Hass zu untermauern und über ihre Medien wie Social Media zu verbreiten. Christophe Koch von der Künstlerinitiative „Die Vielen“ berichtet in einem Interview mit „Titel, Thesen, Temperamente“ davon, dass auch Kultureinrichtung zunehmend von solchen Anfragen betroffen seien, in denen die AfD die Namen von Mitarbeitenden und genaue Fördermittel in Erfahrung bringen will. Einen weiteren Zweck den die AfD mit ihren Anfragen verfolgt, ist allerdings eine allgemeine Verunsicherung zu erzeugen, sowohl unter den Engagierten, als auch bei den Fördermittelgebern.

 

Stören und Übergriffe

Zunehmend kommt es auch zu Störaktionen extrem rechter Akteure. Besonders die Aktivist*innen der sogenannten „Identitären Bewegung“ drängt sich mit solchen „Interventionen“ immer wieder in die Öffentlichkeit. Denn, wenn die zumeist recht jungen Rechtsextremen spontan eine Bühne stürmen, mit Kunstblut um sich spritzen, Flyer in das Publikum werfen und dabei lautstark rassistische Parolen grölen, ist vielen Medien eine Meldung wert. Diese Wortergreifungsstrategie zielt darauf ab, nicht genehme Veranstaltungen zu kapern, um den politischen Gegner*innen die eigenen Themen aufzuzwängen. Aber auch um eigene Bilder für die Anhängerschaft zu produzieren. Mit diesen Stör-Aktionen zeichnen die rechtsextremen Aktivist*innen der IB von sich selber das Bild einer angeblichen avantgardistischen und elitenkritischen Jugendbewegung, im Sinne der 68er.

 

Gegenstrategien

Wie können nun Kultureinrichtungen auf diese Einschüchterungen der extremen Rechten reagieren? Wie in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen sollten sich Einrichtungen, Mitarbeitende und Künstler*innen zunächst einmal klar positionieren und sich fragen, ob sie die rassistische, antifeministische, islamfeindliche, homo-und transfeindliche und in Teilen antisemitische Ideologie der „neuen“ Rechten tolerieren will. Wollen sie das nicht, sollten sie auch ganz klar Haltung zeigen, schließlich stehen die rechten Angriffe auf den Kunst- und Kulturbetrieb beispielhaft für den gesellschaftlichen Rechtsruck, dem wir uns alle entgegenstellen müssen.

Diskursräume verteidigen

Mit unterschiedlichen Strategien versuchen rechtspopulistische und extrem rechte Akteure liberale Diskursräume im Kulturbereich zu erobern. Angegriffene Personen, Einrichtungen und Projekte sollten sich davon nicht einschüchtern lassen. Als Negativbeispiel dient hier die spontane Konzert-Absage der Punk-Band „Feine Sahne Fischfilet“ im Bauhaus Dessau durch deren Stiftungsdirektorin, nachdem ein rechtsextremer Mob im Internet gegen die Veranstaltung mobilisierte. Nach der Absage am Bauhaus Dessau hatten andere Bauhäuser und Theater die Band eingeladen. Auch der Berliner Kultursenator Klaus Lederer bot der Band an, ein Ersatz-Konzert in Berlin spielen zu können. Letztendlich trat die Band dann doch in Dessau auf – statt im Bauhaus, allerdings im Brauhaus.  

Inszenierungen aufdecken & Eigene Mittel nutzen

Wie kaum ein anderer gesellschaftlicher Raum in Deutschland, hat besonders der Kunst- und Kulturbereich die Möglichkeit auf den gesellschaftlichen Rechtsruck zu reagieren, nämlich indem sie Inszenierungen aufdeckt und die „neue“ Rechte mit den eigenen Mitteln selbst zum Thema macht.

Vorbereitung

In jedem Fall sollten sich klar positionierte Kunst- und Kultureinrichtungen und ihre Mitarbeiter*innen auf Angriffe von Rechtsaußen einstellen – sowohl offline, wie auch online.  

Solidarität

Es hilft immer, Netzwerke zu schließen, um sich zu informieren und zu solidarisieren, auch mit Künster*innen oder Einrichtungen die momentan angegriffen werden.

 

Weitere Informationen finden Sie in der ausführlichen Handreichung „Alles nur Theater? Zum Umgang mit dem Kulturkampf von rechts?“ der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin.

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Alter Rassismus in neuem Gewand Die „Neue“ Rechte

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