Debattenkultur: Hassen Sie noch oder diskutieren Sie wieder?
Eine Debatte ist grundsätzlich weder eine besonders inklusive Form der Auseinandersetzung, noch sind inhaltliche Argumente dabei so bedeutsam, wie viele denken. Durchsetzungsfähig ist vielmehr die geschickteste und sprachgewandteste Argumentation. Dieser Logik nach können selbst menschenfeindliche Aussagen wohlformuliert am überzeugendsten vorgetragen werden.
Die Debatte kennt also keine Moral, sondern setzt auf Stil.
Wie kann dann überhaupt eine gut funktionierende und positive Debattenkultur aussehen?
Wie formulieren wir die Regeln eines gemeinsamen, lösungsorientierten Austauschs, an dem auch alle teilhaben können?
Debatten-Hacks
Grundregeln für die Community:
Alle können an der Debatte teilhaben, wenn es Grundregeln gibt, an die sie sich halten. Dazu können gehören: Alle geben aufeinander Acht und hören sich gegenseitig zu. Konsens sollte ein respektvoller Umgangston sein: Keine Beleidigungen, Beschimpfungen, keine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wie Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Sexismus. Debattiert wird über Inhalte! Also auch keine Abwertung aufgrund von Aussehen, Profilbild oder Rechtschreibung. Diskussionsregeln für Online-Communities sollten bspw. in einer Netiquette ausformuliert werden und Grundlage der Moderation sein. Auf ihre Einhaltung können aber auch alle Mitglieder einer Debatte schauen und pochen. Toxischen Verhaltensweisen wie z.B. von Trollen, die provozieren, um Diskussionen zu sprengen, sollten klare Grenzen gesetzt werden.
Ein Argument nach dem anderen. Sezieren Sie Baustellen!
Argumentationsketten machen es dem Gegenüber schwer zu reagieren. Ein Posting spricht manchmal diverse Streitthemen an – es erscheint als erstes unmöglich, darauf vernünftig zu reagieren. In diesem Fall bleiben Sie bei einem Thema und benennen Sie, dass Sie nur über diesen einen Aspekt diskutieren möchten – auch wenn es noch viele andere gibt. Eine faire argumentative Auseinandersetzung achtet auch darauf, dass ein ausgeglichenes Frage- und Antwort-Verhältnis herrscht. Verfasst Ihr Gegenüber kurze Antworten, könnte er*sie sich von einer »wall of text« (= Textwand) überfordert fühlen, also kommen Sie zum Punkt. Haben Sie Mut, auch schnell zu reagieren.
Nachfragen!
Eine Frage kostet nichts. Bevor man jemanden vorschnell verurteilt, lieber erstmal nachhaken, wie etwas genau gemeint ist.
Bleiben Sie fair!
Auch wenn Sie und Ihr Gegenüber auf keinen gemeinsamen Nenner kommen: Bleiben Sie sachlich und konstruktiv. Lieber eine Debatte im Guten beenden als jemanden beleidigen. Behandeln Sie Ihr Gegenüber so, wie Sie auch behandelt werden möchten.
Diskriminierung und Hetze nicht dulden
Benutzt jemand abwertende Sprache, ist es wichtig, sich zu positionieren und dies zu benennen. Werden Sie selbst darauf hingewiesen, sollten Sie sich für die Antwort Zeit nehmen und sich ernsthaft mit der Kritik auseinandersetzen. Zum Debattieren gehört auch, dazuzulernen und einzusehen, wenn man sich z.B. falsch verhält oder unsachlich äußert.
Stille Teilnehmer*innen stärken
Wenn Sie nicht gerade im Zwiegespräch debattieren, kommt es insbesondere im Netz oft vor, dass andere passiv an der Debatte teilhaben. Sie sagen nichts, sind vielleicht indifferent, damit aber zugleich: offen. Sie sind der Grund, auch dann eine Debatte zu führen, wenn das direkte Gegenüber nicht oder nur schwer zu überzeugen ist. Denn es besteht immer die Möglichkeit, dass stille Mitleser*innen sich überzeugen lassen oder froh sind, dass jemand einen wichtigen Punkt stark macht, weil sie selbst sich nicht trauen. Bedenken Sie bei Ihrer Debatte also die still mitlesende Community und beziehen Sie sie möglicherweise mit ein (»Bin ich eigentlich der*die Einzige, die das hier so sieht?«).
Viele Perspektiven zulassen
Lasst uns miteinander diskutieren statt übereinander! Im Netz geht das ganz leicht: Menschen oder Institutionen können durch Markierungen und Links in Diskussionen eingeladen werden, in denen sie Thema sind. Je mehr unterschiedliche Perspektiven in eine Debatte eingebracht werden, desto interessanter wird das Resultat.
Wir sind uns darin einig, dass wir uns nicht einig sind
Ein Kompromiss oder eine Lösung am Ende einer Diskussion sind natürlich ein Erfolg. So verläuft es aber nicht immer, und das muss es auch nicht. Eine Vielfalt an Meinungen ist in einem demokratischen Rahmen eine Bereicherung, und wichtig ist, eine vernünftige Debatte zu führen, sich gegenseitig zuzuhören, über die Argumente nachzudenken. Am Ende kann man aber einfach weiter verschiedener Meinung sein. Niemand muss überzeugt, überstimmt oder besiegt werden.
Eine Debatte ist immer nur so gut wie ihre Teilnehmer*innen!
Engagieren Sie sich mit uns!
Ich will selbst eine Initiative gründen.
Die Amadeu Antonio Stiftung berät, fördert und vernetzt Projekte:www.amadeu-antonio-stiftung.de/projektfoerderung
Ich will helfen, die Debattenkultur im Internet zu verbessern.
Beratung, Fortbildung, Qualifizierung und Unterstützungbieten:
Civic.net – Aktiv gegen Hass im Netz, Berlin:www.amadeu-antonio-stiftung.de/civicnet#wildwildweb?! – für eine demokratische Zivilgesellschaft im digitalen Raum, Hannover:www.amadeu-antonio-stiftung.de/wildwildwebdebate//de:hate – Für digitale demokratische Debattenkultur: pädagogische Praxis, Empowerment, Counter Speech, Debattenkultur, Monitoringwww.debate-dehate.com
Ich möchte an meiner Schule/Bildungseinrichtung einen Workshop veranstalten, damit noch mehr Menschen in der Lage sind, gegen Hate Speech zu argumentieren.Bundesweites Workshop-Angebot »Hate Speech begegnen«, umgesetzt von jungen Trainer*innen nach dem peer trainer-Prinzip:www.amadeu-antonio-stiftung.de/peer-training
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