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Neue Razzien zum Prinzen-Netzwerk Reichsbürger-Zeuge schießt auf Polizisten

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Scharf im Vordergrund ist ein rot-weißes Flatterband zu sehen, das einen unscharfen Straßenbereich absperrt. Es ist ein Symbolbild.
Symbolbild Flatterband.

Am heutigen 22. März 2023 gab es erneut Razzien gegen Beteiligte und Zeug*innen des Reichsbürger-Netzwerks um Heinrich XIII. Prinz Reuß der „Patriotischen Union“ an 20 Orten in Deutschland und der Schweiz. Bei den ersten Razzien am 7. Dezember 2022 war die Polizei mit großen personellen Aufwand vorgegangen, um in elf Bundesländern, Österreich und Italien 25 Personen festzunehmen und gegen 29 weitere zu ermitteln. Damals gab es Stimmen, die sich über den personellen Aufwand lustig machten – dabei gibt es gute Gründe, als Polizist*in bei Einsätzen gegen Reichsbürger*innen vorsichtig zu sein und Verstärkung mitzunehmen. Immer wieder kommt es während Polizeieinsätzen bei Anhänger*innen der rechtsextremen Reichsbürger-Ideologie zu Gewalt gegen die Vertreter*innen des demokratischen Staates Deutschland, seien sie Gerichtsvollzieher*innen oder Polizist*innen. Denn die Reichsbürger*innen sehen das heutige Deutschland als illegitim an und lehnen es so sehr ab, dass sie nicht nur keine Steuern zahlen oder eigene „Reiche“ begründen, sondern auch zu Gewalt greifen.

Bei der heutigen Razzia ging es unter anderem um Reichsbürger-Strukturen in Polizei und Bundeswehr, also um Menschen, die Erfahrung im Umgang mit Waffen haben, die aber im Konfliktfall auf Kolleg*innen schießen müssten. In Reutlingen hat es ein 46-jähriger Mann, Markus L., getan: Er sollte eigentlich nur als Zeuge verhört werden, im Haus sollte nach Beweismitteln gesucht werden. Beim Eintritt in die Wohnung des Beschuldigten gaben sich laut Generalbundesanwalt die Einsatzkräfte durch mehrfaches lautes Rufen als Polizisten zu erkennen. Sie trafen Markus L. schließlich im Wohnzimmer an, wo er bereits eine großkalibrige Schusswaffe auf die Beamten gerichtet hatte. Der wiederholten Aufforderung, die Waffe wegzulegen, folgte er nicht. Es kam zu einem Schusswechsel zwischen den Einsatzkräften und dem Beschuldigten. Dabei wurde ein Polizeibeamter von einem Schuss des Beschuldigten in den Arm getroffen. Das Opfer wurde zwar verletzt, schwebt aber nicht in Lebensgefahr.

Den Täter erwartet nun eine Ermittlung wegen eines versuchten Tötungsdeliktes (vgl. Tagblatt). Nach Presseinformationen hatte der 46-Jährige die Erlaubnis zum Besitz von sechs Waffen. 22 Schusswaffen und weitere Waffenteile seien auf ihn registriert. Und er besitze eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis. Ob dieser Täter allerdings Polizist oder Soldat ist, ist noch nicht bekannt. Die Generalbundesanwaltschaft sagte der Presseagentur dpa, unter den insgesamt 19 Menschen, bei denen die Polizei am Mittwochmorgen Räumlichkeiten durchsuchte, seien ein Polizist und ein Angehöriger der Bundeswehr. Die HAZ vermeldet derweil aus Hannover, dass zu den Beschuldigten aus Niedersachsen ein ehemaliger Kriminalbeamter der Polizei in Hannover gehöre, außerdem ein Anwalt aus Hannover sowie eine Ärztin aus dem Kreis Peine.

Gegen 11 Uhr gab es in Reutlingen außerdem mehrere kontrollierte Sprengungen kleinerer Art durch die Einsatzkräfte, zuvor hatten die Beamten das Gebäude mit einem Sprengstoff-Roboter durchsucht. Hintergründe dazu sind noch offen, möglicherweise beseitigten die Einsatzkräfte noch aufgefundene Kampfmittel.

Der Schuss und Waffenfunde belegen also, dass das Netzwerk um Heinrich XIII. Prinz Reuß, dem unter anderem Ex-Bundeswehr-Generäle und eine AfD-Richterin angehörten, größer und gefährlicher war als auf den ersten Blick sichtbar. Es hatte einen gewalttätigen Putsch gegen die demokratisch gewählte Regierung der Bundesrepublik Deutschland geplant.

Insgesamt wurden am 22. März mehr als 20 Objekte in acht Bundesländern und in der Schweiz durchsucht. Dabei standen fünf Beschuldigte und 14 Zeug*innen im Fokus, so die Generalstaatsanwaltschaft. Als Zeug*innen gelten hier Menschen, die in entsprechenden Reichsbürger-Chatgruppen aktiv waren. Es ging vor allem um weitere Netzwerke und Gruppen aus den Sicherheitsbehörden, die von Staatsfeindlichkeit geprägt seien. Offenbar waren laut Medienberichten die Grundlage für die Razzien die unterschriebenen Verschwiegenheitserklärungen, die bei der ersten Razzia im Dezember entdeckt worden waren. Unter den Unterzeichnern seinen mehrere Waffenbesitzer gewesen. 

Die Durchsuchungen richteten sich gegen fünf Beschuldigte aus Bayern, Niedersachsen, Sachsen und der Schweiz wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, teilte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe auf Anfrage mit. Daneben wurden die Räumlichkeiten von 14 weiteren Personen durchsucht, die nicht als verdächtig gelten, aber in Chatgruppen aktiv waren (vgl. dpa).

In Bayern wurden sechs Objekte in Unterfranken, München und Oberbayern Süd durchsucht. In Niedersachsen war ein Objekt im Raum Hannover betroffen und in Sachsen eines in Chemnitz. Auch in Mecklenburg-Vorpommern gab es eine Durchsuchung, wie es aus Sicherheitskreisen hieß.

Gefährliche Reichsbürger*innen

Efringen-Kirchen

Aktuell steht ein Reichsbürger vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht, der am 7. Februar 2022 bei einer Verkehrskontrolle bei Efringen-Kirchen im Landkreis Lörrach einen Polizisten überfahren hat. Die Anklagevertreterin forderte: Wegen Mordversuchs, vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, gefährlicher Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und unerlaubten Entfernens vom Unfallort solle der 62-Jährige für zehn Jahre ins Gefängnis. Zudem forderte sie eine lebenslange Führerscheinsperre.

Mehrfach, auch nach der Tat, habe der Mann deutlich gemacht, dass er neben vielem anderen auch die Straßenverkehrsordnung nicht anerkenne. Im Auto fanden die Beamten einen keltischen Druidenausweis. In der Seitentasche der Autotüre lagen Flyer der rechtsextremen Gruppierungen „Ewiger Bund“ und „Vaterländischer Hilfsdienst“. Der Mann hatte einen „Corona-Spaziergang“ besucht und dabei Bier und Wein getrunken. Als er kontrolliert wurde, hat er plötzlich Gas gegeben. Der Polizisten habe ausweichen wollen, stürzte jedoch bei Tempo 25 nach einer Lenkbewegung auf die Motorhaube. Der Beamte erlitt schwere Verletzungen und ist vor allem aus psychischen Gründen immer noch dienstunfähig. Ein Urteil wird am kommenden Freitag erwartet (vgl. Weiler Zeitung, SWR).

Boxberg

Dutzende Male schoss ein Reichsbürger in Boxberg im April 2022 auf anrückende Polizeibeamte, verletzte zwei von ihnen. Der Fall soll bald vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verhandelt werden. Der Generalbundesanwalt hat Ingo K. wegen mehrfachen versuchten Mordes angeklagt. Nun legt ein Beschluss des Bundesgerichtshofs offen, wie gefährlich der Einsatz für die SEK-Beamten in Wirklichkeit war. K. glaubte, dass Deutschland immer noch von Alliierten besetzt und kein legitimer Staat sei, verweigerte Bußgeld-Zahlungen, weil die Bundesrepublik nur eine Firma sei. Hoheitsrechte lägen bei SHAEF. K. besaß die waffenrechtliche Erlaubnis für eine Pistole, die ihm aber nach Vorstrafen entzogen wurde, und eine Pistole, weil er früher „im Bewachungsgewerbe“ tätig gewesen sein. Weil K. die Waffe nicht freiwillig herausgeben wollte, kam es zur Razzia am Boxberg. Was die Beamten zu diesem Zeitpunkt nicht wussten: Neben der Pistole hatte K. sich bereits mit zahlreichen Kriegswaffen eingedeckt. Mit einer AK47 feuerte er Dutzende Male auf die Polizisten, wobei er mehrmals die Stellung wechselte, um ein besseres Schussfeld zu haben. Nach Schusswechsel und Festnahme stellte die Polizei ein ganzes Arsenal sicher. Von 5.000 Schuss Munition war die Rede (vgl. t-online).

Sachsen et al.

Ebenfalls aus dem Reichsbürger-Milieu stammt die im April 2022 verhaftete Terrorgruppe der „Vereinten Patrioten“, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach entführen und Anschläge auf die Stromversorgung durchführen wollten. Die Bundesanwaltschaft hat jetzt Anklage gegen eine mutmaßliche Terrorgruppe erhoben, die den Sturz der Bundesregierung geplant haben soll. Der Prozess gegen die vier Männer und eine Frau, die seit dem vergangenen Jahr in Untersuchungshaft sitzen, soll am Oberlandesgericht Koblenz stattfinden. Die Ermittler gehen davon aus, dass sich die Gruppe spätestens im Januar 2022 zusammenschloss – mit dem Ziel, „mittels Gewalt sowie zumindest unter Inkaufnahme von Todesopfern in Deutschland bürgerkriegsähnliche Zustände auszulösen und damit den Sturz der Bundesregierung und der parlamentarischen Demokratie herbeizuführen“. Mitte Oktober hatte sie außerdem eine pensionierte Lehrerin in Sachsen festnehmen lassen, die ebenfalls eine übergeordnete Stellung in der Gruppe gehabt haben soll. Die im April Festgenommenen stammen nach früheren Angaben aus Neustadt an der Weinstraße (Rheinland-Pfalz), Falkensee bei Berlin sowie aus den Kreisen Landshut (Bayern) und Ammerland (Niedersachsen). (vgl. Tagesschau)

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