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Razzien nach Umsturzplänen Sie wollten Lauterbach entführen und Anschläge auf das Stromnetz verüben

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Symbolbild Telegram (Quelle: Pixabay / Lobo Studio Hamburg)

Ihr Ziel soll laut Ermittlungsbehörden nichts Geringeres als den Umsturz des demokratischen Systems in Deutschland sein: Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz ermittelt gegen zwölf Männer und Frauen, die eine schwere staatsgefährdende Gewalttat und weitere Straftaten geplant haben sollen. Die beschuldigten Deutschen im Alter von 41 bis 55 Jahren sollen in mehreren geschlossenen Telegram-Gruppen Pläne geschmiedet haben, durch Anschläge auf Umspannwerke und Stromleitungen kritische Infrastruktur lahmzulegen, um so bürgerkriegsähnliche Zustände auszulösen – sie wollten so den sogenannten „Tag X“ herbeiführen.

Neben ihren Plänen für einen bundesweiten Stromausfall bereiteten sie die Entführung bekannter Personen des öffentlichen Lebens vor. Wie Report Mainz berichtet, plante die Gruppe in einer Aktion mit Namen „Klabautermann“, Gesundheitsminister Karl Lauterbach zu entführen und seine Personenschützer „auszuschalten“.

„Aktive Veteranen und Patrioten“

Die Beschuldigten ordnet das LKA der Corona-Protestszene und der Reichsbürgerbewegung zu. Einige seien bereits polizeibekannt. Ein investigatives Recherchekollektiv, das aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte, infiltrierte eine der maßgeblichen Telegramgruppen 2021. Das Kollektiv bezeichnet die Personen gegenüber Belltower.News als „Neonazis und Neofaschist:innen“, als Personen mit einem geschlossenen rechtsextremen Weltbild. „Wir sind nur durch Zufall auf diese Gruppe aufmerksam geworden“, erzählt das Recherchekollektiv und es sei pures Glück gewesen, dass sie den üblichen Aufnahmecheck durch die Administrator:innen der Gruppe umgehen konnten. Die Gruppe „Aktive Veteranen und Patrioten“ umfasste etwa 70 Mitglieder, erzählt das Kollektiv, bevor sie vor knapp zwei Wochen gelöscht wurde vielleicht wegen der bundesweiten Razzien gegen „Atomwaffen Division“, „Knockout 51“ und „Combat 18“ Anfang April 2022, vermutet das Kollektiv. Bis dahin hatten sie jedoch bereits Unmengen an Daten und Beweisen sichergestellt. Sie lasen mit, wie die Gruppe den politischen Umsturz plante.

Im Zuge der Ermittlungen gegen Mitglieder der Chatgruppe wurden den Angaben des LKA zufolge am Mittwoch, dem 13. April, 20 Objekte in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Brandenburg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen durchsucht. Rund 270 Beamt:innen waren im Einsatz. Dabei konnten Ermittler:innen 14 Lang- und sieben Kurzwaffen sowie eine Kalaschnikow sicherstellen, außerdem Munition im mittleren dreistelligen Bereich, Bargeld in Höhe von 8.900 Euro, zahlreichen Goldbarren und Silbermünzen, Devisen im Wert von über 10.000 Euro und Datenträger. Vier Personen wurden festgenommen. Darunter auch ein Administrator einiger Telegram-Gruppen. Er gilt als Hauptverdächtiger und wurde am Mittwoch in Neustadt (Rheinland-Pfalz) an der Weinstraße festgenommen.

Nach Informationen des ARD-Politikmagazins konkretisierten sich die Pläne der zwölf Beschuldigten in den vergangenen Tagen. So wollte die Gruppe für mehrere zehntausend Euro Waffen, Minen und Schutzausrüstung kaufen. Eine erste Übergabe von zwei Kriegswaffen des Typs Kalaschnikow und fünf Pistolen sollte am Mittwoch, dem 13. April, im rheinland-pfälzischen Neustadt an der Weinstraße über die Bühne gehen.

Hier stellten Ermittler:innen der Gruppe jedoch eine Falle: Der potenzielle Waffenkäufer wurde festgenommen, wie auch zwei weitere Männer in Niedersachsen und Brandenburg. Die Ermittler:innen führen die drei Männer als Hauptbeschuldigte, ebenso eine weitere Person, die sich derzeit im Ausland aufhalte. Sie sollen die Waffenkäufe und das nötige Geld organisiert haben, berichtet Report Mainz. Insgesamt durchsuchten Polizisten 21 Häuser und Wohnungen in mehreren Bundesländern und stellten Datenträger, Computer und Handys sicher.

Offline-Vernetzung

In einer Gemengelage aus Reichsbürger:innen, Rechtsextremen, QAnon-Gläubigen und Veteranen tauschten sich die Beschuldigten in mehreren Telegram-Gruppen und Kanälen über ihre Vorbereitungen zum „Tag X“ aus. „Bereits von Anfang an war in diesen Telegram-Gruppen eine Vermischung mit sogenannten Querdenkern, Reichsbürgern, Verschwörungstheoretikern und Neonazis feststellbar, die zusätzlich zu einer Radikalisierung führten“, so die Thüringer Linken Landtagsabgeordnete Abgeordnete Katharina König-Preuss. Auch das Recherchekollektiv erkannte schnell, welches Gefahrenpotential in dieser Gruppe steckte. Irgendwann plante die Gruppe Offline-Treffen, um ihre Pläne für den politischen Umsturz zu konkretisieren. Auf einigen dieser Treffen war das Recherchekollektiv mit dabei, um die Vernetzung zu dokumentieren. 

Als die Anschlagspläne immer konkreter wurden und ein weiteres Offline-Treffen in Thüringen anstand, kontaktierte das Recherchekollektiv den rheinland-pfälzischen Staatsschutz. Die Behörde nahm dutzende Gigabits Beweise an, die das Kollektiv über die Zeit in den Chats gesichert hatte.

Auf einer Pressekonferenz um die Vorgänge der Gruppe am Donnerstag, dem 14. April, wurde die Zuarbeit durch das Kollektiv jedoch leider nicht erwähnt. Zu einer Stellungnahme, wie relevant die Recherchen des Kollektivs für die Ermittlungen gewesen sind, konnte Belltower.News bisher niemanden erreichen. Doch es scheint sehr wahrscheinlich, dass nur dank intensiver Recherche engagierter Menschen Schlimmeres verhindert werden konnte. Ihre Recherchen sollten anerkannt und gewürdigt werden.

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