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Newsletter-Editorial Wie wird 2024 ohne Demokratieprojekte?

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Bildungsprojekte, Opferberatungen, Netzwerkarbeit - sollen alle Gegenstrategien keine Zukunft mehr haben, weil die Ampel sich über den Haushalt streitet?

Demokratie zu leben, das macht Arbeit. Deshalb braucht die demokratische Kultur uns alle in der Lebenspraxis und als ehrenamtliche Engagierte. Aber: Bisweilen kommen wir, im Ehrenamt oder einfach in Debatten in Beruf oder Familie, an Grenzen – Grenzen unseres Wissens, Grenzen unserer Kraft, Grenzen unserer Geduld.

Jetzt äußert auch noch die Kollegin Verschwörungserzählungen – die seh ich doch jeden Tag! Soll ich reagieren oder ignorieren? Nebenan haben Reichsbürger ein Haus im Ort gekauft – und nun? Wo haben meine Kinder antisemitische Ideen her? Von TikTok? Soll ich das jetzt verbieten oder gucken die das dann erst recht? 

Deshalb ist es gut, dass es in Deutschland eine lebendige Landschaft von Demokratieprojekten gibt, die unabhängig arbeiten, aber mit staatlichen Geldern finanziert werden und sich so professionalisieren können, um andere zu professionalisieren. Sie sind ganz verschieden: Sie beraten, sie unterstützen, sie bilden Netzwerke, starten Aktionen, sie sind sichtbar, mutig, kreativ und innovativ, immer auf der Seite der Demokratie und der Menschenrechte. Seit es die staatliche Unterstützung des zivilgesellschaftlichen Engagements in Deutschland gibt – seit rund 20 Jahren – haben diese Projekte vor Ort viel erreicht und einen entscheidenden Unterschied gemacht: Für die, die von Rechtsextremismus bedroht werden – aber auch für die, denen sie präventiv geholfen haben, nicht einseitig durch die Welt zu gehen, zu denken und zu hinterfragen und Extremist*innen nicht auf den Leim zu gehen.

Warum sollte ein solches Erfolgsmodell enden? Wenn nicht schnell etwas geschieht: Weil die rot-grün-gelbe Ampel-Regierung nicht handelt. Wer hätte das kommen sehen, dass diese Regierung zur Gefahr für die Landschaft der Demokratieprojekte wird? Sie haben einen illegalen Haushalt aufgestellt. Seit ihnen der auf die Füße gefallen ist, streiten sie. „Der Haushalt kann erst 2024 beschlossen werden“, das klingt so sachlich und verwaltungstechnokratisch. Praktisch heißt das aber: Wenn es bei diesem Stand bleibt, enden diverse Demokratieprojekte bundesweit mit dem 31. Dezember 2023 abrupt und ungewollt. Weil die Gehälter der Mitarbeitenden nicht mehr gezahlt werden können. Ohne Mitarbeitende gibt es aber keine Arbeit gegen Rechtsextremismus, Rassismus oder Antisemitismus. Deshalb appelliert ein Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Projekten mit der Amadeu Antonio Stiftung an die Politiker*innen: Wir brauchen verbindliche Förderzusagen, am besten jetzt – oder zumindest Überbrückungsmodelle, bis der Haushalt beschlossen ist. Das kommt für alle ungelegen am Ende des Jahres, und ja, es gibt auch andere Probleme, aber sagen wir es so: Wenn es keine Demokratie-Expertise mehr in Deutschland gibt, aber überall eine erstarkende AfD, haben wir bald noch viel mehr Probleme und viel weniger Freiheit, sie zu bearbeiten.

Wir dürfen Projekte im sozialen Sektor, die entscheidend dazu beitragen, dass Menschen in Deutschland so harmonisch und frei und menschenwürdig wie möglich leben, nicht aus den Augen verlieren, wenn es scheinbar abstrakt um „den Haushalt“ geht. Denn die sozialen Projekte sterben zuerst, und die Schmerzen erleiden wir alle.

Deshalb müssen jetzt Sofortmaßnahmen ergriffen werden:

  • Die sehr zügige politische Einigung auf einen Haushalt 2024 ohne Kürzungen im Bereich der Demokratieförderung deutlich vor Weihnachten.
  • Die Bewilligung eines vorzeitigen Maßnahmenbeginns für die Träger in den Bundesprogrammen noch vor Weihnachten, damit die Arbeit in einem ersten Schritt überhaupt fortgeführt werden kann. Träger können dann mit Krediten oder über Kofinanzierungsmittel der Länder in Vorleistung gehen, deren Rückerstattung dann rechtlich möglich wäre.
  • Eine zügige Freigabe der Mittel im Januar 2024 für das letzte Jahr der aktuellen Förderperiode von „Demokratie leben!“, damit der Erhalt der Arbeit nicht in der Verantwortung der Träger und ihrer Mitarbeitenden liegt. Hierzu müssen die Ministerinnen beim Finanzminister eine Ausnahme geltend machen.
  • Die Einlösung des Versprechens, durch das Demokratiefördergesetz eine nachhaltige Absicherung der Maßnahmen zu gewährleisten. Das Gesetz muss endlich durch die Ampel im Bundestag verabschiedet werden.

 

Soweit der Kommentar, der unseren dieswöchtigen Newsletter einleitet.
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