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Rechtsextreme Immobilienträume Die eigenen vier Wände

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Das Dorf Jamel im Nordwestmecklenburgilt als Hochburg der Neonazi-Szene. Fast alle 40 Einwohner*innen sind Rechtsextreme. (Quelle: Flickr: Oliver Weber | CC BY-SA 2.0)

Seit Jahren versuchen Rechtsextreme, im ländlichen Raum Fuß zu fassen – mit gemischten Ergebnissen. Fernab des urbanen „Multikulturalismus“, der großstädtischen Vielfalt, aber auch des gesellschaftlichen Drucks, träumen sie von rechtsradikalen Freiräumen, in denen sie ganz ungestört schulen, trainieren, feiern, Kinder großziehen und hetzen können. Räume, in denen Hitlergrüße, verfassungswidrige Symbole und verbotene Nazi-Bands Normalität sind. In denen sie ihrer menschenverachtenden Ideologie freien Lauf lassen können.

Von Kneipen bis Kampfsportstudios, Hausprojekten bis Siedlungen fungieren solche Räume als regionale Anker für diverse rechtsextreme Gruppen. Sie sind strategische Orte der Radikalisierung und Vernetzung. Diese Infrastruktur hat zudem eine wirtschaftliche Funktion: Konzerte und Festivals, Tattoostudios und Versandhandel, sogar Plattenfirmen und Verlagshäuser sind durchaus lukrativ für die Szene. Solche Objekte dienen aber auch als Räume für paramilitärische Übungen und für die Lagerung von Waffen und Sprengstoff.

Der Wunsch nach den eigenen vier Wänden ist darüber hinaus mit einer völkischen Heimatromantik verknüpft, die schon in der Blut-und-Boden-Ideologie der Nationalsozialist*innen Ausdruck fand, aber auch von den sogenannten Neuen Rechten wie dem Verleger Götz Kubitschek verfochten wird: So fantasieren „völkische Siedler*innen“ und Neonazis von rechtsextremen Dörfern für die vermeintlichen “Eliten” des  arischen Volkes – wie die Nationalsozialist*innen auch.

Der Thüringer Verfassungsschutz spricht von einer überregionalen Anziehungskraft durch Immobilien in der Szene. Eine Sprecherin der Behörde sagt Belltower.News: „Ihr Interesse richtet sich vornehmlich auf preisgünstige, auch ländlich gelegene Objekte, die idealerweise für Großveranstaltungen geeignete Räumlichkeiten aufweisen.“

Das stößt nicht selten auf zivilgesellschaftlichen Widerstand: So werden immer wieder rechtextreme Immobilienkäufe verhindert – oder es wird zumindest versucht. Rechtsextreme erwerben deshalb oft Objekte und Grundstücke durch Dritte, die sich als Privatinteresent*innen ausgeben, und Mittelsleute, die den Sicherheitsbehörden oder der Zivilgesellschaft nicht als Szeneangehörige bekannt sind. „Dies und der zumeist privatrechtliche Charakter eines Immobiliengeschäfts schränken sowohl die Aufklärungschancen im Vorfeld als auch die staatlichen Handlungsoptionen bei Bekanntwerden eines entsprechenden Kaufs stark ein“, so die Verfassungsschutz-Sprecherin weiter.

Wie viele Objekte gehören also der rechtsextremen Szene? Auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag 2015 sprach die Bundesregierung von 250 Immobilien. Damals hieß es aber auch, dass es keine bundesweite Erfassung von Immobilien gebe, die durch Rechtsextreme genutzt werden. Im Mai 2019 hieß es auf Anfrage der Linksfraktion: Rechtsextreme nutzen bundesweit 146 Immobilien (Stand: Oktober 2018). Darunter: 22 in Sachsen, 21 in Bayern und 16 in Thüringen. Bei 41 Prozent der von der Bundesregierung aufgelisteten Objekte waren Rechtsextreme Eigentümer*innen, bei 33 Prozent Mieter*innen. Im Jahr zuvor nutzten Rechtsextreme hingegen noch 136 Immobilien (Stand: Dezember 2017). Berücksichtigt seien nur Wohnräume und Liegenschaften, „bei denen Rechtsextremisten über eine uneingeschränkte grundsätzliche Zugriffsmöglichkeit verfügen, etwa in Form von Eigentum, Miete, Pacht oder durch ein Kenn- und Vertrauensverhältnis zum Objektverantwortlichen.“ Der sächsische Verfassungsschutz geht mittlerweile von 27 Gebäuden allein in Sachsen und 22 in Sachsen-Anhalt aus. Tendenz: steigend. Das bestätigte der Rechtsextremismus-Experte des Landes-Verfassungsschutzes, Henry Krentz, den Zeitungen der „Funke“-Mediengruppe im Juli 2020.

Die eigentliche Zahl an Szene-Objekten dürfte allerdings wesentlich höher sein. So sieht das auch Martina Renner, stellvertretende Vorsitzende der Partei “Die Linke” und Fraktionssprecherin für antifaschistische Politik: „Es gibt etliche Fälle, in denen eine Nutzung von Immobilien durch Neonazis zwar der örtlichen Antifa, nicht aber Polizei oder Verfassungsschutz auffällt“, sagt Renner Belltower.News. Hinzu kommt, dass Teile der rechtsextremen Szene von Behörden nicht als Rechtsextreme eingeschätzt werden – wie beispielsweise „völkische Siedler*innen“ und Teile der Reichsbürger-Szene. Diese tauchen in der Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der Linksfraktion 2019 zum Beispiel gar nicht auf. Auch die Gruppierung „Ein Prozent“, die der sogenannten „Neuen Rechten“ nahesteht, wird im Bericht nicht berücksichtigt. Immobilien anderer rechtsextremer Gruppen sind aus ermittlungstaktischen Gründen nicht vollständig aufgelistet.

Doch was hilft also gegen die Immobilienambitionen der rechtsextremen Szene? Renner bezeichnet eine aufmerksame Zivilgesellschaft und gut vernetzte antifaschistische Strukturen als unentbehrlich: „So werden rechte Versuche, sich über Infrastruktur lokal zu verankern, natürlich schneller und besser wahrgenommen. Auch das trägt letztlich dazu bei, dass die Behörden so etwas registrieren.“

Ein Blick auf einige Beispiele von gescheiterten und erfolgreichen Objektkäufen und -vermietungen durch Rechtsextreme zeigt, welche Dynamiken hinter diesem Phänomen stecken – von den sogenannten „Neuen Rechten“, der „Identitären Bewegung“, den „Völkischen Siedler*innen“, dem Rechtsrock-Milieu bis zu rechtsextremen Kleinparteien wie die NPD oder der „III. Weg“. Diese Beispiele zeigen auch, wie solche Verankerungsversuche durch eine aktive Protestkultur und engagierte Lokalpolitik verhindert werden können.

Institut für Staatspolitik, Schnellroda

  • Das Ehepaar Götz Kubitschek und Ellen Kositza, die als führende Köpfe und Ideolog*innen der sogenannten „Neuen Rechten“ gelten, kauften vor rund 18 Jahren ein Rittergut in Schnellroda – einem 200-Einwohner*innen-Dorf in Sachsen-Anhalt. Das Haus ist ein wichtiges Zentrum und Treffpunkt für die „Neuen Rechten“: Von dort aus betreibt Kubitschek den „Antaios-Verlag“, die Zeitschrift „Sezession“ und das „Institut für Staatspolitik“, das zu „Akademien“ einlädt und als wichtigste Denkfabrik der extremen Rechten gilt.

Völkische Siedler*innen

  • Spätestens seit den 1990er Jahren ziehen Rechtsextreme aufs Land, um sogenannte „Volksgemeinschaften“ aufzubauen. Durch bundesweite völkische Siedlungsprojekte wollen sie ein unabhängiges nationales Wirtschaftsnetzwerk aufbauen und die örtlichen politischen und zivilgesellschaftlichen Strukturen beeinflussen. Neben ihrer völkischen, antisemitischen Ideologie findet auch das Thema Ökologie viel Raum: So arbeiten viele Siedler*innen in der Biolandwirtschaft. Hier steht Naturschutz allerdings stellvertretend für einen Heimatschutz, der die deutsche „Volksgemeinschaft“ und ihren „Lebensraum“ bewahren soll. Schätzungsweise gibt es rund 1000 völkische Siedler*innen, genaue Zahlen existieren jedoch nicht. Vor allem in Mecklenburg-Vorpommern und zunehmend in Niedersachsen, aber auch in Bayern, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Hessen und Schleswig-Holstein konnten sich zahlreiche völkische Siedlungen etablieren. Die Bewegung besteht aus zahlreichen Gruppen wie die „Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung“ oder die „Gemeinschaft deutscher Frauen“, völkischen Jugendbünden wie der „Deutsche Jugendbund Sturmvogel“, NPD-nahen Organisationen wie die „Jungen Nationaldemokraten“, sowie freien Kameradschaften.

 

  • In den vergangenen Jahren konnte die antisemitische, verschwörungsideologische „Anastasia-Bewegung“ sich auch in Deutschland verbreiten – eine dezentrale, von Reichsbürger*innen, rechten Esoteriker*innen und völkischen Siedler*innen geprägte, quasi-religiöse Sekte, die sich von der Protagonistin einer zehnteiligen Fantasie-Romanreihe des russischen Autoren Wladimir Megre, Anastasia, inspirieren ließ. Auch hier steht Selbstversorgung im Fokus: So werden zahlreiche „Familienlandsitze“ deutschlandweit aufgebaut – momentan an 17 Standorten wie beispielsweise im brandenburgischen Grabow. Diese werden von einigen autoritär-nationalistischen Schulprojekten ergänzt.

 

  • Die 2017 gegründete, völkische und nationalsozialistische Gruppe „Nordadler“ – auch unter den Namen „Völkische Revolution“, „Völkische Jugend“, „Völkische Gemeinschaft“ und „Völkische Renaissance“ bekannt – plante unter anderem ein Siedlungsprojekt im thüringischen Mackenrode. Die Gruppe war vor allem online aktiv, erwarb aber vor zwei Jahren ein Haus dort, das schnell zum wichtigen Treffpunkt für Veranstaltungen der Gruppe wurde. Die Siedlung war nicht nur als Wohnort geplant, sondern auch für paramilitärische „Wehrsportübungen“ und „Schulungszentren für politische Soldaten“ nach dem Vorbild des NS-„Reichsarbeitsdienstes“ gedacht, um auf eine anvisierte Machtübernahme vorzubereiten. Aus diesem Traum wurde nichts: „Nordadler“ wurde im Juni 2020 vom Bundesinnenminister Horst Seehofer verboten – zwei Jahre nach Aufdeckung der Gruppe.

Jamel

  • Jamel ist ein kleines Dorf der Gemeinde Gägelow im Nordwestmecklenburg mit einem knappen Dutzend Häusern und ungefähr 40 Einwohner*innen. Fast alle sind Rechtsextreme. So gilt das Dorf als Hochburg der Neonazi-Szene. Spätestens seit den frühen 1990er Jahren hat das Dorf ein Problem: Am 19. April 1992 feierten dort rund 120 Neonazis Hitlers Geburtstag, hissten Reichkriegsflaggen und bedrohten Nachbar*innen mit Gewalt. Über die Jahre wurden fast alle Nachbar*innen ohne nationalsozialistische Gesinnung aus dem Dorf vertrieben. Dass es so weit kommen konnte, ist dem Neonazi Sven Krüger zu verdanken. Ab 2000 kaufte er Immobilien im Dorf auf und gab sie an Kamerad*innen weiter. Heute sitzt er im Gemeinderat von Gägelow.

 

  • 2004 zog das Ehepaar Birgit und Horst Lohmeyer nach Jamel – und wusste nicht, wer ihre Nachbar*innen sind. Seit 2007 organisieren die beiden ein jährliches Festival gegen Rechtsextremismus, „Jamel rockt den Förster“. Zu den eingeladenen Bands zählen u.a. „Die Ärzte“, „Kraftklub“ und „Die Toten Hosen“. Mittlerweile kommen jährlich 1.200 Gäste zum Festival. Als Antwort darauf zündeten 2015 mutmaßlich die rechtsextreme Nachbar*innen ihre Scheune an und zerstochen 2016 die Autoreifen von Festivalteilnehmenden.

 

Rechtsrock-Szene

  • Die Gaststätte „Goldener Löwe“ im thüringischen Kloster Veßra ist einer der wichtigsten Treffpunkte für die Rechtsrock-Szene bundesweit. 2014 erwarb der rechtsextreme Tommy Frenck die Gaststätte, die er als Restaurant betreibt. Auf der Speisekarte: Ein „Führerschnitzel“ für 8,88 Euro. Frenck betreibt auch einen rechtsextremen Versandhandel und organisiert Rechtsrock-Konzerte und Festivals. Im benachbarten Themar kamen 2017 rund 7.000 Neonazis zum Konzert „Rock gegen Überfremdung“ – eines der europaweit größten Rechtsrock-Treffen. Das Festival fand auf einem benachbarten Privat-Gelände statt, das dem AfD-Politiker und Bürgermeister der Gemeinde Grimmelshausen, Bodo Dressel gehört (der bis 2014 noch für die CDU kandidierte). Zwischen 2015 und 2017 waren 18.000 überwiegend rechtsextreme Tourist*innen im dortigen Landkreis Hildburghausen zu Gast. Das geht aus einer Antwort des Thüringer Innenministeriums auf eine Anfrage der Linken hervor. Frenck will expandieren: Er versuchte, ein weiteres Gebäude in der Nachbarschaft zu erwerben, doch das Thüringer Innenministerium konnte das Vorhaben verhindern. Nun ist die Zukunft seiner Gaststätte „Goldener Löwe“ auch gefährdet: 2014 hat Frenck zwar die Gaststätte gekauft, er steht aber noch nicht im Grundbuch. Denn: Die Gemeinde will ihr Vorverkaufsrecht geltend machen – mit Verweis auf Denkmalschutz. Der Prozess dauert an, ein Urteil soll noch 2020 folgen.

 

  • Seit drei Jahren findet das Rechtsrock-Festival „Schild und Schwert“ – kurz „SS“ – im ostsächsischen Ostritz statt. 2019 zählte das Festival 700 rechtsextreme Besucher*innen. Hier geht es aber nicht nur um verfassungsfeindliche Musik: Solche Festivals sind wichtige Vernetzungsorte der extremen Rechten. Dabei waren Mitglieder der mittlerweile verbotenen rechtsterroristischen „Combat 18“ sowie „Brigade 8“. Das Festival findet auf dem Gelände des früheren Hotels „Neißeblick“ statt. Das Gelände gehört dem Hotelier Hans-Peter Fischer, dem lokalen Medien zufolge ein Schaden von 15.000 Euro entstanden sei, nachdem die Bauaufsichtsbehörde des Landkreises ihm ein Nutzungsverbot erteilte. Grund: Anbauten ohne Baugenehmigung und Mängel im Brandschutz. Verkaufen will Fischer nicht: Stattdessen vermietet er das Gelände an Rechtsextreme – und das gleich mehrfach in den vergangenen Jahren. Das ist allerdings keine große Überraschung, wirft man einen Blick auf Fischers Biografie: Zuvor war er Parteimitglied der NPD und der Republikaner.

 

  • Das „Schild und Schwert“ wird vom stellvertretenden Vorsitzenden der NPD, Thorsten Heise, ausgerichtet. Im Impressum der Festivalwebseite steht Heise als Verantwortlicher zusammen mit der Adresse seines Internethandels „W+B Medien“ im westthüringischen Fretterode. Als zwei Journalisten 2018 Fotos von seinem dortigen Grundstück machen wollten, wurden sie von zwei Männern mit Reizgas, Bassballschlägern, Schraubenschlüsseln und einem Messer attackiert. Tatverdächtig sind der damals 18-jährige Sohn Heises sowie der damals 25-jährige Gianluca B. ermittelt. Letzterer kandidierte 2016 für die NPD für den Kreistag in Northeim. Das Verfahren steht weiterhin aus.

Identitäre Bewegung

  • Über den Verein Flamberg e.V. gründete der regionale Ableger der „Identitären Bewegung“ in Halle, „Kontrakultur Halle“, im Juli 2017 ein „patriotisches Hausprojekt“ in der Adam-Kuckhoff-Straße 16 – unweit des neuen Steintor-Campus der Martin-Luther-Universität. Der neurechte Verleger Götz Kubitschek gilt als strategischer Mentor hinter dem Projekt, das er als „Leuchtturm“ beschrieb. Der viergeschossige Altbau mit 404 Quadratmetern soll laut Medienberichten 2017 für eine niedrige sechsstellige Summe gekauft worden sein, mutmaßlich durch Helmut Englmann, den Gründer der „Titurel-Stiftung“, die dem „Institut für Staatspolitik“ nahesteht. Recherchen der „Welt“ zufolge war der hessische AfD-Landtagsabgeordnete, Andreas Lichert, der außerdem Vorsitzender des „Vereins für Staatspolitik“ ist, im Kaufvertrag als Bevollmächtigter aufgeführt. Sein Medienberatungsunternehmen „Mosaik-Kommunikation“ mietete im Haus ein Büro. Das Haus galt als Modellprojekt der sogenannten „Neuen Rechten“, das in die Stadt wirken sollte: Dort waren unter anderem auch das gescheiterte Modelabel „radical éstethique“ und das Abgeordnetenbüro des AfD-Landtagsabgeordneten Hans-Thomas Tillschneider zu Hause. Doch das Projekt sorgte vor allem immer wieder für Ausschreitungen: Im November 2017 griffen zwei mutmaßliche Anhänger der „Identitären“ eine Zivilstreife an. Im März 2019 stürmten fünf Personen aus dem Haus und attackierten zwei Menschen auf der Straße. Der öffentliche Druck gegen das Projekt war groß: Vor dem Haus fanden starke zivilgesellschaftliche Proteste statt, die Fassade wurde mehrmals mit Farbbeuteln beworfen. Eine Chance, rechtsextreme Ideologie in die Stadt oder die Universität zu tragen, hatte “Haus Flamberg” nie. Das nachhaltige Engagement der Anwohner*innen brachte das Projekt der „Identitären“ zum Scheitern. Im Juni 2020 wurde bekannt, dass das Haus an eine Hausverwaltungsfirma aus Halle verkauft wurde. Der Leuchtturm ist erloschen.

 

  • Im Oktober 2018 versuchte ein Software- und Immobilienunternehmer, das mittelsächsische Schloss Reinsberg für eine halbe Million Euro zu kaufen. Sein Ziel: Das Schloss an die „Identitäre Bewegung“ weiterzuvermieten. Das im 14. Jahrhundert erbaute Rittergut hat 62 Zimmer auf 3000 Quadratmeter und wäre somit ein wichtiges Zentrum mit großer symbolischer und logistischer Kraft für die Gruppierung. Der Kaufvertrag war schon vom bisherigen Eigentümer und dem Unternehmer beim Notar unterschrieben worden, bevor die Gemeinde Reinsberg ihr Veto einlegte und von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machte. Die „Identitären“-Verbindung des Käufers, der selbst kein Mitglied ist, wurde öffentlich, nachdem zwei führende Kader der Bewegung ihn zur Besichtigung begleiteten – und erkannt wurden.

 

  • Der den „Identitären“ nahestehende rechtsextreme Rapper Chris Ares, mit bürgerlichem Namen Christoph Aljoscha Zloch, schloss im Sommer 2020 mit einem Partner einen Mietvertrag für einen Laden im ostsächsischen Bautzen ab. Dort sollte ein Tattoostudio und Fanshop entstehen. Auch ein „patriotischer Jugendclub“ und ein Wohnprojekt, Teile eines sogenannten „Chris-Ares-Dorf“, sind oder zumindest waren im benachbarten Bischofswerda geplant. Die Anmietung des Ladens erfolgte über einen Mittelsmann, der über Chris Ares und seinen Partner nichts gewusst haben soll. Nach einer Petition gegen das Vorhaben und Gegenwind von allen lokalen politischen Fraktionen – zunächst sogar von der hiesigen AfD – gilt der Plan nun als gescheitert. Ende Juli 2020 erklärte Ares überraschend, dass der Vermieter ihm gekündigt habe – angeblich, weil Ares-Gegner*innen die Kinder des Vermieters bedroht hätten. Eine haltlose Behauptung. Zwar schrieb Ares auf seinem Telegram-Kanal, dass er die Kündigung akzeptieren würde, bislang gibt es allerdings keine Beweise dafür, dass das Mietverhältnis vom Vermieter gekündigt wurde. Für sein Vorhaben in Bischofswerda gibt es bislang keine konkreten Pläne oder Genehmigungen. Das Chris-Ares-Dorf bleibt lediglich ein Traum.

Rechtsextreme Kleinparteien

  • Die Bundesregierung benennt 23 Immobilien der rechtsextremen NPD und ihrer Jugendorganisation „Junge Nationalisten“ (JN) in ihrer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion. Diese sind überwiegend Eigentum von Einzelpersonen, die der Partei zuzuordnen sind, und befinden sich in fast allen Bundesländern, aber vor allem in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt.

 

  • In Erfurt nutzen Rechtsextreme im Umfeld der Partei „Der III. Weg“ Teile eines ehemaligen Supermarkts als „nationalrevolutionäres Zentrum“. Das Objekt in der Stielerstraße am Erfurter Herrenberg umfasst mehrere Hundert Quadratmeter, auf der Fassade des Gebäudes steht das Logo der Partei. Das Zentrum gilt als eines der wichtigsten Neonazi-Objekte Thüringens. Vermietet wurde das Gebäude 2015 über den Verein „Neue Stärke Erfurt“ (ehemals „Volksgemeinschaft“) von einer bayerischen Immobilienfirma. Der befristete Zeitmietvertrag läuft im September 2020 aus: Danach will die Immobilienfirma das Gebäude sanieren. Im Juni 2020 gab ein Gericht der Immobilienfirma Recht, nachdem die Neonazis verweigerten, aus der Immobilie ausziehen. Vorstand des Vereins ist Enrico Biczysko, der in der Partei aktiv ist. Früher war er in der NPD und der Partei „Die Rechte“. Im Gebäude fanden neben Rechtsrock-Konzerten und Kampfsporttraining auch Parteiveranstaltungen, Schulungen und rechtsextreme Familienfeste statt. Die Partei verfügt auch über Räume in Plauen und Aue in Sachsen.

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