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Rechtsrap „Chris Ares“ und seine (exklusive) Heimatliebe

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Rechtsrapper Chris Ares bei einer AfD-Veranstaltung gegen eine Moschee in Erfurt 2016. (Quelle: picture alliance / AP Photo)

Am 16. November 2019 veranstaltete das verschwörungsideologische »Compact«-Magazin seine 8. »Konferenz für Souveränität« in Magdeburg. Der neurechte Rapper »Chris Ares« (aka Christoph Zloch) wurde im Rahmen der Veranstaltung mit dem Preis »Held des Widerstandes« ausgezeichnet. Die Laudatio hielt der österreichische Identitäre Martin Sellner. Zugleich prangt das Gesicht des Rappers auf dem Cover der aktuellen Ausgabe des Magazins, ausführlich schreibt Chefredakteur Jürgen Elsässer im Leitartikel über Rechtsrap, »Chris Ares« und »Bloody32«. Zloch äußerte im Gespräch mit Elsässer, er sehe seine Aufgabe darin, eine »positive Verbindung zu Heimat, Volk und Identität zu schaffen – in den Köpfen von Jugendlichen, die oftmals gar nicht mehr wissen, wer sie sind und woher sie kommen«. In der Musik sieht Zloch eine Form der »Metapolitik«. Man ist in neurechten Kreisen überzeugt, die kulturelle Hegemonie im vorpolitischen Raum erringen zu müssen, ehe die Herrschaft des politischen Systems ergriffen werden könne. Entsprechend betonte der Rapper in einer kürzlich veröffentlichten Folge des sogenannten »Metaraum«-Projekts von AfD-Funktionärs Dubravko Mandic, er wolle »metapolitisch wirken« und seine Musik nutzen, »um die Köpfe der Jugend zurück zu ergattern«.

Das stets wiederkehrende Narrativ des Rappers beruht auf einer Gut/Böse-Dichotomie: Auf der einen Seite die bösen Gangster-Rapper, die alle und ausschließlich über Drogenkonsum, Prostitution und Gewalt rappen und die Sinne der Jugend »vergiften« würden, auf der anderen Seite der gute Rapper »Chris Ares«, der Jugendliche motivieren möchte, keine Drogen zu konsumieren und sich stattdessen weiterzubilden und Sport zu treiben. Das Feindbild Nr. 1 ist derzeit der Berliner Rapper »Capital Bra«.

Wenn Zloch im gemeinsam mit »Prototyp« (aka Kai Naggert) veröffentlichten Track »Neuer Deutscher Standard« über »deutsches Blut« und die »Autotune-Migranten-Bande« rappt, spielt er die ehrbaren Deutschen gegen die ehrlosen, schmuddeligen Migrant*innen aus. Im Track »Heimat« (2016) zählt er die angeblich »deutschen« Tugenden auf: Disziplin und Willenskraft, Stärke und Tapferkeit, Ehre und Stolz. Das Heimatverständnis des Rappers fußt auf der Gut/Böse- bzw. Wir/die Fremden-Dichotomie: Die Heimat – das Eigene: das deutsche Volk bzw. Deutschland – werde durch das Fremde – wahlweise: »Islamisierung«, »Großer Austausch« etc. – in seiner Existenz bedroht. Die deutschen Tugenden sollen demnach verweichlicht, die Deutschen letztendlich vernichtet werden.

Das Heimatverständnis ist ein ideologisches, es ist ein exklusives und völkisches. Heimat ist stets eine nationale Kategorie, die die einen ein- und die anderen ausschließt. Wer nach Überzeugung der Rapper eine Heimat in Deutschland haben darf, hängt vom »deutschen Blut« ab. Die ideologische Grundlage ist der »Ethnopluralismus«, d.h. die Überzeugung, dass die europäischen Völker einzig in ethnischer Homogenität in Frieden leben können. Die Durchsetzung einer ethnischen Heterogenität in einer interkulturellen Gesellschaft bedeutet demzufolge zwangsläufig Krieg. Indem scheinbar harmlose Begriffe wie »Heimat« mit neurechten Stichworten wie »Reconquista« vermengt werden, werden sie ideologisch aufgeladen (»Reconquista der Heimat«) und selbst zum Kampfbegriff der Neuen Rechten.

Der 2019 veröffentlichte Track »Neuer Deutscher Standard« der Rapper »Chris Ares« und »Prototyp« erzielte zwischenzeitlich Platz 1 der Amazon-Charts, zuvor erzielte sein Album »2014-2018« bereits den ersten Platz der iTunes-Charts. Das Album erschien beim Label »Arcadi Musik«, für das sich der AfD-Funktionär Yannick Noé verantwortlich zeichnet. Im August 2019 folgte ein ausführlicher „Spiegel TV“-Beitrag (»Rechter Rapper in den Charts – wer ist Chris Ares?«), der Zloch zusätzliche Popularität verschaffte.

Der Erfolg des neurechten Rap und das mediale Interesse hat eine Vorgeschichte, die mit der Veröffentlichung des von »Ein Prozent« und »Kontrakultur Halle« unterstützten Tracks »Europa« (2016) des Rappers »Komplott« (aka Patrick Bass) beginnt. Der Track, der in Szenekreisen für reichlich Aufsehen sorgte, markierte den Beginn des neurechten Rap. Nur ein Jahr später veröffentlichte Bass gemeinsam mit Zloch die »Bastion EP«. Im Track »Gestern und Morgen« zeichnet Bass das Bild einer ethnisch homogenen Ahnenreihe, die seit 2000 Jahren nach Freiheit strebe. Er behauptet, es gebe zwischen Gestern und Morgen ein einendes Band der Deutschen: »Wir waren ein Volk von Poeten, von Apologeten / Opernkomponisten mit Posaunen und Trompeten / Gläubige Deutschretter mit einem Kreuz in der eisernen Hand / Für das heilige Land / Ein einendes Band, ein gleißender Brand / Flammende Herzen mit treibender Kraft / Dichter und Denker, Worte der Mystik / Spirituelle und Forscher der Physik / Gelernte Juristen, Expressionisten / Krieger und Soldaten vieler Heldengeschich-ten / Bauern und Arbeiter, Mägde und Zofen / Damen in Schlössern mit prächtigen Roben / Prinzen und Könige, reitende Husaren / Kreischen der Fanfaren, schwarz-weiße Fahnen / Immer bereit, alle Feinde zu zerschlagen / – germanische Freiheit seit 2000 Jahren.«

Viele Bilder und Themen, die im Text sowie im dazugehörigen Video des Tracks auftauchen, sind typische Bezugspunkte der Neuen und extremen Rechten. Beispielhaft seien die Walhalla in Donaustauf im bayerischen Landkreis Regensburg und das Kyffhäuserdenkmal in der Gemarkung von Steinthaleben im thüringischen Kyffhäuserkreis genannt. Die positive Bezugnahme auf derartige Denkmäler soll den Mythos einer ehrbaren, tapferen Nation stärken. Gleichzeitig werden die düsteren Kapitel der deutschen Geschichte ausgespart, um die Legende eines starken, ruhmreichen Volkes erzählen zu können, das sich in seiner tausendjährigen Geschichte gegen seine Feinde zur Wehr gesetzt habe. Es fehlt u.a. die Kolonialgeschichte des Kaiserreiches, der Erste und Zweite Weltkrieg und die Gräuel der Shoah.

Die Wir/die Fremden-Dichotomie zieht sich durch das Gesamtwerk der neurechten Rapper. Im Laufe der vergangenen Monate versucht allen voran »Ein Prozent« rund um die beiden Mitbegründer Götz Kubitschek (u.a. »Institut für Staatspolitik« und »Sezession«) und Jürgen Elsässer einer »patriotischen« Musikszene erheblichen Vorschub zu leisten. Die neueste Förderung ist der Rockmusiker »Sacha Korn«, der 2020 sein von »Ein Prozent« finanziertes Studioalbum »Heimat« veröffentlichen wird. Ob Rechtsrap oder Rechtsrock: Der exklusive Heimatbegriff fußt auf einem völkischen Volksverständnis und dient zur Abgrenzung des Eigenen vom Fremden. Er wird gezielt instrumentalisiert, um Stimmung gegen Migrant*innen zu machen und eine rassistische Agenda voranzutreiben.

Titelbild des Buches „Der Begriff ‚Heimat‘ in rechter Musik“ von Timo Büchner.

Mehr zum Thema:

Timo Büchner: Der Begriff „Heimat“ in rechter Musik: Analysen – Hintergründe – Zusammenhänge.  Wochenschau-Verlag, 2019

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