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Rechtsterrorismus und Antisemitismus 8chan-Terror in Poway

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Rabbi Yisroel Goldstein (rechts) nach einer Pressekonferenz am 28.04.2019. einen Tag nach dem Terrorangriff. (Quelle: picture alliance / AP Images)

Genau wie der Attentäter von Christchurch hat John Earnest, der Mörder von Poway, ein Manifest veröffentlicht. In dem Text betont er mehrmals die Inspiration, die ihm, neben dem Terroristen Robert Bowers, der exakt sechs Monate zuvor in der Pittsburgher Tree-of-Life-Synagoge elf Menschen ermordet und sieben verletzt hatte, der Australier Brendon Tarrant geliefert habe. Earnest bekennt sich auch zu einem Brandanschlag auf eine Moschee im kalifornischen Esconido Ende März, laut seines Manifests hatte er den Anschlag per Graffiti auf dem Parkplatz dem Australier und dem Forum /pol/ auf 8chan gewidmet. Tarrant und Earnest kündigten ihre Taten im Forum an.

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Earnests Text strotzt dabei nur so von Antisemitismus. Fast jedes vorstellbare judenfeindliche Klischee kommt vor: Die von Juden und Jüdinnen kontrollierten Medien würden Lügen verbreiten, jüdisch-kontrollierte Banken würden Nationen versklaven und „Böses“ finanzieren, Juden und Jüdinnen lösten Kriege aus, seien Schuld an „Kulturmarxismus und Kommunismus“, an der Verbreitung „degenerierter Propaganda“, an Feminismus, Pornographie, Sklavenhandel, „Rassenvermischung“, Genoziden, Christenverfolgung, dem Tod Jesus‘, Ritualmorden und auch an der „Wahl von Politikern und Organisationen, die Massenmigration benutzen, um die Europäische Rasse zu ersetzen”.

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So wie Tarrant kündigte auch der kalifornische Terrorist wenige Minuten vorher einen Facebook-Livestream auf 8chan für seine Tat an. Die erste Reaktion im Forum: „get the high score“ – „knack‘ den Highscore“. Earnest soll mehr Menschen töten, als bei bisherigen Terroranschlägen.

Allerdings läuft die Tat nicht so „erfolgreich“ ab, wie erhofft. Einen Livestream gab es unter dem Link, den der Täter auf 8chan postet, nicht. Die Gründe dafür sind bisher nicht bekannt. Minuten vor der Tat hatte ein Twitter-Nutzer die Ankündigung öffentlich gemacht und das FBI verständigt. Möglicherweise verhinderte die Behörde so noch den Stream. Möglich ist aber auch, dass der Täter einen Fehler gemacht hat. Die /pol/-Neonazis sind davon enttäuscht: „Wenn ein ‚Mass-Shooting‘ passiert und es gibt keinen Livestream, hat es dann überhaupt stattgefunden?“ fragt einer. Ein andere fragt ob „‘Mass-Shooters‘ nicht wissen, dass sie sich mehr anstrengen müssen?“ Tarrant habe den „optics level“ verändert.

Zur Tatzeit war zufällig Oscar Stewart, ein Mitarbeiter des amerikanischen Grenzschutzes, in der Synagoge. Er zielte mit seiner Waffe auf den Täter, woraufhin der fluchtartig das Gebäude verlies. Stewart schoss auf das Auto des Flüchtigen. Wenig später ließ sich Earnest widerstandslos festnehmen.

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Für die 8chan-Nutzer*innen ist Tarrant ein großer Held. Auf dem Imageboard sind Bilder von ihm als Heiligen zu sehen. Er wird als Inspiration bezeichnet und als jemand der „getan hat, wovon alle auf diesem Board nur träumen,“ wie der amerikanische Journalist Robert Evans dokumentiert hat. Auf anderen Bildern wird Tarrant mit Hakenkreuzen verherrlicht. Das dürfte in seinem Sinne sein, hatte er doch in seinem Manifest mehrfach dazu aufgerufen, ihm nachzueifern.

Einige User*innen auf 8chan sehen auch Earnest als Held: „Er hat nicht annährend genug trainiert, aber sein Opfer wird nicht vergessen“. Allerdings „verurteilen“ auch einige den Terror von Poway. Nicht etwa wegen des Judenhasses im Manifest des Täters, dem feigen Mord an Lori Kilbert-Kaye oder den Verletzungen einer Acht-Jährigen.

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Für die Nutzer*innen ist der „Erfolg“ nicht groß genug. Einer spricht davon, dass seine „Enttäuschung grenzenlos und sein Tag ruiniert“ sei. Ein anderer ist ebenso enttäuscht: „Wenn ich heutzutage von einem ‚Shooting‘ höre, erwarte ich 20+ Opfer“. Die Heldenverehrung auf 8chan, die sich dadurch äußert, dass jemand zum Meme gemacht wird, will man dem Poway-Attentäter nicht zugestehen.

Auch das Manifest stößt auf geteilte Meinungen. Für die einen ist das antisemitische Machwerk „pretty fire“, andere sehen es als schlechte Kopie des Textes von Tarrant – der im Übrigen sein Manifest vom norwegischen Massenmörder Anders Breivik kopiert hat. Am Ende also die Kopie einer Kopie. Das zynische und menschenverachtende Weltbild, dass in /pol/ vorherrscht zeigt das Statement eines weiteren Nutzers, der schreibt: „Manifeste von Gescheiterten lese ich nicht.“

Noch schlimmer ist dabei offenbar nur noch die Playlist, von der der Terrorist angekündigt hatte, sie während seiner Tat per Livestream laufen zu lassen.

Mehrmals betont der Täter in seinem Text, dass es keinen anderen Weg als Terrorismus gäbe: „Die einzige Möglichkeit für einen Weißen zu überleben, ist euch alle zu töten“, „Sie haben uns keine anderen Optionen mehr offengelassen“, „Die Juden zwingen uns, das zu tun und unsere Reaktion ist total gerechtfertigt.“ Dieser angebliche Handlungsdruck und die eingebildete Perspektivlosigkeit ist dabei nur ein Teilaspekt eines gefährlichen Konzepts, dem sich offenbar viele 8chan-Nutzer*innen verschrieben haben: „Accelerationism“.

„Der Untergang wird nicht nur herbeigesehnt, er soll, etwa durch Attentate, sogar noch beschleunigt werden“, so Miro Dittrich, Monitoring-Experte der Amadeu Antonio Stiftung bei de:hate auf Twitter.
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