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Thüringen AfD versucht Poker um den Landeshaushalt zu nutzen

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Der Thüringer Landtag berät über den Landeshaushalt 2023 (Quelle: Wikimedia / Lukas Götz / CC BY-SA 3.0)

42 Sitze hat die Regierungskoalition aus Linken, SPD und Grünen im Thüringer Landtag. Es ist eine Minderheitenregierung, die seit dem 4. März 2020 im Amt ist. Die Opposition hat 48 Sitze, die größte Fraktion bildet dabei die CDU mit 21 Sitzen, gefolgt von der AfD mit 19 Abgeordneten. Besonders die Haushaltsverhandlungen gestalten sich unter diesen Vorzeichen immer wieder schwierig. Die Abstimmung zum Landeshaushalt 2023, der ursprünglich am 8. Dezember 2022 verabschiedet werden sollte, ist dabei keine Ausnahme.

Bisher hatte sich die CDU unter Fraktionschef Mario Voigt als „konstruktive Opposition“ verstanden. Die Partei saß mit am Verhandlungstisch und stimmte in den vergangenen zwei Jahren den Haushaltsgesetzen zu. Dabei hatte sie immer wieder Zugeständnisse eingefordert und auch erhalten. Etwa wurden Windkraftanlagen im Wald auf Drängen der CDU in Thüringen verboten. Für den Landeshaushalt 2022 bestand die Partei auf einer Kürzung um 330 Millionen Euro, die das Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium, das Infrastrukturministerium und das Innenministerium betrafen.

An den Verhandlungen um den Haushalt für das kommende Jahr im November nahmen die Christdemokraten zunächst gar nicht erst teil, genauso wenig wie die FDP. Beide Parteien fordern Kürzungen von der Koalition. Aber auch die AfD will den Haushalt stark verkleinern. Seit Mittwoch zeichnet sich nun offenbar doch noch ein Kompromiss ab. Der Linke-Fraktionschef Steffen Dittes kündigt an, den Gesamtetat von rund 13 Milliarden Euro um 100 Millionen zu senken. Die Entnahme aus der Rücklage des Freistaats soll um 200 Millionen geringer ausfallen, als ursprünglich geplant. Laut Dittes seien damit „wesentliche Hauptforderungen der Union erfüllt“.

Statt am heutigen Donnerstag soll die finale Beratung über den Haushalt nun erst am 13. Dezember stattfinden, um im Idealfall dann noch in der gleichen Woche verabschiedet zu werden. Die Regierungskoalition, aber auch zivilgesellschaftliche Organisationen hatten CDU und FDP vor einer Blockadehaltung gewarnt. Hätten die demokratischen Oppositionsparteien sich nicht an Verhandlungen beteiligt, wären bei der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses voraussichtlich alle Änderungsanträge der Opposition ohne eine vorherige Verständigung mit der Koalition abgestimmt worden. Auf der Grundlage der CDU-Anträge hätte es durch Mehrheiten der Partei zusammen mit FDP und auch der AfD so zu Änderungen kommen. Die rechtsextreme Partei hätte dann mit Hilfe der CDU den Haushalt Thüringens mitgestaltet.

Diese Gefahr scheint jetzt hoffentlich abgewendet. Voigt hat sich am Mittwochabend mit Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und Finanzministerin Heike Taubert (SPD) getroffen. Die Änderungsanträge sollen jetzt nicht mehr unkoordiniert im Ausschuss abgestimmt werden, sondern demokratische Opposition und Koalition wollen einen Konsens über das Abstimmungsverhalten herstellen.

Änderungsanträge der Oppositionsparteien für die eigentlich geplante Verabschiedung am Donnerstag hatten sich teilweise gedeckt. Dabei geht es etwa um das „Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit“. Die CDU wollte ursprünglich 700.000 Euro kürzen. Die AfD will das Programm mehr oder weniger ganz streichen. 4,6 Millionen Euro weniger soll Thüringen im nächsten Jahr für Demokratiebildung und Zivilgesellschaft ausgeben, wenn es nach der rechtsextremen Fraktion geht. Zur Erinnerung: Am 7. Dezember 2022 wurde die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann verhaftet, weil sie mutmaßlich Teil einer Reichsbürger-Gruppierung war, die mit einem Terrorputsch die Demokratie in Deutschland beenden wollte und die Monarchie wiedereinführen wollte.

Katharina König-Preuss sitzt für die Linke im Thüringer Landtag und nennt die Kürzungspläne aus der Opposition „verheerend“. Sollte die CDU ihre Kürzungsanträge durchsetzen wollen,  „würden relevante Stützpfeiler der sozialen und demokratischen Infrastruktur des Landes Thüringen massive Beschädigungen und teils Zerstörung erfahren.“

Auch in Sachen Migration und Integration wollte die CDU den Rotstift ansetzen. Maßnahmen zur Integrationsförderung in Thüringen sollten um 3 Millionen Euro gekürzt werden und auch andere Posten im Haushalt wären betroffen. Insgesamt geht es um 6 Millionen Euro weniger. Die AfD will den Haushaltsposten sogar um fast 30 Millionen Euro kürzen. Dabei spricht wie so oft Menschenverachtung aus den Kürzungsvorschlägen der Partei. In Thüringen können Geflüchtete bisher auf Dolmetscher zurückgreifen, die bei Ämtern und Anträgen helfen. Das will die AfD abschaffen. Die Begründung: Die „kostenfreie Dolmetscherflatrate hemmt den Willen, Deutsch zu lernen.“ Die Unterstützung bei der freiwilligen Ausreise von Geflüchteten in die Ukraine soll eingestellt werden, vielmehr will die Partei die Ausreise „einfordern“. Bei der Bewirtschaftung von Geflüchtetenunterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen will die Höcke-Partei mehr als 2,6 Millionen einsparen: „Reinigungsarbeiten und Winterdienste können von den Bewohnern der EAE selbst durchgeführt werden“. Gesundheitsversorgung für Geflüchtete mit der elektronischen Gesundheitskarte soll es ebenfalls nicht mehr geben: „Überversorgung stellt Fehlanreiz dar“.

König-Preuss kritisiert die Kürzungsvorschläge scharf: „Insbesondere in den Bereichen Integration, Erwachsenenbildung, bei der Gleichstellung, Frauenschutz, Landesprogramm für Demokratie drohen Kürzungen oder gar Streichungen. Im migrationspolitischen Bereich wären hier beispielsweise die Integrationsleistungen und das Landesaufnahmeprogramm für Afghan*innen mit familiären Bezügen zu Thüringen schwer getroffen. Erstgenannte will die CDU um 3.000.000 Euro kürzen, die AfD will den Titel in Gänze auf null setzen, wäre aber sicherlich schon zufrieden, könnte sie mit der CDU hier eine Kürzung der Mittel durchsetzen.“

Ein weiterer Rechtsruck in Thüringen scheint zunächst abgewendet. Noch ist der Landeshaushalt 2023 allerdings nicht verabschiedet. Es bleibt zu hoffen, dass die CDU zu Kompromissen bereit ist.

Foto: Wikimedia / Lukas Götz / CC BY-SA 3.0

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