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Xavier Naidoo Das große Verschwörungs-Potpourri

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Screenshot aus dem Videointerview zwischen Xavier Naidoo und Oliver Janich.

Am 9. März wurden in einer Telegram-Gruppe mehrere Videos von Xavier Naidoo gepostet. Angeblich sollen es Ausschnitte aus einem kommenden „patriotischen“ Album sein. Die Songschnipsel, die der Mannheimer wohl selbst in einer Naidoo-Fan-Gruppe auf Telegram öffentlich machte, führten zu großer Empörung. Zum Beispiel behauptete er, dass „fast jeden Tag ein Mord geschieht, bei dem der Gast dem Gastgeber ein Leben stiehlt“. Er springt also auf rassistische Erzählungen auf, die nichts mit der Realität zu tun haben. Denn #Wirsindmehr-Demonstrant*innen warf er vor, „deutschlandfeindlich“ zu sein und sehnt sich offenbar nach einem „Mann, der das Land noch retten kann. Hauptsache es ist politisch korrekt, auch wenn ihr daran verreckt.“

Es war bei weitem nicht das erste Mal, dass Naidoo mit zweifelhaften Aussagen aufgefallen ist. Mal war es ein Auftritt bei einer Reichsbürger-Demonstration, mal Verschwörungserzählungen über 9/11 oder haltlose Behauptungen über die Souveränität Deutschlands. Geschadet hat ihm das lange Zeit nicht, Fernsehsender wie RTL, VOX, NDR oder Pro7 boten dem Sänger immer wieder die ganz große Bühne. Immerhin: Das ist mittlerweile anders. Ziemlich schnell reagierte RTL auf die bizarren Videos und beendete die Zusammenarbeit. Naidoo war seinen Posten als DSDS-Juror los. Danach wurde es einige Tage still um den Sänger. Bis er sich jetzt mit neuen Videos zurückmeldet.

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In einem kurzen Beitrag behauptet er, wie übrigens auch schon Erika Steinbach lange vor ihm, die historischen Nazis, seien eigentlich Linke gewesen. Die wahren Faschist*innen seien heute die SPD und die Linke. In einer Art Video-Interview wird Naidoo aber noch ausführlicher. Veröffentlicht wurde das Material von Oliver Janich, einem ehemaligen Finanzjournalisten und Verschwörungsideologen, der auf den Philippinen lebt. Das Interview dauert nur wenige Minuten, aber biete eine Art Best-of der beliebtesten Verschwörungserzählungen. Naidoo lässt nur wenig aus dem aktuellen Verschwörungskanon aus und schwadroniert zum Beispiel über den Klimawandel, der seiner Meinung nach nicht existiert. Naidoo hat offenbar einen Film gesehen, an dessen Titel er sich nicht mehr erinnern kann und hat „Nachforschungen gemacht“. Es stelle sich demnach heraus, dass „CO2 nicht der große Veränderer des Klimas ist, sondern sich eben erst im Anschluss die CO2-Werte verändern.“ Aha.

So ähnlich geht es weiter, seine Themen sind wieder die angeblich fehlende Souveränität Deutschlands – was er mit längst widerlegten Behauptungen über eine angebliche „Kanzlerakte“ belegen will, die angeblich alle Regierungschefs Deutschlands in den USA unterschreiben müssen. Ähnliche Argumentationen hört man auch immer wieder in der Szene der sogenannten Reichsbürger*innen. Und auch der Rest des Videos klingt wie eine Sammlung von Schlüsselwörtern der Verschwörungsszene: Bilderberger, Mainstreammedien, Atlantikbrücke und so weiter. Schließlich berichtet Naidoo noch in die Kamera, dass er ohnehin keiner Partei vertraut und nicht wählt: „Ich glaube das ist nicht richtig, sich in diesem Unrechtssystem per Wahl noch zu beteiligen.“

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Nach diesen neuen Ausfällen, scheint es für Naidoo in der Medienlandschaft für unabsehbare Zeit vorbei zu sein. Mittlerweile hat sich auch der Sender Pro7 geäußert und angekündigt, dass Naidoo keine Plattform mehr erhält.

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Möglicherweise ist die Distanz, die Fernsehsender und Medienunternehmen jetzt suchen, auch der Grund für Naidoos öffentliche Statements. Denn Alben verkaufen sich nicht von alleine. Der Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs von der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz vermutet eine Strategie: „Naidoo macht PR für sein neues Album. Ich gehe zwar davon aus, dass einige seiner alten Fans seine Radikalisierung nicht mitmachen wollen, aber dafür wird er sich neue erschließen.“ Aus welchem Spektrum die neuen Naidoo-Fans kommen, ist dabei leider offensichtlich. 

Überhaupt verspricht es interessant zu werden, wie sich die Musikbranche jetzt verhalten wird. Hindrichs: „Viel gespannter bin ich aber darauf, ob und wie sich Sony Music als Vertriebspartner für Naidoos Label ‚Naidoo Records‘ verhalten wird.“ Sony Music hatte im Sommer letzten Jahres angekündigt, dass man mit Naidoo ab sofort „gemeinsame Wege“ gehen möchte. Eine Anfrage des Redaktionsnetzwerk Deutschland blieb bisher offenbar unbeantwortet. Auf der Website des Musikkonzerns ist Naidoo aber aktuell nicht mehr zu finden. 

Ruhig ist es auch bei Naidoos bisherigen Unterstützer*innen. „Es ist sehr bemerkenswert, wie wenige der Künstler*innen, die 2015 noch die große Solidaritätsanzeige in der FAZ unterzeichnet haben, sich zu Wort melden und sich klar gegen Naidoos Verschwörungerzählungen und Ausgrenzungen positionieren,“ so Hindrichs. 121 Kulturschaffende hatten 2015 in einer Anzeige in der FAZ den Sänger unterstützt. Initiiert wurde die Aktion von Marek Lieberberg, dem Konzertveranstalter von Naidoo. Unterschrieben hatten damals unter anderem Mario Adorf, Tim Bendzko, Roger Cicero, Jan Delay, Annette Humpe, Jan Josef Liefers, Anna Loos, Heinz Rudolf Kunze, Atze Schröder und Til Schweiger. Die Anzeige war eine Reaktion auf den Rauswurf des Sängers durch den NDR. Der wollte Naidoo damals zum Eurovision Song Contest schicken, beendete die Zusammenarbeit aber nach Protesten. Daneben hatten auch andere deutsche Unterhaltungsgrößen ihre Unterstützung bekundet. Herbert Grönemeyer ließ wissen: „Xavier ist einer der besten und etabliertesten Musiker und Sänger bei uns, weder homophob, noch rechts und reichsbürgerlich, sondern neugierig, christlicher Freigeist und zum Glück umtriebig und leidenschaftlich.“ Wolfgang Niedecken schrieb auf der Seite seiner Band BAP „Xavier ist weder ein Nazi noch ein Schwulenhasser, dafür aber ein Menschenfreund allererster Güte und ein begnadeter Sänger, der mit seiner Seele singt.“

Die nächsten Monate werden zeigen, wie sich die Karriere von Naidoo weiterentwickelt. Auch wenn er weiter Rückhalt aus dem Mainstream verlieren sollte, der Applaus von rechtsaußen dürfte ihm sicher sein. 

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