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„Relativ viele“ neue „Einzelfälle“ – Die AfD im Spannungsfeld Rechtsextremismus

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Dass sich die Meinungsäußerungen  einiger Parteibuchinhaber_innen der AfD nicht immer innerhalb der freiheitlich demokratischen Grundordnung bewegen, ist kein Geheimnis. Die Häufigkeit, in der verfassungswidrige Aussagen und Verbindungen zu rechtsextremen Personen und Organisationen von Mitgliedern der AfD ans Tageslicht kommen, ist jedoch beachtlich.

Kagida-Organisator Michael Viehmann: „Judenpack“

Ein aktuelles Beispiel sind die unmissverständlichen Facebook-Posts des (inzwischen ehemaligen) AfD-Mitglieds Michael Viehmann, der auch Gründer und Hauptorganisator der Demonstrationen von „Kassel gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Kagida) ist und offen mit den „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) sympathisiert. In dem Facebook-Beitrag fiel unter anderem der Begriff „Judenpack“. In Bezug auf die Israelpolitik der Bundesregierung forderte Viehmann: „Frau Merkel, man sollte dich steinigen, du Vieh“, und weiter: „Ich (…) hoffe, dass hier bald eine Revolution ausbricht und dem ganzen deutschen Politpack der Schädel eingeschlagen wird.“ Gegen Viehmann ermittelt nun die Kasseler Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung.

Diese Aussagen  waren dann sogar dem rechtskonservativen AfD-Vorstandsmitglied und Sprecher Konrad Adam zu viel, der zugleich hessischer Landesvorsitzender der AfD ist. Nach einem Telefonat mit ihm entschied sich Viehmann, die Partei „freiwillig“ zu verlassen – so entging er einem Parteiausschlussverfahren. Das entspricht der von AfD-Vorsitzendem Bernd Lucke vielfach geäußerten Linie, man wolle sich  politisch fragwürdiger, demokratiefeindlicher Mitglieder konsequent entledigen. Um sich ein Bild darüber verschaffen zu können wie ernstgemeint diese Bemühungen wirklich sind, lohnt sich ein Blick auf weitere Vorfälle der letzten Monate.

Streit um die Aufnahmeanträge von Götz Kubitschek und Ellen Kositza

Über den Umgang mit neurechten und rechtspopulistischen Mitgliedern ist man sich selbst innerhalb der AfD uneins. Die interne Zerstrittenheit wurde in diesen Tagen, deutlich, als das neurechten Publizistenehepaar Götz Kubitschek und Ellen Kositza zunächst in die AfD aufgenommen, aber dann nach wenigen Stunden wieder hinausgeworfen wurde. Kubitschek ist ein  Vordenker der „Neuen Rechten“, also dem „intellektuellen“ Zweig der rechtsextremen Szene, und  Herausgeber einer der wichtigsten neurechten Zeitschrift, der „Sezession“. In den letzten Wochen fiel er als Redner bei Pegida- und Legida-Veranstaltungen auf. Seine Ehefrau Ellen Kositza, neben der Arbeit dem rechten Rollenbild gemäß Mutter von sieben Kindern, schreibt regelmäßig Artikel für die „Sezession“ – am liebsten zu Familien- und Genderthemen. Aufgenommen hatte das Paar der Landesverband Sachsen-Anhalt, widersprochen hat der Bundesvorstand der AfD. Eine Begründung für die Ablehnung des Antrages gab es nicht.

Die Entscheidung stieß auf Empörungswellen in der Partei, vor allem im rechtskonservativen Lager, das sich in der so genannten „Patriotischen Plattform“ organisiert. In einer Erklärung postulierte die Plattform: „Die AfD wird entweder mit Götz Kubitschek sein oder sie wird gar nicht sein!“ Die angemessene Reaktion auf seinen Entschluss, die Mitgliedschaft zu beantragen,  wäre sogar gewesen: „ihn zum Hauptprogrammverantwortlichen zu ernennen.“ Die Entscheidung sei „eine Schande für den Bundesvorstand.“

Und auch der AfD-Landesvorsitzende von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, will die Entscheidung nicht hinnehmen.  Da sei „das letzte Wort noch nicht gesprochen.“ Die Entscheidung habe in Sachsen-Anhalt und in benachbarten Landesverbänden „für großen Unmut gesorgt.“

Eine klare Linie für den Umgang mit strittigen Parteimitgliedern und Antragsstellern muss also noch verhandelt werden. Nicht nur Bundesverband und Landesverbände, sondern auch die verschiedenen Flügel innerhalb der Partei sind gespalten und nach wie vor auf der Suche nach einem gemeinsamen Nenner. Förderlich für die allgemeine Glaubwürdigkeit der AfD ist das nicht.

Hans-Thomas Tillschneider und der „Schweinekopf-Anschlag“

Nicht nur in der Parteibasis, sondern auch in den mittleren und oberen Führungsebenen gab es in der Vergangenheit Fälle, die Anlass zum Zweifel am Demokratieverständnis einiger Funktionäre weckten.

In den vergangenen Monaten sorgte etwa Sachsens AfD-Landesvorstandsmitglied Hans-Thomas Tillschneider für Schlagzeilen. Der Islamwissenschaftler Tillschneider ist Mitglied der „Patriotischen Plattform“ und sympathisiert offen mit der Pegida-Bewegung. In einem Artikel der „ZEIT“ vom 17. Dezember 2014 heißt es, Tillschneider „soll bei einer Veranstaltung des AfD-Nachwuchses damit geprahlt haben, er sei mit den Tätern eines ‚Schweinekopf-Anschlags‘ auf den Bauplatz einer Moschee befreundet“. Im Herbst 2013 hatten Unbekannte, vermutlich Rechtsextreme, fünf auf Holzpflöcken aufgespießte Schweineköpfe auf dem Areal der heutigen Ahmadiyya Moschee in Leipzig in den Boden gerammt, und literweise Schweineblut auf dem Gelände vergossen. Die Ermittlungen, die im Februar vergangenen Jahres eingestellt wurden, wurden nun Anfang Januar wieder aufgenommen. Tillscheider bestreitet die Aussage heute zwar, jedoch bleibt abzuwarten, was die weiteren Ermittlungen ergeben.

Europaabgeordnete Beatrix von Storch und die „Demos für alle“

Ein Musterbeispiel für offen menschenfeindliche Einstellungen auch bei höherrangigen Parteimitgliedern sind die zahlreichen Verstrickungen von Funktionär_innen zu Initiativen und Bewegungen, die sich unter dem Deckmantel des Schutzes „konservativer Familienwerte“ in den letzten Monaten immer weiter radikalisierten und durch Polemik und Hetze homophobe und antipluralistische Stimmungen in der Bevölkerung forcierten.

Die prominenteste Akteurin innerhalb dieser Netzwerke ist die AfD-Europaabgeordnete Beatrix von Storch, die sich bei einer AfD-Wahlkampfveranstaltung im Januar 2015 in Hamburg dazu bekannte, im Rahmen des von ihr gegründeten Vereins „Zivile Koalition e.V.“ für die sogenannten „Demos für alle“ verantwortlich zu sein. Diese Demonstrationen, die bisher in Stuttgart und Hannover stattfanden, richten sich gegen die Bestrebungen der Landesregierungen in Baden-Württemberg und Niedersachsen, sexuelle Vielfalt in den Lehrplänen des Sexualkundeunterrichts zu verankern. Die Veranstaltungen, vorgeblich von „besorgten Eltern“ besucht,  erfreuen sich vor allem bei rechten Verschwörungstheoretiker_innen und  radikalen Christen großer Beliebtheit. 

Von einer  „Demo für alle“ in München, die von der Gruppierung „Besorgte Eltern Bayern“ organisiert wurde, distanzierten sich die Veranstalter_innen der Demos in Hannover und Stuttgart, als sich herausstellte, dass die Münchner „Eltern“ mit der NPD-Tarnpartei „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ kooperierten. Nominell distanzierten sich Veranstalter_innen dabei  außerdem „von jedem antisemitischen, rassistischen, rechtsextremen und linksextremen Gedankengut und Organisationen oder Einzelpersonen, die solches Gedankengut vertreten.“ Dieser scheinbar klaren Abgrenzung zu demokratiefeindlichen Einstellungen steht jedoch die Einschätzung des Soziologen Andreas Kemper entgegen, der 2014  im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung eine Studie über die programmatische Verschiebung der AfD von der Anti-Euro-Partei zur Anti-Gender-Partei beschrieb. Darin heißt es, „die Auseinandersetzung um Sexualpädagogik wurde von konservativer Seite nicht nur mit demokratischen Mitteln geführt, sondern ging mit persönlichen Angriffen einher, die in Mord- und Vergewaltigungsaufrufen gegen eine Sexualpädagogin mündeten. Es bedurfte mehrerer Anläufe und ständiger Verlinkungen durch das Kampagnennetzwerk Zivile Koalition e.V. der AfD Europa-Abgeordneten Beatrix von Storch, bis schließlich die Empörungswelle an Wucht gewann.“ Homophobes Gedankengut oder Argumentationen gegen „den Genderwahn“ sind die Art von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, die die „Demos für alle“ prägen.

Und wenn Beatrix von Storch am vergangenen Samstag auf einer Veranstaltung in Eppelheim auf eine Frage in Bezug zu „Gender-Mainstreaming“  antwortete: „Wenn jemand kommt, und den ganz großen Knüppel rausholt und das damit schafft, innerhalb von zwei Tagen zu beenden, bin ich sofort dabei und solange tue ich, was ich kann.“, so  tut sie selbst nicht viel dafür, Zweifel an ihrer demokratischen Grundhaltung zu zerstreuen.

Onlineversand mit rechtsextremem Autor

Im Zusammenhang mit einem im November eröffneten Online-Versandt der AfD zeigt sich ein besonders deutliches Beispiel für die teilweise sehr ungenaue Abgrenzung der Partei zum rechtsextremen Lager. Auf der Plattform „Mir geht ein Licht auf!“ werden zur Aufbesserung der Parteikasse Glühbirnen, Bekleidung, Werbemittel und auch eine Reihe von Büchern zum Verkauf angeboten. Neben Autoren wie Islamfeind Thilo Sarrazin und Verschwörungstheoretiker Udo Ulfkotte tauchte dort bis vor kurzem der rechtsextreme Autor Hans Becker von Sothen auf.

Von Sothen, der im vergangenen Sommer verstorben ist, schrieb regelmäßig für einschlägige rechtsextreme Zeitschriften und pflegte auch persönliche Beziehungen zur Neonazi-Szene. Sein Buch „Bild-Legenden. Fotos machen Politik“, erschien im „Ares-Verlag“, in dem von Sothen selbst neun Jahre lang als Lektor arbeitete. In dieser Zeit erschienen in dem Verlag unter anderem Bücher von aktiven und ehemaligen NPD-Politikern wie Olaf Rose und Thor von Waldstein.  

Obwohl AfD-Pressesprecher Christian Lüth nach Bekanntwerden des Vorfalls klarstellte, dass die AfD als Verkäuferin keine Verantwortung für die Inhalte übernehme, wurde das Buch mittlerweile aus dem Sortiment entfernt. Das wiederum hat die AfD Bayern noch nicht mitbekommen. Auf ihrer Homepage wird nach wie vor auf das Werk hingewiesen.

Umgang mit dem Holocaustgedenken

Durch zwei Vorfälle im Januar  bewies die AfD, dass sie nicht nur mit dem Euro und der Gender-Debatte, sondern auch gelegentlich mit der deutschen Vergangenheitsbewältigung ihre Probleme hat.

So sorgte zum einen die geplante Inschrift für einen Kranz für Aufregung, den die Thüringer AfD zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Buchenwald niederlegen wollte. In der Inschrift sollten die „Opfer des Konzentrations- und Speziallagers Buchenwald“ in einem Satz genannt werden – eine Gleichsetzung der Opfer des Nationalsozialismus (Konzentrationslager) mit denen des Stalinismus (Speziallager).

 „Wir haben solche Kränze nie hingenommen“, so der Stiftungsdirektor Volkhard Knigge. Zuvor hatte sich auch schon die NPD an einer derartigen Geschichtsrelativierung versucht.  Die AfD-Fraktion beschloss daraufhin, die Inschrift noch einmal zu überarbeiten. Die neue Inschrift fiel dann vergleichsweise schlicht aus, der Kranz durfte niedergelegt werden: „In stillem Gedenken!“

Der zweite Vorfall ereignete sich im Dresdner Stadtrat. Dort hat sich Mitte Januar die AfD-Fraktion zusammen mit der NPD gegen die Umbenennung einer Straße nach einem Dresdner Holocaust-Opfer ausgesprochen. Der Vorschlag der Linkspartei, die Straße nach der in Auschwitz ermordeten Rosa Steinhart zu benennen, wurden mit Ausnahme von Dr. Thomas Hartung (AfD) und Andreas Leipscher (NPD) von allen andern Ortsbeiräten angenommen.  In der AfD-Begründung der Ablehung hieß es, durch die Umbenennung der Straße solle ein Zeichen angesichts des Gegenwärtigen Klimas in der Stadt gesetzt werden. 36.900 Bürger würden „damit als potentielle Judenvergaser gegeißelt.“  Es ginge nicht um einen Straßennamen, „sondern um die Durchsetzung von Ideologie!“

Es ist zu vermuten, dass mit den 36.900 Bürgern, die Teilnehmer_innen der Pegida-Demonstrationen gemeint sind.  Warum diese durch die Umbenennung einer Straße als „potentielle Judenvergaser gegeißelt“  würden, wurde jedoch nicht begründet. Ebenso wie die Frage, welche Ideologie  mit dem Gedenken an die Opfer des Holocaust bedient würde.

Die AfD beobachten und hinterfragen

Bei den oben genannten Ereignissen handelt es sich wieder einmal, so sagte es AfD-Vorsitzender Bernd Lucke bereits im Oktober 2014, um „relativ viele Einzelfälle“ (und nicht mal um alle im Januar und Februar 2015). Es bleibt jedem und jeder selbst überlassen, welche Schlüsse er oder sie daraus für die Ausrichtung der Gesamtpartei zieht. Es gilt aber, ihre weitere Entwicklung zu beobachten und kritisch zu hinterfragen – zumal sie nicht zuletzt auch im Parteiprogramm viele rechtspopulistische Einstellungen repräsentiert, die sie für rechte und Rechtsaußen-Wähler_innen attraktiv macht. 

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