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Hass im Internet aktuell (2) – Wo kommt der Hass her?

Was tun gegen den Verfall der Diskussionskultur, den rassistischen Hass, die Bedrohung in Sozialen Netzwerken angesichts der aktuell grassierenden Feindlichkeit gegen Flüchtlinge? In Teil 1 haben wir geklärt, ob es nun aktuell mehr Hass in Sozialen Netzwerken gibt. Heute geht es um die immer wieder interessante Frage: Wo kommt der aktuell wahrnehmbare Hass-Hype her? Schlechte Nachricht: Er kommt nicht aus dem Internet. Und er professionalisiert sich.

 
Aktuelle Titelseite des islamfeindlichen Blogs "Politically Incorrect" (auch PI-News genannt) mit einer "schönen" Mischung aus Pegida, Rassismus und Hetze gegen Flüchtlinge. PI-News ist eine Vervielfältigungsmaschine für rechtspopulistischen Hass seit 2004, und eine sehr beliebte: Der Blog ist seit Jahren immer in den Top 20 der deutschen Blogcharts. (Quelle: Screenshot 24.07.2015)

Wo kommt der Hass her?

Schlechte Nachricht: Er kommt aus den Köpfen der Menschen, und das ist er schon ziemlich lange zu Hause. Noch schlechter: Gerade professionalisiert er sich auch noch. Seit Jahren stellen Forscher_innen fest, dass rund 20 Prozent der Deutschen rechtspopulistischen Einstellungen vertreten – die Vorurteile sind also schon da.  Bei Einzelthemen ist die Zustimmung weit höher: „Die meisten Asylbewerber werden in ihrem Heimatland gar nicht verfolgt.“ (42,1%) (Daten aus: Andreas Zick / Anna Klein: Fragile Mitte – Feindselige Zustände (2014), hier als pdf)

In den letzten Monaten gab es für durchschnittliche Stammtischgrantler_innen aber argumentativ einiges zu lernen, und zwar durch:

Politische Erfolge der AfD (Alternative für Deutschland), die rechtspopulistische Argumentationen noch sagbarer und salonfähiger machte als zuvor die CSU. Damit auch Schulung darin, wie ich eigentlich verfassungsfeindliche und/oder Menscherechte verletzende Hetze so formuliere, dass sie als ein „berechtigtes“ Anliegen erscheint. Pegida und Co.: Große Aufmerksamkeit für Rassismus, Islamfeindlichkeit, Hetze gegen sexuelle Vielfalt, Politik, Demokratie, Medien – zumindest anfangs noch von politischen Eliten „geadelt“ als „Sorgen“, die man „ernstnehmen“ müsste, statt hier klare Kante für Flüchtlinge und Menschenrechte zu zeigen. Hemmschwellen zum neonazistischen Spektrum werden zunehmend aufgeweicht, gerade auch durch persönliche Kontakte, die Rechtsextreme als „nette Nachbarn“ erscheinen lassen. Vielfach mangelnde und wenig klare Reaktion von politischen Eliten (lokal und Bund) führt zu dem Gefühl, dieser Hass gegen Flüchtlinge sei nun sagbar und berechtigt. Der Effekt von Politikern, die dem Hass noch das Wort reden (Bayern, Sachsen), ist besonders zerstörerisch. Offenbar wird hier eine Unsicherheit im Umgang mit Hassrede und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, wenn sie eben NICHT von offenen Neonazis kommt:  Ist auch Alltagrassismus wirklich gefährlich? Aktuell zeigt sich deutlicher als zuvor:  Ja, denn auch rassistische Familienväter werfen Brandsätze auf Flüchtlingsunterkünfte, weil sie sich durch hasserfüllte Diskurse dazu ermächtigt berufen fühlen (Beispiel: Escheburg). Befeuert wird der Hass auf Flüchtlinge auch durch eine miserable Kommunkationsstrategie vor allem auf lokalpolitischer Ebene:  Bürger_innen fühlen sich überrumpelt, weil Entschlüsse erst spät bekannt gegeben werden. Rassistischen Gerüchten wird nicht offensiv entgegen getreten. Willkommensinitiativen werden nicht unterstützt. Dies alles trägt zum lokalen Klima bei. Befeuert wird dies auch durch einige Medien (überregional und lokal), die über Flüchtlinge vor allem als Problem, Kostenfaktor, potenzielle Quelle von Ärger berichten – wie sehr sie in Sozialen Medien als „Beweise“ für Rechtspopulist_innen herhalten, zeigt dies. (Die gute Nachricht allerdings: Viele Medien machen auch viel richtig an dieser Stelle). Der gesellschaftliche Umgang mit Rechtspopulismus spiegelt sich in den Sozialen Netzwerken: Hier gibt es ziemlich viel Spielraum für Hassrede, die nicht offen rechtsextrem oder strafrechtlich relevant ist, wie rassistische, antisemitische, sexistische, homofeindliche Postings.           Offenbar fällt es aktuell vielen „Eliten“ schwer,  sich hier zu positionieren – und damit einen Shitstorm der Menschenfeinde zu riskieren. Dies ist aber wichtig. 

Teil 1: Gibt es im Moment mehr Hass?Teil 2: Wo kommt der Hass nur her?Teil 3: Hass-Karten und der Zusammenhang zwischen Netz und ÜbergriffenTeil 4: Hass-Emails und Agieren der NetzwerkeTeil 5: Was können wir konkret gegen den Hass im Internet tun?Teil 6: Endlich: Mehr saftige Strafen für Hate-Speech im Internet 

Mehr im Internet:

Eine sehr gute Kolumne zum Thema hat gerade Sascha Lobo bei Spiegel Online geschrieben:| Flüchtlingsdebatte im Netz: Mehr Schweiger, weniger SeehoferDas ist besonders schon, weil er schon vor ein paar Wochen sehr gut formulierte Gedanken zum Thema äußerte:| Die Mensch-Maschine: Deutschlands Neonationalismus

Mehr auf netz-gegen-nazis.de:

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