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Alice Weidel Der gravierende Unterschied zwischen konservativ und rechtsradikal

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Wahlkampf der AfD in Brandenburg mit Andreas Kalbitz (ausnahmsweise links), Alice Weidel und Alexander Gauland (rechts)

„Vor allen Dingen für Sachsen gilt nun, dass 60% der Wähler konservativ gewählt haben. Und da wird sich die CDU fragen müssen, ob sie diese Blockadehaltung doch beibehalten möchte,“ so Weidel freudestrahlend am Wahlabend im Interview mit dem Sender Phoenix. 

Die AfD ist „konservativ“?

Tatsächlich haben 32,1 Prozent der Sächs*innen für die CDU abgestimmt, 27,5 Prozent für die AfD. Weidel addiert die Zahlen und sieht ihre eigene Partei als Teil einer angeblich „konservativen“ Mehrheit. Im nächsten Schritt setzt sie die CDU unter Druck. Beide Parteien sind schließlich angeblich konservativ, haben also die gleichen Wähler*innen, mit den gleichen Interessen.  

Wie ein Mantra wiederholt Weidel die Legende von der AfD als „konservative Partei“: „Man wird mit uns reden müssen, als konservative Kraft.“ Die AfD als ganz normale Partei, konservativ, aber trotzdem Teil des demokratischen Spektrums, praktisch auf einer Stufe mit der – sonst so verhassten – CDU. 

Was Alice Weidel ignoriert, ist der klaffende Unterschied zwischen konservativ und rechtsradikal. Gerade die Landesverbände in Sachsen, Brandenburg und Thüringen – auch dort steht in diesem Jahr noch eine Wahl an – werden vom „Flügel“ der Partei dominiert. Diese innerparteiliche Gruppierung wird vom Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ beobachtet. 

Der Journalist und ehemalige Chefradakteur des Focus, Ulrich Reitz, hat sehr genau analysiert, was den Unterschied zwischen konservativen Positionen und denen der AfD ausmacht: „Es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen konservativ und rechtsradikal. Und der besteht in dem Verständnis über das Deutschsein. Ein Konservativer wird ein Patriot sein, ein Nationalist indes kann er nicht sein.“ 

Immer wieder machen Vertreter*innen der AfD klar: Migrant*innen, Menschen mit Wurzeln in einem anderen Land können keine Deutschen sein. Völkischer Nationalismus also, wie der Verfassungsschutz in seinem Gutachten feststellt. Dabei geht es immer um das „Volk“, eine angeblich „reine“, weil geschlossene Gemeinschaft, die – folgt man diesem Narrativ – durch Einwanderung gefährdet wird. Jörg Urban, Spitzenkandidat der AfD in Sachsen und Teil des „Flügels“ formuliert das so: „Ein Volk kann nur die eigene Einigkeit und Freiheit bewahren, wenn es weitgehend homogen bleibt.“ Anders formuliert es der AfD-Bundestagsabgeordnete Marc Jongen: „Der Pass allein macht noch keinen Deutschen.“ Sein Fraktionskollege Stephan Protschka kommentiert einen ZDF-Beitrag, in dem ein schwarzer Tatverdächtiger als Deutscher bezeichnet wird per Twitter mit den Worten: „Es war ein Kenianer, ein #Passbeschenkter, aber kein Deutscher […]“. Oder Alexander Gauland, der im Spiegel sagt; „Eine deutsche oder eine englische Fußballnationalmannschaft sind schon lange nicht mehr Deutsch oder Englisch im klassischen Sinn.“

Konservativ ist die Partei also nicht, aber warum besteht Alice Weidel mit so viel Nachdruck darauf? Eine Erklärung liefert der Soziologe Heinz Bude im Deutschlandfunk: Die Partei beschwöre eine „kulturelle Kampfsituation, wo auf der einen Seite Bürgerlich-Konservative stehen und auf der anderen Seite chaotische Nicht-Bürgerliche.“ 

Drohen und Täuschen

Weidel schreckt nicht vor Drohungen zurück, um ihr Narrativ weiter aufrecht zu erhalten: „Sollte die CDU hier in Sachsen diesen Kurs weiterfahren, uns in die Ecke zu stellen, über ein Viertel der Wähler zu ignorieren und nicht einzubinden, dann wäre das ein schwerer Fehler und die CDU würde bei den nächsten Landtagswahlen noch katastrophaler abschneiden,“ sagt sie im Phoenix-Interview. 

Michel Friedman sagte bei Welt: Die AfD ist „auch gestern demokratisch gewählt worden, das heißt noch lange nicht, dass sie eine demokratische Partei“ ist. Politikberater und Autor Johannes Hillje präzisierte das gegenüber Belltower.News: „Bürgerliche Parteien gehören zum konservativen Teil des demokratischen Spektrums. Teile der AfD stehen eindeutig außerhalb des demokratischen Spektrums.“

Weidel hat recht, wenn sie sagt, dass die mehr als 27 Prozent der Sächs*innen, die eine rechtsradikale Partei gewählt haben, nicht ignoriert werden können. Tatsächlich wird es in den nächsten Jahren zu den größten Herausforderungen für die politische Bildung gehören, diese Menschen, soweit es noch geht, zurück ins demokratische Spektrum zu holen. Dabei ignoriert sie aber das, worum es hier eigentlich geht. Offenbar haben viele – auch junge – Menschen, eine Partei gewählt, die auf Rassismus und Ausgrenzung setzt und die demokratiefeindliche Tendenzen hat. Über die eigentlichen Inhalte und das rechtsradikale bis rechtsextreme Personal der Partei spricht sie nicht. Lieber erzählt sie eine Geschichte der Ausgrenzung, stilisiert die AfD zum Opfer, droht der CDU, aber spricht damit eigentlich die eigenen Wählewr*innen an und bestärkt sie im eigenen Opfernarrativ.

Nichts wissen wollen und Fakten ignorieren

Als Weidel gefragt wird, ob die Partei sich „klarer vom rechten Rand“ distanzieren müsste, ist die AfD-Fraktionsvorsitzende plötzlich ganz ahnungslos: „Was meinen Sie denn mit rechtem Rand? Das verstehe ich zum Beispiel überhaupt nicht.“ Alice Weidel weiß offenbar nichts hierzu, hierzu, hierzu, hierzu, hierzu, hierzu oder hierzu – oder von der rassistischen E-Mail im Reichsbürgerjargon, die sie höchstpersönlich im Februar 2013 verschickt haben soll. Dort hieß es zum Beispiel: „Der Grund, warum wir von kulturfremden Voelkern wie Arabern, Sinti und Roma etc ueberschwemmt werden, ist die systematische Zerstoerung der buergerlichen Gesellschaft als moegliches Gegengewicht von Verfassungsfeinden, von denen wir regiert werden.“ (sic!) 

Noch absurder entwickelt sich das Gespräch, nachdem der Moderator ihr mehrere Vorfälle aufzählt. Weidel: „Ich habe sie gerade nach einem konkreten Beispiel gefragt, dass sie mir nicht nennen konnten.“

Die Taktik geht auf. Die Neonazi-Vergangenheit des brandenburgischen Spitzenkandidaten Andreas Kalbitz wird auf die gleiche Art und Weise wegignoriert. Die Vorwürfe gegen ihn perlen einfach ab. Dabei spielt es auch eine Rolle, dass ihm von Weidel oder auch Gauland durch solche Auftritte der Rücken gestärkt wird. 

Bitte einmal Opferrolle!

Eine der zentralsten Strategien, die in fast jeder Situation angewendet werden kann ist die „Opferrolle“. Weidel schafft es in dem drei Minuten-Interview gleich mehrmals auf diesen Knopf zu drücken: „Es ist der Umgang mit uns als Partei, uns permanent in die rechte Ecke zu stellen und zu diffamieren“. Etwas später: „Es ist eine reine Diffamierungskampagne gegen die AfD.“ Und auch schon in andere Interviews kommt dieses Strategie immer wieder zum Tragen. 

Zum Beispiel in einem Interview mit dem Tagesthemen, am 31. Januar 2018. Damals ging es eigentlich um die Ausschussvorsitzenden der AfD im Bundestag: „Wir müssen uns die Frage stellen, was letztendlich die Gesellschaft spaltet, dass Andersdenkende diskriminiert werden, als Nazis beschimpft werden, als Rechtsausleger, nur weil sie eine rechtswidrige Euro-Rettungspolitik oder eine rechtswidrige Grenzöffnung befürworten [sic! Weidel wollte vermutlich „ablehnen“ sagen], da muss man wirklich sagen, da, da, genau da haben wir es mit Hass zu tun und mit Ausgrenzung.“

Viele Unwahrheiten verstecken sich in diesen wenigen Sätzen – so wurden die Grenzen zum Beispiel nicht geöffnet, sie sind laut EU-Recht offen (auch wenn die Bild etwas anderes behauptet); die Euro-Rettungspolitik wurde vom Bundesverfassungsgericht mehrmals genehmigt – schuldig sind in diesem Narrativ aber trotzdem immer die anderen. Die wahren Demokrat*innen der AfD werden angeblich nur in die „rechte Ecke“ gestellt. Alle die etwas Gegenteiliges behaupten – auch wenn es mit Fakten belegt werden kann – sind automatisch die eigentlichen Gegner*innen der Demokratie. Tatsächlich wird die Partei nicht in die rechte Ecke gestellt, sie steht dort ganz freiwillig und offensichtlich gerne.  
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