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Demokratie in Gefahr Wie rechtsradikale Narrative und Framings der AfD die Debatte verändern

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AfD-Facebook-Post vom 23.04.2019 (Quelle: Screenshot)

Das Framing – was uns „Messer-Einwanderung“ sagen soll

Framing ist ein Werkzeug der strategischen Kommunikation. Sein Zweck ist es, durch die sorgfältige Auswahl der eigenen Worte und Narrative Assoziationen und Kontexte hervorzurufen, die die eigene Einstellung stützen.

Wenn also Gottfried Curio (MdB der AfD) von „Messer-Einwanderung“ spricht und die AfD gleichzeitig im Bundestag eine Anfrage zu Körperverletzungen unter Verwendung von Messern stellt, geht es in erster Linie darum, das Thema Einwanderung mit Messer-Attacken und damit einem Bedrohungsszenario zu verknüpfen. Die AfD unterfüttert dies zusätzlich mit einer „Karte des Schreckens“ auf ihre Homepage. In denselben Kontext ist auch die Behauptung von Uwe Junge (AfD-Vorsitzender in Rheinland-Pfalz) einzuordnen, der im rheinland-pfälzischen Landtag im März 2018 von „importierter Gewalt-Kriminalität“ sprach. Die AfD knüpft damit an ein seit Jahrzehnten verankertes rassistisches Framing des „gewalttätigen Fremden“ an. Dabei findet eine Gleichsetzung von Migration und Bedrohung statt, die sich bspw. in Köthen auf Plakaten unter dem Slogan „Wir sind Chemnitz! Wir wollen keine Messermänner“ wiederfand.

Sinn und Zweck derartiger Aussagen ist es, so häufig wie möglich eine Verbindung zwischen Einwanderung und Kriminalität bzw. Gefahr herzustellen und so im öffentlichen Bewusstsein zu verfestigen. Einmal etablierte Frames haben die Chance, auch über Parteigrenzen hinweg wiederverwendet zu werden. Ein prominentes Beispiel für das erfolgreiche Framing der AfD ist die Übernahme des Begriffs der „Asylindustrie“ durch die CSU. Hier wird das Menschenrecht auf Asyl mit einem gewinnbringenden Geschäft in Verbindung gebracht und als illegitim dargestellt.

Einzelne Ereignisse, die zum jeweiligen Framing zu passen scheinen, werden von der AfD schonungslos ausgeschlachtet und zugunsten einer größtmöglichen Aufmerksamkeit missbraucht.

Ein verbindendes Narrativ – „illegale Grenzöffnung“ und „Volksverräter“

Die Strategie hinter diesen Äußerungen ist Bestandteil eines größeren Narrativs, in dem sich verschiedene Themen der AfD verbinden lassen. Kern dieser Erzählung ist der stark völkisch aufgeladene Widerspruch zwischen „denen da oben“ und „dem Volk“, der sich auch im Wahlkampfslogan „Wir holen uns unser Land zurück“ ausdrückte.

Bestandteil dieses Narratives ist bspw. die Mär der „illegalen Grenzöffnung“ aus dem Jahr 2015. Die besitzt zwar juristisch keine Grundlage, ermöglichte es der AfD jedoch, gegen die humanitäre Entscheidung der Bundesregierung zu polemisieren, ohne auf den ersten Blick rassistisch zu wirken. Konkret behauptet sie, dass die Einreise tausender Schutzsuchender aus Syrien im August 2015 durch eine Entscheidung Angela Merkels ermöglicht wurde. Diese Entscheidung laufe dem Dublin-Abkommen der EU zuwider und sei damit rechtswidrig. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat diese Klage als unzulässig verworfen.

Das Narrativ verschaffte der AfD jedoch Zulauf aus konservativen Kreisen – und zwar von jenen, die mit der humanistisch motivierten Politik der Bundeskanzlerin nicht einverstanden waren, aber keinesfalls als Rassist*innen abgestempelt werden wollten. Der Erfolg des Narrativs zeigt sich abermals an der CSU, deren Parteivorsitzender Horst Seehofer öffentlichkeitswirksam eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Erwägung zog.

Ausgehend von dieser Erzählung entwickelte die AfD verschiedene Framings, bspw. den Ausdruck „Merkels Gäste“, der häufig dann Verwendung findet, wenn ein geflüchteter Mensch eine Straftat begeht. Nach dem Terror-Anschlag am Berliner Breitscheidplatz wurde der Ausdruck dann zu „Merkels Toten“ weiterentwickelt. Ziel des Framings war die vereinfachte und personalisierte Schuldzuweisung für tragische Ereignisse: Kanzlerin Angela Merkel sei schuld. Insbesondere im Bundestagswahlkampf nutzte die AfD diese Behauptung und fuhr eine Kampagne gegen die Bundeskanzlerin unter dem Titel „Eidbrecherin“.

In deren Kern stand die Behauptung, Merkel habe den bei ihrem Amtsantritt geleisteten Eid gebrochen, die deutsche Bevölkerung vor Schaden zu bewahren.

Diese Personalisierung ist ein besonders wichtiges Merkmal der Narrative und des Framings der AfD. Anstatt politische Zusammenhänge hinter Entscheidungen nachzuvollziehen, werden eindeutige Schuldige gesucht und markiert. Die Dämonisierung einzelner Personen führt dazu, dass die Geschichten der AfD wesentlich emotionalisierender sind und gleichzeitig Grenzüberschreitungen provozieren – etwa die Miniatur-Galgen bei einer „PEGIDA“-Demonstration im Jahr 2015 für namentlich benannte „Volksverräter“. Zugleich wirken politische und gesellschaftliche Entwicklungen dadurch einfach umkehrbar.

Wenn die AfD und ihre Unterstützer*innen davon ausgehen, Migration, Pluralismus und Geschlechtergerechtigkeit seien nur die Schuld der „links-grün-versifften 68er“, lassen sich diese Entwicklungen womöglich mit einem Schlag revidieren, wenn man nur jene los wird, die dafür verantwortlich sind.

Der Kampf gegen „Gender“ und Heterogenität

Ein weiteres prominentes Framing der AfD verbindet die Abwertung von Migrant*innen und Menschen, die als solche wahrgenommen werden, mit einem tiefsitzenden rückwärtsgewandten Geschlechterverständnis der AfD. Hier kombiniert sich das rassistische Narrativ der Bedrohung mit einem patriarchalen Herrschafts- und Besitzanspruch auf „unsere Frauen“. Hintergrund des Framings ist eine antifeministische Haltung: Gleichstellung, Gleichberechtigung und die gewachsene Anerkennung von verschiedensten Lebensentwürfen werden von Rechtsradikalen immer offensiver angegriffen und diffamiert. Forderungen nach mehr Gleichberechtigung werden ins Lächerliche gezogen und wissenschaftliche Bemühungen als „Gendergaga“ oder „Genderideologie“ verächtlich gemacht. Insbesondere der Begriff „Genderideologie“ wird häufig in größere verschwörungstheoretische Erzählungen eingebettet, aus denen ein „Angriff“ auf die Bevölkerung konstruiert wird.

Dieser Vorstellung folgt auch die Geschichte vom „großen Austausch“. Hierbei handelt es sich um ein Narrativ mit starken verschwörungstheoretischen Bezügen: Angeblich existiere ein Plan des Establishments, das deutsche Volk durch Migration zu ersetzen. Ausgangspunkt dieses Narratives ist die „neu“rechte Idee homogener Völker, die sich und ihre Kultur nur erhalten können, wenn jede Form der Mischung unterbunden wird. Aus dieser Perspektive wird alles „Fremde“ oder als fremd eingebildete zur Bedrohung, gegen die es sich zu verteidigen gilt. Die Behauptung, Europa sei von einer Islamisierung bedroht, ist fester Bestandteil dieses Narrativs und erweitert das ethnische Element des „großen Austauschs“ um einen kulturellen Aspekt.

In diesem Narrativ schreiben sich die Rassist*innen selbst die Rolle des Opfers zu – die Bedrohung gehe schließlich von den verschworenen Eliten aus. Dies ermöglicht eine Täter-Opfer-Umkehr, die bspw. von Hans-Jörg Müller, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, zur Verteidigung der Ausschreitungen im August 2018 in Chemnitz verbreitet wurde. Müller schrieb, er sei stolz auf die Proteste, die Gegendemonstrant*innen beteiligten sich am „Genozid an uns Deutschen“ und seien „unverbesserliche, verblendete antideutsche Rassisten“. Die „einfachen Bürger“ aus Chemnitz hingegen verteidigten aus seiner Sicht Demokratie und menschliche Werte.

Der Widerstand gegen politische Korrektheit

Ein wichtiger Baustein in der Kommunikation sowohl der AfD als auch der sogenannten „Neuen“ und extremen Rechten liegt quer zu den geschilderten Narrativen. Es schafft gewissermaßen die Voraussetzung, um den übrigen Narrativen Gehör zu verschaffen. Während in vielen Teilen der Gesellschaft Diskriminierung als Problem anerkannt und ihre Vermeidung als etablierter Fortschritt des Zusammenlebens verstanden wird, kämpfen AfD und andere radikale Rechte vehement gegen „politische Korrektheit“. Sie fordern nicht weniger als das Recht, Menschen zu diskriminieren, und inszenieren sich dabei als Verteidiger der Freiheit gegen „Sprachverbote der Eliten“. Es handelt sich bei diesem Narrativ also um eine bewusste Umdeutung von Maßnahmen, die Ungleichheit in der Gesellschaft reduzieren sollen, hin zu Maßnahmen zur angeblichen „Unterdrückung“.

Umdeutung wissenschaftlicher Erkenntnisse –  der Klimawandel

Neben sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen, bspw. über Diskriminierung und ihre Wirkung, weitet sich die Abwehr wissenschaftlicher Forschungsresultate zunehmend auf die Naturwissenschaft aus. Ein besonders prominentes Thema ist die Umdeutung des Klimawandels. Der menschgemachte Klimawandel existiert der AfD zufolge nicht. Die Energiewende sei kontraproduktiv: So behauptete die Partei in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017, die „gesundheitliche Schadwirkung“ durch den „Schattenschlag“ von Windkrafträdern sei „gravierend“. Aussagen wie diese ignorieren die wissenschaftliche Forschung und dienen der Abgrenzung gegenüber ökologischen Politiken und Maßnahmen. Verbreitet ist das Narrativ unter sogenannten „Klimaskeptikern“, zu denen sich die AfD auch zählt.

 

Titelbild der Broschüre „Demokratie in Gefahr. Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD“, Berlin 2019

Dieser Text ist ein Auszug aus der neuen Broschüre der Amadeu Antonio Stiftung.

Amadeu Antonio Stiftung (Hrsg.):

Demokratie in Gefahr. Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD.

Berlin 2019

Zu beziehen hier: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/publikationen/demokratie-in-gefahr/

Als PDF: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wp-content/uploads/2019/08/PM_AfD_Handreichung.pdf

 

Aus der Broschüre auf www.belltower.news:

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