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Desinformationskrieg Aus dem Osten nichts Neues?

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(Quelle: Unsplash)

Verschwörungsideolog:innen wie Oliver Janich und Eva Hermann scheinen sich in der Rolle der Kriegsberichterstatter:innen neu zu definieren und verbreiten mit unglaublicher Schlagzahl mehrmals täglich Falschinformationen über den Angriffskrieg. Der Kern ihrer Haltung bleibt dabei einseitig gleich: Der Westen und allen voran die NATO tragen Schuld an der Gewalteskalation, wahre Einbußen und Verluste würden nicht etwa die Ukrainer:innen verzeichnen, sondern die Deutschen. Der Fokus auf das deutsche Leid im Krieg soll Geschichtsrevisionist:innen anziehen und fungiert als Anbiederung an ein erzkonservatives und sogar souveränistisches Milieu. Deutschland stünde durch Lebensmittelverknappung, Hyperinflation und Deindustrialisierung kurz vor dem Ende.

Screenshot aus dem Telegramchannel von Markus Haintz

 

Gleichzeitig würden externe Mächte negativ auf das Land einwirken, allen voran die NATO, die –wie Markus Haintz (Ex-„Querdenker”, heute libertärer „Pazifist”) behauptet – dafür erschaffen wurde, um Deutschland „unten zu halten”.

Andere Akteur:innen bevorzugen es dann doch lieber über Altbekanntes zu sprechen und bemühen hartnäckig immer noch die Erzählung über Biowaffenlabore in der Ukraine. Das österreichische, rechtspopulistische Blatt Wochenblick schafft es sogar COVID-19 mit diesen Laboren in Verbindung zu bringen, was der alten „COVID wurde in einem Labor in China gezüchtet”-Theorie mächtig Konkurrenz macht.

Die „COVID-19 stammt aus der Ukraine”-Neuerung lässt sich auf eine Veröffentlichung der russisch kontrollierten Sputnik News zurückführen. Das propagandistische Nachrichtenportal der russischen Regierung hatte am 12. Mai ein Schaubild des russischen Verteidigungsministeriums veröffentlicht, dass die Obama / Biden Administrationen und diverse amerikanische Pharmaunternehmen mit der Ukraine in Verbindung bringen.

Screenshot aus dem Telegramkanal von Oliver Janich

Zwar wirft das Schaubild des russischen Verteidigungsministeriums mehr Fragen auf, als es beantwortet, eine Steilvorlage für Verschwörungsgurus wie Janich und co. ist es jedoch allemal. Denn spätestens seit Beginn der weltweiten Lockerungen der Maßnahmen gegen die Corona-Ausbreitung, gehen den Verschwörungsgläubigen die Ideen aus, mit denen sie ein breites Publikum nachhaltig emotionalisieren können. Deswegen wird auf altbewährte Strategien zurückgegriffen, um mittels der Instrumentalisierung von COVID-19 für Empörung zu sorgen. Neu ist lediglich nur, dass Verschwörungsgläubige die Mittäterschaft der Ukraine suggerieren, um vom russischen Angriffskrieg abzulenken.

Die pro-russische Lesart des Krieges durchzieht fast alle Milieus, mit einigen wenigen Ausnahmen, wie etwa dem corona-skeptischen Journalisten Boris Reitschuster. Der ist tatsächlich Russland-Experte, vor seiner Karriere im „Querdenken”-Milieu leitete er von 1999 bis 2015 das Focus-Büro in Moskau. Reitschuster versucht verzweifelt in Livestreams den radikalisierten Verschwörungs-Mob über den russischen Angriffskrieg und Putins Täterschaft aufzuklären, doch die Rezipient:innen zeigen sich beharrlich unbeweglich und in den Kommentaren oft unbeeindruckt von den Ausführungen ihres ehemaligen Idols.

Screenshot aus dem Telegramkanal von Bodo Schiffmann.

Andere Verschwörungsgläubige lassen währenddessen eher vermuten, sie hätten einen Schnellkurs in russischer Informationskriegsführung erhalten. So auch der Querdenken-nahe transphobe „Schwindelarzt” Bodo Schiffmann, der das Geschäft mit pro-russischer Propaganda für sich kapitalisiert. Schiffmann berichtet zum wiederholten Mal, dass der dritte Weltkrieg schon im vollen Gange sei. So teilt er auch einen Mitschnitt aus einer Talkshow des russischen Staatssenders Channel 1 in dem es heißt: „Vielleicht ist die Zeit gekommen zuzugeben, möglicherweise, dass Russlands Spezialoperation in der Ukraine beendet ist, in dem Sinne, dass ein echter Krieg begonnen hat, außerdem ist es der Dritte Weltkrieg. Wir sind gezwungen, nicht nur die Ukraine zu entmilitarisieren, sondern die ganze Nato.

QAnon nahe Akteur:innen wie etwa „Alexander” von „Frag uns doch”, einem deutschen QAnon-Telegramkanal mit fast 140.000 Abonnent:innen, berichtet in einer längeren Sprachnachricht über sogenannte DUMBS, also unterirdische Bunkerstädte, die unterhalb des Azowtals verlaufen würden. Diese würden seit Wochen von Donald Trumps Vertrautem, Wladimir Putin offengelegt werden – und die Gefangenen in einer Befreiungsaktion geborgen. Solche Botschaften erfreuen sich zwar unter Q-Anhänger:innen großer Popularität, aber sind selbst für patentierte Verschwörungsideolog:innen dann doch zu wahnhaft, um größere Verbreitung zu erfahren.

Schließlich und endlich sitzt auch noch Hermann Popp, Eva Hermanns Partner, im Auge des verschwörungsträchtigen Sturms und prophezeit den Untergang der Menschheit. So spricht er in einem Video-Interview mit dem österreichischen Verschwörungssender „Auf 1” über eine sogenannte „vierte Industrielle-Revolution”, die von Klaus Schwab – dem Gründer des Weltwirtschaftsforums – angeführt werde und die es sich zum Ziel gemacht habe, die Menschheit verhungern zu lassen, um sie anschließend endgültig zu beseitigen. Natürlich gelinge die Umsetzung der „vierten industriellen Revolution” nur durch die Schwächung Russlands und Europas mittels einer Konflikt-Inszenierung in der Ukraine. Putins Russland spiele nach Popp eine wichtige Rolle im Widerstand gegen diesen „Great Reset”. Da scheint er sich mit seiner Partnerin und Grand-Dame der Verschwörungstheorie, Eva Hermann, ziemlich einig zu sein: Putins Befreiungsplan bestehe laut Hermann aus einem Great Reset gegen den von US-Präsident Biden und Schwab orchestrierten Great Reset. Also quasi eine Art guter Great Reset, böser Great Reset. Am Ende, hoffen Popp und Hermann auf eine Art „Neue-Neue Weltordnung” in der Russland die Welt regiert und in der die liberale Demokratie überwunden würde.

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