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Jahresendlisten Top 5 der Einzelfälle, Chatgruppen und Waffenfunde 2020

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Diese Top 5-Jahresendlisten sind kaum zum Aushalten. 2020 kann wirklich weg. (Quelle: Flickr.com/ Brandon Grasley / CC by 2.0)

 

 


Top 5 Einzelfälle des Jahres

1. Bodo Pfalzgraf, Landesvorsitzender der „Deutschen Polizei Gewerkschaft“ (DPolG) in Berlin (das ist die noch rechtere der zwei größten Polizeigewerkschaften), war – Überraschung! – Mitglied der rechtsradikalen Partei „Die Republikaner“. Kurz nach seinem Austritt Anfang der 1990er wurde die Partei vom Verfassungsschutz beobachtet. Doch da hört die Geschichte nicht auf: Pfalzgraf war auch Mitglied des rechtsextremen „Hoffmann von Fallersleben Bildungswerks“ – ein Sammelbecken für rechtsradikale Kader und Nationalisten. Einige Funktionäre des Bildungswerkes hatten sogar Kontakte zum NSU. Pfalzgraf war einer der Gründungsmitglieder des Vereins. Belltower.News berichtete.

2.  Der 51-jährige Polizei-Mitarbeiter Torsten W. aus Hamm soll die rechtsterroristische „Gruppe S.“ finanziell unterstützt haben und bei Planungstreffen zur Beschaffung von Waffen anwesend gewesen sein. Trotz Reichsbürger-Stickern und „Thor Steinar“-Pullis konnte der Verwaltungsbeamte jahrelang im Polizeipräsidium Hamm arbeiten. Recherchen von WDR und der Süddeutschen Zeitung zufolge soll er außerdem auf vertrauliche, dienstliche Erkenntnisse zur Reichsbürgerszene zugegriffen haben. Die „Gruppe S.“ plante Anschläge auf Politiker*innen, Asylbewerber*innen und Muslim*innen. Weihnachten verbringt Torsten W. nun in Untersuchungshaft. (vgl. WDR)

3. Auf Polizeicomputern in Wiesbaden und Frankfurt wurden persönliche Daten von Journalist*innen, Politiker*innen und Kabarettist*innen abgefragt worden, die später Drohschreiben mit der Unterschrift „NSU 2.0“ bekamen. Belltower.News berichtete. Wer hinter den Schreiben steckt, bleibt noch unklar. Mehrere Polizist*innen wurden allerdings bereits vom Dienst suspendiert. Ähnliche Abfragen gab es in Hamburg und Berlin. (vgl. WDR)

4. Der Chef des Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, beschäftigte einen Rechtsradikalen als Personenschützer. Dieser gehörte bei seiner Einstellung noch der rechtsextremen und paramilitärischen Prepper-Gruppe „Uniter“ an, die als Teil des Hannibal-Netzwerkes gilt. Berliner Sicherheitskreise sprechen von einer „schweren Panne“. (vgl. Focus)

5. Ein Kriminalbeamter im oberbayerischen Traunstein, dessen Fachbereich ausgerechnet der „Staatsschutz“ ist, dekorierte sein Büro mit zehn Hakenkreuzen, zwei Hitlerbildern, einer SS-Rune und einer großen Reichkriegsflagge. Er soll auch einen Kollegen gedeckt haben, der eine volksverhetzende Nachricht in einer Chatgruppe geschickt hat. Nun steht er vor Gericht. (vgl. Süddeutsche Zeitung)


Top 5 der aufgedeckten rechtsextremen Chatgruppen der Polizei

1. Im September gab es Durchsuchungen bei 31 Polizeibeamt*innen in Nordrhein-Westfalen, die in fünf privaten Whatsapp-Gruppen über Jahre rechtsextreme Propaganda inklusive Hitlerbildchen und Hakenkreuzen ausgetauscht haben. Alle 31 wurden suspendiert. Inzwischen wird gegen fast 200 Mitarbeiter*innen der Polizei in NRW alleine ermittelt. Und somit wird das Bundesland dieses Jahr Deutschlandmeister der rechtsextremen Polizeichatgruppen. (vgl. Spiegel, Tagesschau)

2. Das ARD-Magazin Monitor deckte im Oktober 2020 eine rassistische Chatgruppe der Berliner Polizei auf: Hier schickten Beamt*innen über mehrere Jahre neben alltäglichen Nachrichten über Brotbestellungen rassistische Inhalte, Hass auf Andersdenkenden und offene Gewaltphantasien. Zum Beispiel wird über einen „Gesinnungstest“ für die Aufnahme bei der Polizei gescherzt: „Erschießen Sie sechs illegale Einwanderer“. Die Gruppe hatte mehr als 25 Mitglieder. (vgl. Tagesschau)

3. In einer Chatgruppe von Berliner Polizei-Studierenden mit 26 Mitgliedern wurden Hakenkreuze, holocaustverharmlosende Nachrichten sowie rassistische Hetze gegen Asylsuchende gepostet. Sechs der Studierende wurden suspendiert und durften ihre Ausbildung an der Hochschule für Recht und Wirtschaft nicht fortsetzen. (vgl. taz)

4. Zwei Polizist*innen in Mecklenburg-Vorpommern wurden im September vom Dienst suspendiert, nachdem sie antisemitische und NS-verherrlichende Nachrichten in einer rechtsextremen Chatgruppe verschickten. Derzeit wird gegen 17 Beamt*innen und einen Tarifangestellten im Bundesland wegen der Verbreitung von rechtsextremem Gedankengut in Chatgruppen ermittelt. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) sagte zu dem Vorfall: „Solch ein Verhalten ist abscheulich und beschämend für die Landespolizei…Die Zeit, in der wir von Einzelfällen reden, ist vorbei.“ Er hatte Recht: Im November musste Caffier sein Amt niederlegen, nachdem bekannt wurde, dass er eine Waffe von einem ehemaligen Mitglied der rechtsextremen Gruppe „Nordkreuz“ kaufte. (vgl. Welt, taz)

5. Rechtsextreme Chatgruppen sind nicht nur ein Phänomen bei der Polizei: Auch Verfassungsschützer tippen am Handy fleißig mit. In der Hochburg von rechtsextremen Einzelfällen in den Behörden, NRW, verschickten drei Mitarbeiter*innen des Verfassungsschutzes rassistische und islamfeindliche Nachrichten in einer Chatgruppe. Das Brisante dabei: Die drei Mitarbeiter waren unter anderem für die Beobachtung von Rechtsextremen zuständig. (vgl. Tagesschau)


Top 5 Waffenfunde des Jahres

1. Es war der größte Waffenfund in der rechtsextremen Szene seit Jahrzehnten: Nach vier Durchsuchungen in Österreich wurden 76 voll- und halbautomatische Waffen (inklusive Uzi, Scorpion und AK47), 14 Pistolen und Revolver, sechs Handgranaten, Sprengstoff und Zünder, und bis zu 100.000 Schuss Munition entdeckt. Oder genauer gesagt: So viel Munition, dass die Polizei sie nicht mehr zählen konnte, sondern abwiegen musste. Der Hauptverdächtige: Ein vorbestrafter Neonazi, Peter B. Die Waffen sollen für den Aufbau einer „rechtsextremen Miliz“ in Deutschland gedacht worden sein. Belltower.News berichtete.

2. Auf dem Privatgelände des mutmaßlich rechtsextremen KSK-Soldaten Philipp S. im nordsächsischen Collm wurden im Mai Waffen, Munition und Sprengstoff sichergestellt. In mehreren Kisten wurden eine Kalaschnikow, Sturmgewehre, Granaten, Schalldämpfer, mehrere Tausend Schuss Munition, zwei Kilogramm Plastiksprengstoff, sowie weitere Waffen und Waffenteile sichergestellt. Auch rechtsextreme Bücher und Kleidung mit NS-Motiven wurden gefunden. Nach dem Waffenfund entscheid Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die zweite Kompanie des KSK aufzulösen – Belltower.News berichtete. Von der Bundeswehr wird aktuell noch 60 Kilogramm Sprengstoff, Waffenrohre, Panzerfäuste, Maschinengewehre und über 70.000 Schuss Munition vermisst. (vgl. MDR, Tagesschau)

3. Ein Arsenal von 250 scharfen Schusswaffen und mehreren Tausend Schuss Munition wurden bei einem mutmaßlich Rechtsextremen nahe Hamburg in Niedersachsen gefunden, darunter auch Kriegswaffen. Das würde reichen, um zwei Hundertschaften zu bewaffnen. Bei Razzien im rechtsextremen Milieu liegt Niedersachsen aktuell eindeutig vorne: Zwischen März 2019 und Juni 2020 gab es im Bundesland 65 Hausdurchsuchungen bei Angehörigen rechtsextremer Organisationen – oder ungefähr einmal pro Woche. Bei der Hälfte aller Durchsuchungen wurden Waffen oder Brand- und Sprengmittel gefunden (vgl. ZDF, NDR).

4. Im Oktober wurde eine Waffensammlung in Bayern und Baden-Württemberg gefunden, die so umfangreich war, dass 400 Beamt*innen nicht in der Lage waren, sie abzutransportieren. Zusätzlich musste die Polizei einen Lkw anfordern. 17 Wohnungen in den Landkreisen Rems-Murr, Augsburg, Esslingen, Biberach, Kempten, Sigmaringen, Tübingen, Ostallgäu und Ostalb wurden durchsucht. Gefundene Symbole und Uniforme legen einen rechtsextremen Hintergrund der Gruppierung nahe, so Ermittlungsbehörden. Anlass der Durchsuchung war ein anonymer Tipp: Einige der Tatverdächtigen sollen sich bewaffnet in Wehrmachtsuniformen in einem Gebäude im baden-württembergischen Landkreis Biberach getroffen haben. Später sollen sie im Wald Krieg gespielt haben. (vgl. FAZ)

5. Bei einem mutmaßlich rechtsextremen Bundeswehr-Reservisten im niedersächsischen Wriedel wurden etliche Waffen, eine Panzergranate und eine Handgranate sichergestellt. Der Mann arbeitete in einer Werkstatt in einer Kaserne in Munster im Heidekreis. Auch eine Liste mit Telefonnummern, Adressen und anderen privaten Daten von 17 deutschen Spitzenpolitiker*innen und Prominenten wurde gefunden. Auf seinem Handy wurden zwei Chats mit anderen Rechtsextremen entdeckt. Der Mann soll sofort aus einem laufenden Einsatz als Reservist genommen worden sein. (vgl. Süddeutsche Zeitung)

Das Titelbild wurde veröffentlicht unter der Creative Commons-Lizenz CC by 2.0

 

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