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Jahresrückblick 2019 – Hamburg Die NPD inszeniert sich und Michel soll aufwachen

Was wird uns von 2019 in Erinnerung bleiben? Für den Belltower.News-Jahresrückblick befragen wir zivilgesellschaftliche Initiativen und Akteur*innen über die Situation in ihrem Bundesland. Heute: Hamburg mit dem Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus Hamburg.

 
29.09.2019, Hamburg: Der Redner Hartmut Issmer spricht auf einer laut Verfassungsschutz von Rechtsextremen organisierten Kundgebung unter dem Motto "Michel, wach endlich auf".

Auch im Jahr 2019 blicken wir auf verschiedene Aktivitäten des rechten Spektrums zurück. Zunächst sei allerdings darauf verwiesen, dass die Ausprägungen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt als Ausdruck der gesellschaftlichen Machtverhältnisse zu verstehen und aus unterschiedlichsten Gründen weder passend in Zahlen abzubilden, noch zwangsläufig stets  rechten Strukturen und Akteur_innen  zuzuordnen sind.

Nehmen wir allerdings jene Strukturen in Hamburg in den Blick, stellen wir fest, dass insbesondere die extreme Rechte in Hamburg auffällig war. Die NPD fiel durch wiederholte Einschüchterungs- und Raumnahmeversuche auf. Die sich als Bürgerwehr inszenierende „Schutzstreife“ bewegte sich zwar auch, aber nicht ausschließlich im Hamburger Nord-Osten. Im ersten Quartal des Jahres wurde offenbar nachts das Gelände einer Unterkunft für Geflüchtete begangen, Klingelschilder und Wohneinheiten wurden abfotografiert. Anschließend wurden, wie auch bei anderen vergleichbaren Aktionen der Hamburger NPD, entsprechende Bilder in den Sozialen Medien präsentiert. Es liegen fundierte Einschätzungen vor, dass sich die NPD bei diesen Aktionen Settings aussucht, bei denen sie möglichst ungestört agieren (nachts unter der Woche, beispielsweise) und öffentlichkeitswirksame Bilder für die Selbstinszenierung im Netz gewinnen kann.

Dennoch haben solche Aktionen einen Agitations- und Mobilisierungscharakter, der einer Sichtbarkeits- und Raumnahmestrategie zuzuordnen ist. Ferner zeigen andere Aktionen, dass die NPD zunehmend offener in der Öffentlichkeit auftritt. So fuhr ein Leihwagen kurz vor den Europawahlen im Mai mit NPD-Plakatierung und Lautsprecheranlage durch die Bezirke Mitte und Wandsbek und beschallte die Umgebung rassistischen und antisemitischen Parolen. Ferner fiel sie, wie auch in der Vergangenheit, durch rassistisch-hetzerische und Holocaust-verhöhnende Wahlplakatierungen auf. Im Oktober führte die NPD eine Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude anlässlich der Gerichtsverhandlung eines SS-Wachmannes durch. Das zentrale Event der NPD im Jahr 2020 wird voraussichtlich die von der Partei Die Rechte angemeldete Demonstration am 1. Mai in Bergedorf sein.

Im Jahr 2018 machte die rechte Kundgebungsreihe „Merkel-Muss-Weg“ auf sich aufmerksam. Im Jahr 2019 setzte sich diese mit der Folgeveranstaltung „Michel, wach endlich auf“ fort. 2019 waren dort viele verschiedene Akteure des rechten Spektrums zu sehen. Die „Wach-Auf!“-Metapher ist ein beliebter Slogan in  rechten Zusammenhängen und wird seit jeher an unterschiedlichster Stelle mit minimalen kontextbezogenen Abänderungen erprobt. Was hierbei jedoch häufig nicht benannt wird ist, dass es sich bei dieser deutschlandbezogenen Aufwach-Metapher an eine NS-Anleihe („Deutschland erwache“!) handelt, die im sog. „Sturmlied“ der SA auftaucht und seitdem zu einem klassischen Stilmittel rechter Mobilisierungsrhetorik avancierte.

Außerhalb der Stadtgrenzen bildete sich der sogenannte Aryan Circle in Schleswig-Holstein, der von wegen Gewalt- und Tötungsdelikten verurteilten Neonazis organisiert wird und versucht Jugendliche anzuwerben. Neben gewalttätigen Übergriffen in Schleswig-Holstein sind in Hamburg vermehrt Aufkleber dieser Gruppierung gefunden worden. Ihre Mitglieder nahmen, ebenso wie Funktionäre und Mitglieder der AfD, mehrfach an der oben genannten Veranstaltung teil.

 

Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Hamburg:

https://hamburg.arbeitundleben.de/mbt

 

Jahresrückblicke 2019 aus den einzelnen Bundesländern

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