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Jahresrückblick 2019 – Rheinland-Pfalz Der Prozess gegen das Aktionsbüro Mittelrhein endet, Nazi-Aktivitäten nicht

Am 26.02.2019 im Landgericht Koblenz wartet Sven Skoda, einer der Angeklagten im Prozess gegen das "Aktionsbüro Mittelrhein", auf den Beginn des Verfahrens. Sein Shirt trägt die Aufschrift "Kampf der Nibelungen - Disziplin ist alles!". Später kann er sich freuen: Im September wird das Verfahren gegen ihn wegen Geringfügigkeit eingestellt. (Quelle: picture alliance/Thomas Frey/dpa)

Was waren die wichtigsten Ereignisse in Rheinland-Pfalz 2019 bezogen auf Rechtsextremismus und/oder Rechtspopulismus? 

KANDEL

Als sich 2018 die Proteste in Kandel entwickelten gab es zwei extrem Rechte Protestbündnisse: das von AfD Personen initiierte Kandel ist überall sowie das Frauenbündnis Kandel. 2019 waren vor allem das Frauenbündnis Kandel weiterhin mit regelmäßigen Demonstrationen auffallend. Dabei konnte das Bündnis nicht an die Mobilisierungserfolge von Anfang 2018 anknüpfen. Demonstrationen werden teilweise in umliegende Städte wie Landau verlegt. Trotz abnehmender Beteiligung und auch dem vorläufigen Aussetzen weiterer Demonstrationen konnte das Frauenbündnis Kandel einen stabilen Kreis von Unterstützer*innen aufbauen.

REMAGEN

Zum mittlerweile 11. Mal in Folge fand am 16.November der größte Neonazi-Aufmarsch in RLP statt. 2009 noch von Neonazis aus dem Umfeld des Aktionsbüros Mittelrhein initiiert, marschierten dieses Jahr fast ausnahmslos Neonazis aus dem Umfeld der Kleinstpartei Die Rechte in Remagen auf.  Nachdem aber bereits am Versammlungsort der Neonazis eine unbekannte Flüssigkeit gefunden wurde, die von der Feuerwehr zunächst entfernt werden musste, sahen sie sich einer neuen Art der Blockade ausgesetzt: Aktivist*innen hatten die Bäume entlang der vorgesehenen Route besetzt. Die Neonazis mussten umkehren und einen Umweg einschlagen, später folgten weitere kleine Blockaden von Gegendemonstrant*innen. Mit erheblicher Verzögerung erreichten die Neonazis ihre Zwischenkundgebung für das an ein NS-Ritual angelehnte „Heldengedenken“. Auch dieses wurde durch lauten Protest eines breiten Bündnisses u.a. vom Bündnis für Frieden und Demokratie Remagen und dem DGB begleitet. Auch die Demonstration des Bündnis NS-Verherrlichung stoppen schlossen sich dieser Kundgebung an.  Insgesamt beteiligten sich etwa 900 Gegner*innen an den Gegenaktionen – für Remagen eine positive Entwicklung. Der rechtsextreme Aufmarsch selbst hat bereits nachgelassen: einige namhafte Akteur*innen waren nicht vor Ort; der Ablauf war nicht so straff strukturiert wie sonst. Es kamen etwa 130 Teilnehmer*innen der Extremen Rechten nach Remagen; etwa halb so viele wie noch 2017.

Nach der Demonstration kam es am Abend zu Ausschreitungen am Bonner Hauptbahnhof: Eine Gruppe Antifaschist*innen auf der Abreise wurde von einer Gruppe Neonazis am Aussteigen gehindert und in der Regionalbahn angegriffen. Laut Presseberichten sollen in Bonn 80 bis 100 Antifaschist*innen auf rund 20 Neonazis getroffen sein.

RUSCHBERG

Im Juli fand auf dem Gemeindegelände in Ruschberg ein Sommerfest des sich so nennenden „Freikorps Deutschland“ in Zusammenarbeit mit Die Rechte RLP und dem Nationalen Widerstand Zweibrücken sowie der Kameradschaft Rheinhessen statt. Der DGB organisierte zeitgleich eine Gegenveranstaltung in Baumholder. Im Nachgang zu diesem Sommerfest, wurde in der Region verstärkt über rechtsextreme Gruppierungen und den Umgang mit diesen diskutiert. Es entstand eine sehr engagierte Bürgerinitiative Ruschberg – Mut gegen Rechts.

 

Was waren die wichtigsten Themen der Extremen Rechten?

Die Kameradschaft Nationaler Widerstand Zweibrücken organisierte im März einen geschichtsrevisionistischen Fackelmarsch in Zweibrücken mit Unterstützung der Partei Die Rechte Rheinhessen. Neben etablierten Gegendemonstrant*innen, wie dem Bündnis Buntes Zweibrücken, nahm erstmals auch eine große Gruppe Schüler*innen von Zweibrücker Schulen und der IGS Contwig an einer Gegendemo teil, um ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen.

Am 17.08.19 fand zum Todestag von Rudolf Hess bereits zum zweiten Mal eine Gedenkdemo in Ingelheim statt.

Es gab kaum nennenswerte Aktionen der NPD in RLP, außer sogenannter Schutzzonen-Aktionen, bei denen sich Personen in rote Warnwesten kleiden und bspw. bei Weinfesten durch die Straßen patrouillieren. Nach Angaben des Verfassungsschutzes veranstalteten vor allem der Kreisverband Westpfalz solche Aktionen.

Umso mehr Agitation gab es 2019 seitens der AfD. Die AfD störte die Arbeit von Initiativen mit kleinen Anfragen und versucht gezielt die antifaschistische Arbeit zu delegitimieren. Besonders zu nennen ist das betont aggressive Auftreten einzelner Mitglieder der AfD, das sich insbesondere in schriftsprachlicher Form innerhalb der sozialen Netzwerke im Internet (Facebook) bemerkbar machte. Nicht unerwähnt soll dabei die Affäre um Joachim Paul (AfD Stadtratsmitglied Koblenz) bleiben, der im Verdacht steht, unter dem Pseudonym Karl Ludwig Sand für ein NPD-nahes Magazin geschrieben zu haben.

Teilweise wurden Verbindungen einzelner Mitglieder der Jungen Alternative zur Identitären Bewegung bemerkt. Die Sympathien der AfD Westerwald für den Höcke-Flügel sind offensichtlich. Unter anderem nahmen Mitglieder des Kreisverbandes am Kyffhäuser-Treffen des Flügels teil und Andreas Kalbitz war zu Gast in Hachenburg, wo die AfD ein Zentrum für Schulungen und Seminare errichten will (Stichwort: „Braunes Haus“).

Ebenfalls in Hachenburg sorgte der Plan eines Kinos für Aufsehen: Der Film Schindlers Liste sollte gezeigt werden und AfD-Mitglieder freien Eintritt bekommen. Die AfD kritisierte dieses Vorhaben aufs Schärfste. In der Folge entluden sich den Kinobetreiber*innen gegenüber Hasskommentare. Es tauchte außerdem ein Drohvideo bei YouTube auf, in dem von Sprengsätzen, die explodieren könnten, die Rede war.

In Mayen wurde ein Aktivist des Ku-Klux-Klans (genauer: National Socialist Knights of the Ku-Klux-Klan Deutschland) verhaftet. Ihm und 16 anderen Personen, die bundesweit verstreut sind, wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Bei einer bundesweiten Razzia gegen die Gruppierung wurden Waffen gefunden. Das LKA ermittelt weiterhin.

Der Prozess am Landgericht Koblenz gegen Angeklagte um das sogenannte Aktionsbüro Mittelrhein fand im September 2019 ein Ende. Nachdem der Prozess zum dritten Mal aufgelegt wurde, wurde das Verfahren nach nur einem Verhandlungstag wegen Geringfügigkeit gegen den letzten Hauptangeklagten eingestellt. Der Tatvorwurf und die Prozessdauer stünden laut Gericht nicht im Verhältnis zueinander. Die Gesamtbilanz des (mit Unterbrechungen) insgesamt 7 Jahre andauernden Prozesses gegen 26 Personen: hauptsächlich Einstellungen, wenige Verurteilungen mit meiste geringem Strafmaß und einige Freisprüche sowie ein Prozessablauf, der noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Eine geschlossene Verschwörungsszene gibt es in RLP nicht, allerdings gibt es Einzelpersonen, die durch ihre Nähe zum Antisemitismus auffallen und beobachtet werden müssen. Das Phänomen der Verschwörungstheorien ist insbesondere in Koblenz zu beobachten. Es treten vermehrt Probleme bei öffentlichen Stellen und der Verwaltung mit Personen auf, die der Reichsbürgerszene zuzuordnen sind. In Kordel wurden bei einem Waffenhändler, dem wegen Zugehörigkeit zur Reichsbürgerszene die Lizenz des Verkaufs entzogen wurde, mehrere hundert Waffen, Waffenteile, Munition und Sprengkörper beschlagnahmt.

 

Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Rheinland-Pfalz
https://lsjv.rlp.de/de/unsere-aufgaben/kinder-jugend-und-familie/projekte-gegen-extremismus/beratungsnetzwerk-gegen-rechtsextremismus/

 

Jahresrückblicke 2019 aus den einzelnen Bundesländern

 

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