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Jahresrückblick 2019 – Bremen Aktive Kameradschaftsszene, Kampfsport, Rechtsrock

Bremer Teilnehmer einer rechtsextremen Demonstration 2019 (Quelle: Recherche Nord)

Auch im Jahr 2019 verbreiten Neonazis und Anhänger*innen der extremen Rechten im Bundesland Bremen ihre menschenverachtenden Botschaften. Der Jahresbericht 2019 versucht einen kurzen Überblick über Akteure, Strukturen und Ereignisse zu liefern.

Ein Jahresbericht über die Aktivitäten und Entwicklungen der extremen Rechten in Bremen bedarf, soll der Anspruch auf Übersichtlichkeit gewahrt werden, der sinnvollen Strukturierung. Diese Binsenweisheit gilt auch, wenn es sich bei dem Gegenstand der Betrachtung um ein geographisch kleines und vermeintlich überschaubares Gebiet handelt. Denn auch hier haben wir es mit einer Vielzahl von Akteur*innen und Strukturen zu tun, die organisatorisch wie aktionistisch – regional wie überregional – in Erscheinung treten und damit eine Außenwirkung besitzen, die mitunter weit über die Grenzen des Bundeslandes hinausgehen.

Parteistrukturen in Bremen

NPD

 Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ist eine der ältesten neonazistischen Parteiorganisationen der Bundesrepublik. Trotz zunehmender Schwächung gilt die NPD als die wohl dominanteste Partei des neonazis­tischen Spektrums. Sie ist weiterhin bemüht, erfolgreich an demokratischen Wahlen und im Erfolgsfall am parla­mentarischen System teilzunehmen. Eine Zielsetzung, die auch im sogenannten Vier-Säulen-Konzept der NPD ausformuliert wurde: Durch den dort propagierten „Kampf um die Straße“, den „Kampf um die Köpfe“, den „Kampf um die Parlamente“ sowie den „Kampf um den organisierten Willen“ – welcher auf die Vernetzung mit parteiunabhängigen Neonazigruppen abzielt – soll einerseits die Moral und Folgebereitschaft bei Mitgliedern und Funktionsträger*innen erhalten wie auch politische Erfolge erzielt werden.

Den damit verbundenen Anspruch, einen Organisations- und Mobilisierungsgrad zu erreichen, der den Zugang zu landesweiten oder kommunalen Entscheidungsgremien ermöglicht, konnte der Bremer Landesverband der NPD jedoch im Jahr 2019 nicht erfüllen. Stattdessen zeichnet sich die NPD-Bremen vor allem durch eine personelle wie organisatorische Schwächung aus. Die Außenwirkung der neonazistischen Partei ist inzwischen nahezu erloschen und ähnlich wie auch in anderen Bundesländern gelang es der NPD-Bremen nicht, ihre Parteibasis zu verbreitern. Stattdessen stagnieren die Mitgliedszahlen der Partei nach einem starkem Mitgliederrückgang in den vorangegangenen Jahren weiter auf einem niedrigen Niveau. Als einzige Konstante der NPD-Bremen tritt der seit 2003 amtierende NPD-Landesvorsitzende Horst Görmann in Erscheinung, welcher bis zur Bürgerschaftswahl 2019 über ein Mandat in der Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven verfügte. Ein Mandat, welches die NPD-Bremen inzwischen verlor – ihr einziger Kandidat, Horst Görmann, erlangte 2019 lediglich 0,14% der Stimmen und schied damit aus der Stadtverordnetenversammlung aus.

Durch die Personalie Görmann verfügt die NPD-Bremen aber weiterhin über eine enge Verzahnung in die überregionale Neonaziszene, insbesondere ins angrenzende Niedersachsen. So nahm der NPD-Landesvorsitzende dort an verschiedenen Veranstaltungen, wie beispielsweise im September 2019 an einem völkisch-neonazistischen Erntefest im niedersächsischen Eschede, teil. Der lokale Schwerpunkt der NPD-Bremen bleibt jedoch Bremerhaven, wo die Partei weiterhin über ein eigenes Parteibüro verfügt. Mit Ausnahme der Netzwerkkontakte nach Niedersachsen, die vor allem auf persönlichen, bzw. privaten Bekanntschaften beruhen, präsentiert sich der NPD-Landesverband Bremen als isolierter Akteur, dem es nicht gelingt, vorhandene Ressourcen zu mobilisieren oder gar an einer Stärkung seiner Position zu arbeiten.

Die Rechte

Mit der Partei „Die Rechte“ (DR) ist der NPD-Bremen in Bremerhaven, insbesondere in Bezug auf potentielle Unterstützer*innen, inzwischen eine Konkurrenzorganisation erwachsen. Der im August 2018 gegründete DR-Landesverband wird dabei von dem langjährigen Neonazi und ehemaligen NPD-Nachwuchspolitiker Alexander von Malek geleitet. Vor allem im Kontext von Straßenaktivitäten und der damit verbundenen öffentliche Wahrneh­mung versuchte die neonazistische Kleinstpartei in der Vergangenheit Akzente zu setzen. So wurde beispielsweise im August 2019 unter der Bezeichnung „Nazi-Kiez“ eine „National-Befreite Zone“ in Bremerhaven proklamiert. Eine konsistente Strategie bei der Durchsetzung politischer Ziele kann dieser Splitterpartei der extremen Rechten allerdings nicht bescheinigt werden. Längerfristige Prozesse, ausgearbeitete Programme und aufeinander aufbauende Handlungsmuster finden sich kaum. Hingegen bestimmen kurzfristige und anlassbezogene Aktionen das Repertoire. Inszenierungen der eigenen Stärke und die bloße Präsenz in der Öffentlichkeit können dabei als zentrale Elemente ihrer Handlungsweisen benannt werden.

Im Gegensatz zur NPD schaffte es die DR-Bremen indes, Interessierte temporär an die Partei heranzuführen, in die Parteiarbeit einzubinden und ihre Mitgliederbasis schrittweise auszubauen. In Bezug auf ihre Aktivitäten blieben die damit verbundenen Auswirkungen allerdings marginal. Während im Jahr 2018 Anhänger*innen der DR-Bremen noch an mehreren überregionalen Veranstaltungen und Demonstrationen partizipierten, beschränkten sich deren Aktivitäten im Jahr 2019 primär auf das Stadtgebiet von Bremerhaven.

Ein Schwerpunkt von Aktivitäten findet sich zweifellos im Zusammenhang mit der Bremer Bürgerschaftswahl 2019, bei der die Partei „Die Rechte“ mit Alexander von Malek einen eigenen Spitzenkandidaten nominierte. Mit insgesamt 627 Stimmen (bzw. ein Wahlergebnis von 0,05%) blieb der Erfolg jedoch überschaubar. Inwieweit sich die DR-Bremen im Bundesland weiter etablieren kann, bleibt am Ende des Jahres 2019 fraglich. Neben randständigen Positionen erschwerten zuletzt interne Zerwürfnis­se und Absetzbewegungen einzelner Mitglieder die Handlungsoptionen der Partei. Ob die DR-Bremen in naher Zukunft ein anderes Schicksal erfährt, als eine von 2015 bis 2017 existierende „DR-Landesgruppe Bremen“ um den Neonazifunktionär und damaligen DR-Landesgruppenchef Michael Kurzeja, wird sich noch zeigen müssen. Trotz hochtrabenden Ankündigungen konnte sich die „Landesgruppe“ nie von ihrer Isolierung im eigenen politischen Spektrum lösen und verschwand 2017 geräuschlos.

AfD

Anders als die Partei „Die Rechte“ konnte mit der „Alternativen für Deutschland“ (AfD) eine Partei des rechten Spektrums in Bremen zuletzt Wahlerfolge erzielen. Bei der Bürgerschaftswahl 2019 konnte der AfD-Landesver­band Bremen 6,1 % der Stimmen auf sich vereinigen und insgesamt 5 Mandate erringen. Damit ist die Partei so­wohl in der Bremer Bürgerschaft wie auch in der Bremerhavener Stadtverordnung vertreten. Neben dem Einzug in die Bremer Bürgerschaft ist dabei vor allem der Einzug von zehn AfD-Vertreter*innen in insgesamt sechs Stadtteilbeiräte von besonderer Bedeutung. Der Genuss finanzieller wie struktureller Vorteile, zum Beispiel durch die materielle Ausstattung von Fraktionen (Büroräume, Sachmittel etc.), währte für die AfD-Bremen jedoch nur kurz. So zerbrach die Bremer AfD-Fraktion bereits wenige Monate später, im September 2019, an internen Streitigkeiten. Der AfD-Bremen entgehen damit Beiträge in Millionenhöhe. Auch legte Ann-Katrin Magnitz, die Tochter des AfD-Landesvorsitzenden, aufgrund „privater Gründe“ ihr Mandat im Gröpelinger Stadtteilbeirat inzwischen nieder.

Neben den im Jahr 2019 immer wieder aufflammenden Streitigkeiten in Bezug auf parlamentarische Tätigkeiten scheint das innere Konfliktpotential der AfD-Bremen immens. So wurde der autoritäre Führungsstil des AfD-Landesvorsitzenden Frank Magnitz von einzelnen Parteimitgliedern des Bremer Landesverbandes immer wieder als „diktatorische Zumutung“ und als Ausdruck „organisierten Raubrittertums“ beschrieben. So überzog Magnitz, der auch ein Mandat als Bundestagsabgeordneter besitzt, missliebige Parteimitglieder mit einer Reihe von Parteiausschlussverfahren. Auch ein Vorfall aus dem Januar 2019 erzeugte bei etlichen Parteimitgliedern großen Unmut: Der AfD-Landeschef, hinter vorgehaltener Hand von Parteifreund*innen mitunter als „Brauner Mao“ tituliert, wurde dabei von Unbekannten attackiert, stürzte anschließend zu Boden und zog sich dabei Kopfverletzungen zu. Diesbezügliche Einlassungen von Magnitz führten zwar einerseits zu einer großen öffentlichen Aufmerksamkeit, seien aber einzelnen Stimmen innerhalb der AfD-Bremen zufolge „eine große Show voller Unwahrheiten – ein Schildbürgerstreich“ gewesen. Die Partei sei dadurch in ihrer Glaubwürdigkeit schwer beschädigt worden.

Es bleibt zu konstatieren, dass die parteiinternen Rivalitäten und dem zunehmenden Zerfall in miteinander konkurrierenden und widerstrebende Interessensgruppen im Jahr 2019 zunehmend die Handlungsfähigkeiten der AfD-Bremen beeinträchtigten. Im September diesen Jahres gipfelten die Streitigkeiten dann im Rücktritt des Landesvorsitzenden Frank Magnitz. Die neue AfD-Führungsspitze um den AfD-Politiker Peter Beck sieht sich nun mit der Aufgabe konfrontiert, einen zutiefst zerstrittenen Landesverband neu auszurichten. Dabei dürfte auch der Umgang mit der AfD Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) eine gewichtige Rolle spielen. Aufgrund ihrer Nähe und personeller wie weltanschaulicher Verflechtung zu Organisationen wie der „Identitären Bewegung“ (IB) wird der AfD-Parteinachwuchs vom Bremer Verfassungsschutz beobachtet. Ob dies mit der erwünschten Außenwirkung der Partei und ihrem Bemühen um gesellschaftliche Akzeptanz vereinbar ist, wird sich noch zeigen müssen.

Bürger in Wut

Neben der AfD ist mit der Partei „Bürger in Wut“ (BIW) eine weitere Partei des rechten Spektrums in der Bremer Bürgerschaft (1 Sitz) und der Stadtverordnung Bremerhaven (4 Sitze) vertreten. Die rechtspopulistisch agierende BIW um ihren Vorsitzenden Jan Timke tritt dabei weltanschaulich vor allem als „Law & Order“-Partei in Erscheinung. Dass es der Parteivorsitzende im Gegensatz dazu mit der geltenden Gesetzeslage nicht allzu genau nimmt, zeigte ein Strafbefehl gegen Timke aus August 2019. Auf Timkes Facebookseite war zuvor im Jahr 2018 ein Haftbefehl gegen einen mutmaßlichen Täter eines Messerangriffs in Chemnitz veröffentlicht worden. Auf dem veröffentlichten Schriftstück waren persönliche Daten und der Name des Beschuldigten zu erkennen.  Abseits dessen und angesichts des personellen wie strukturellen Zustandes ihrer Konkurrenz muss die BIW in Bezug auf ihre innere Verfasstheit als die derzeit konstanteste parlamentarische Kraft der extremen Rechten im Bundesland angesehen werden. Ähnlich wie der AfD-Bremen gelingt es der BIW dabei, trotz Stimmeneinbußen bei der Landtagswahl 2019, inzwischen auf ein relativ stabiles Wähler*innen- und Unterstützer*innenpotential in Bremerhaven zurückzugreifen.

Ein Block von „Nordic 12“ bei einer Neonazi-Demonstration in Bremen 2019; Foto: Recherche Nord

Parteiunabhängige Neonaziszene in Bremen

Abseits von Parteistrukturen organisierter Neonazis, wie sie sich beispielsweise in der NPD oder der Partei „Die Rechte“ manifestieren, existieren andere, politisch relevante Organisationsformen der extremen Rechten. Dabei handelt es sich unter anderem um Vereine, Stiftungen, Bürgerinitiativen, Kameradschaftsgruppen oder sogenannte Bruderschaften. Allesamt unterscheiden sich hinsichtlich ihrer rechtlichen Verfasstheit und damit verbundenen organisatorischen Möglichkeiten. Diese Strukturen besitzen für die Protagonisten der Neonaziszene sowohl Vor- wie auch Nachteile.

Auch im Bundesland Bremen existierten in der Vergangenheit zahlreiche Gruppierungen, die diesem diffusen Spektrum zuzuordnen sind. Dies umfasste insbesondere den Bereich sogenannter Kameradschaften, also informell organisierte Neonazigruppen, die hinsichtlich ihrer Struktur und der involvierten Mitglieder mitunter schwer identifizierbar bzw. greifbar sind. Diese relativ formlosen Zusammenschlüsse politischer Akteure sollen primär staatliches Verbotshandeln erschweren. Im Gegensatz zu Parteien sind diese Gruppierungen, die auch unter der Bezeichnung „Freie Nationalisten“ in Erscheinung treten, deutlich aktionistischer ausgerichtet und verfügen zumeist über einen kämpferischen Habitus, der sich nur allzu oft in Gewalthandlungen entlädt.

Deren lokale Aktionszusammenhänge in Bremen waren auch im Jahr 2019 von Erosionserscheinungen betroffen. Während in der Vergangenheit die Bremer Neonaziszene noch fest verzahnte, informelle Netzwerke aufrechterhalten konnte und zum Teil strukturübergreifende Kameradschaftsabende organisierte, scheinen die Handlungsmöglichkeiten nunmehr deutlich begrenzter. Mit Ausnahme von Einzelpersonen beschränkte sich das öffentliche Auftreten Bremer Neonazis im Jahr 2019 auf ein Minimum. Die einzige Ausnahme bildet die Region Bremerhaven, wo sich vormals parteifrei organisierte Neonazis nun primär in den Strukturen der Partei „Die Rechte“ wiederfinden lassen.

Bei einer der wenigen relevanten Gruppierungen, die über eine handlungsfähige Basis verfügen, handelt es sich um die seit 2014 existierende „Bruderschaft Nordic 12“. Deren Strukturen bzw. organisatorischen Schwerpunkte finden sich unter anderem im Bundesland Bremen wie auch in Nordrhein-Westfalen. Die „Bruderschaft“ orientiert sich in ihrem Erscheinungsbild und Habitus an sogenannten „Outlaw-Motorcycle-Gangs“ und ist ursprünglich aus den Strukturen der Gruppierung „Brigade 8 – Bremen Crew“ hervorgegangen. Die „Brigade 8“, ein inzwischen bundesweit agierendes Netzwerk von Neonazis, ist dabei eng mit den Strukturen von „Combat 18“ (C18) verbunden und nutzt inzwischen Erkennungszeichen der rechtsterroristischen Gruppierung. „Nordic 12“ selbst gruppiert sich unter anderem um den Sänger der inzwischen aufgelösten Bremer Rechtsrockgruppe „Endlöser“ Andreas Lohei. Die Nähe zum Habitus der Rockerszene schlägt sich in Bremen auch ganz konkret in der Verbindung von Neonazis zu existierenden Rockerclubs nieder. Hier ist vor allem die „Legion Bremen“ zu erwähnen, zu denen nach Behördenangaben personelle und „freundschaftliche“ Verbindungen bestehen. Nachdem diese in den öffentlichen Fokus gerieten, beeilte sich die Führungsriege der „Legion“ allerdings, sich als vermeintlich unpolitischer Akteur zu präsentieren. So sei nach dem Eintritt in den Club die politische Vergangenheit und Ausrichtung einzelner Mitglieder kein Problem mehr, da der Club selbst, so die von einem Vertreter des Bremer „Outlaw-Motorcycle-Clubs“ in einem Interview geäußerte Stellungnahme, nicht politisch in Erscheinung trete.

Eine gewichtige Rolle in der Vernetzungsarbeit des organisierten Neonazismus fällt in Bremen Einzelakteur*innen zu. Dabei sind vor allem Markus Privenau, Andreas Hackmann und Henrik Ostendorf zu nennen. Markus Privenau der als wichtiger regionaler wie überregionaler Netzwerker galt, verstarb allerdings im letzten Jahr. Und auch um Andreas Hackmann, der überregional als Anti-Antifa-Aktivist in Erscheinung trat, wurde es im Jahr 2019 bedeutend ruhiger. Der inzwischen nach Niedersachsen verzogene Neonaziaktivist beschränkte seine Aktivitäten zuletzt auf wenige Aktivitäten und trat politisch lediglich bei völkischen Zusammenkünften auf dem Gelände des sich im Aufbau befindlichen NPD-Schulungszentrums im niedersächsischen Eschede in Erscheinung.

Anders verhält es sich mit dem Neonazifunktionär Henrik Ostendorf aus Bremen. Dieser trat vor allem mit Aktivitäten im Kontext überregionaler Zusammenhänge in Erscheinung. Ostendorf gilt dabei als wichtiges Bindeglied zur sogenannten „Ergebnisgeneration“ im Neonazismus. Während sich Ostendorf in den Vorjahren thematisch vor allem um das Gedenken an den 1987 verstorbenen Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß bemühte, konzentrierte sich der Neonazifunktionär in den Jahren 2018 und 2019 vor allem um die inhaftierte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck. Als verantwortlicher Herausgeber der Neonazipostille „Ein Fähnlein“ gehörte Ostendorf darüber hinaus zu den Mitorganisatoren einer Vielzahl von „Zeitzeugenveranstaltungen“ oder vermittelte den Kontakt zu ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS oder der Wehrmacht. Diese Verbindung manifestierte sich auch in Bezug auf den 2019 verstorbenen und in der Neonaziszene hoch angesehenen SS-Soldaten Karl Münter. So organisierte und moderierte Ostendorf im Jahr 2019 ein Spendentreffen für den verurteilten Kriegsverbrecher.

Daneben engagierte sich Henrik Ostendorf, dessen politische Vita durch die Mitgliedschaft in einer Vielzahl von zum Teil verbotenen Parteien und Organisationen bestimmt ist, im Umfeld des sogenannten „Kampf der Nibelungen“ (KDN) – einer Kampfsportveranstaltungsreihe der bundesweiten Neonaziszene. Mit seinem „Sport Frei-Versand“ gehörte er auch im Jahr 2019 zu den Unterstützern und Sponsoren eines geplanten und später durch die Behörden verbotenen Events im sächsischen Ostritz. Mit dieser Verbindung zum neonazistischen Kampfsport steht Henrik Ostendorf indes nicht alleine: Mit dem „Nordic Fightclub Bremen“ nahmen Neonazis aus Bremen auch direkt an diesbezüglichen Kampfsportveranstaltungen teil. So unter anderem am extrem rechten Kampfsportturnier „Tiwaz – Kampf der freien Männer“, das in diesem Jahr im sächsischen Zwickau durchgeführt wurde.

Eine erhöhte mediale Aufmerksamkeit erhielt im Jahr 2019 die militant-neonazistische Gruppe „Phalanx 18“. Der Zusammenschluss, der sich selbst den codierten Namen für „Schlachtreihe Adolf Hitler“ gegeben hatte und deren Mitglieder neben Bremen aus Niedersachsen und Hessen stammten, fiel mehrere Monate hauptsächlich durch Bedrohungen und gewalttätige Aktionen im Bremer Stadtgebiet auf, bei dem als politische Gegner*innen identifizierte Personen gewaltsam attackiert wurden. In Folge eines Angriffs auf vermeintliche Linke Anfang Oktober im alternativen Bremer „Viertel“ und einer größeren Auseinandersetzung auf der Ausgehmeile „Schlachte“ kam es im November zu Hausdurchsuchungen und dem Verbot der Gruppe durch den Bremer Innensenator. Auch ein geplanter und im Vorfeld beworbener „Liederabend“ am 9. November, dem Jahrestag der Reichspogromnacht, wurde im Vorfeld durch die Innenbehörde verboten. Angekündigt war in diesem Zusammenhang der Auftritt der Liedermacher „Hermunduren“, alias Steven Arndt aus Eisenach sowie das Liedermacherduo „Zeitnah“ um den aus Gotha stammenden Neonazi Tommy Brandau. Auch die Verbindung von „Phalanx 18“ zum Vorstand der AfD-Bremen schlug hohe Wellen: Wie eine Bilderstrecke aufzeigte, hatten Mitglieder von „Phalanx 18“ den Schatzmeister der AfD Bremen und stellvertretenden Bremer Vorsitzenden der Jungen Alternative, Mertcan Karakaya, beim Aufhängen von Wahlplakaten während des Europawahlkampf im Mai 2019 „Begleitschutz“ geboten. Die AfD leugnete im Nachhinein, zuvor von den Aktivitäten der sie begleitenden Männer gewusst zu haben.

Rechte Fußballfans

Ein weiterer Schwerpunkt der Beobachtung extrem rechter Strukturen in Bremen lag in den vergangenen Jahren auch im Bereich rechtsmotivierter Hooligans. Hierbei sind vor allem die Gruppierungen der „Standarte Bremen“, auch bekannt als „Standarte 88“ und ihre Unterstützergruppe „City Warriors Bremen“ zu nennen. Trotz Auflösungserklärungen ist ein Teil ihrer Mitglieder weiterhin in lokale Neonazistrukturen eingebettet. Einzelne Mitglieder fanden eine neue Beschäftigung im Bereich der organisierten Kriminalität oder traten Rockerclubs bei. Andere, wie der bereits genannten Neonazifunktionär Henrik Ostendorf, welcher als wichtige Führungs- und Integrationsfigur der „Standarte 88“ galt, treten hingegen auch weiterhin bei einschlägigen Veranstaltungen der Neonaziszene auf. Einzelne Mitglieder konnte in den Jahren 2018 und 2019 sowohl im Rahmen von Rechtsrockkonzerten wie auch Parteiveranstaltungen dokumentiert werden.

Allerdings machte sich auch im Feld rechtsextremer Fußballfans der Wegfall bestimmter Einzelpersonen bemerkbar. Nach dem Selbstmord des Bremer Hooligans Marcel Kuschela (alias „Captain Flubber“) im September 2018, brachen im Jahr 2019 die Strukturen von „Gemeinsam-Stark Deutschland“ (GSD) in Bremen fast gänzlich zusammen. Der in Bremen unter dem Label GSD-Nord firmierende Zusammenschluss gewaltbereiter Fußballfans und organisierten Neonazis entstand zuvor als Abspaltung der „Hooligans gegen Salafisten“, kurz HoGeSa. Trotz des Rückganges an Aktivitäten kann aber nicht von einer Entwarnung gesprochen werden. Dies zeigt sich nicht nur an der bereits erwähnten „Phalanx 18“, deren Mitglieder sich ebenfalls in Teilen aus dem rechten Lager der Bremer Fanszene  rekrutierten. Auch ein Vorfall aus dem August 2019 dokumentiert das anhaltende Bedrohungspotential dieser Strukturen: So kam es im Zuge des DFB-Pokalspiels Atlas Delmenhorst gegen Werder Bremen am 10. August 2019, welches im Bremer Weserstadion ausgetragen wurde, zu versuchten Übergriffen rechtsextremer Hooligans auf antifaschistische Fans. Bereits im Vorfeld wurden Drohungen seitens der Atlas-Fanszene ausgesprochen, welche sich in den letzten Jahren zum Sammelbecken verschiedener Akteure mit rechtsoffener bis rechtsextremer Einstellung entwickelt hat. Gegenstimmen zu dieser Entwicklung finden im Bremer Vorort Delmenhorst wenig bis gar kein Gehör. Vor dem Spiel versammelte sich eine Gruppe rechter Schläger in Nähe des Stadions, welche sich sowohl aus Teilen der Anhängerschaft von Altas Delmenhorst, den Farge Ultras (Fans des in Bremen-Nord ansässigen, unterklassigen Vereins TSV Farge-Rekum, die durch den Verfassungsschutz beobachtet werden und offiziell ihre Auflösung erklärt haben, aber weiterhin aktiv sind) als auch aus Bremer Neonazihooligans speiste. Diese Gruppe bedrohte antifaschistische Fans des SV Werder Bremen und versuchte in Folge, diese anzugreifen. Dieser Vorfall reiht sich ein in eine langjährige Abfolge von versuchten und verübten Übergriffen rechter Hooligans auf antifaschistisch engagierte Fußballfans des SV Werder Bremen.

Foto: Recherche Nord

Rechtsrock aus Bremen

Weitestgehend unabhängig von den anderen Organisationsformen der extremen Rechten finden sich in Bremen ebenfalls Vertreter*innen einer neonazistischen Musikszene. Diesem, gemeinhin als Rechtsrock oder „White-Power Music“ bezeichneten Bereich, werden in Bremen mehrere Musikgruppen zugerechnet. Einige wie die Band „Strafmass“, welche dem Netzwerk von „Combat 18“ zugerechnet werden konnten, haben sich inzwischen aufgelöst. Andere, wie die Bremer Hammerskin-Band „Hetzjagd“, zeichneten sich auch im Jahr 2019 wiederum durch Inaktivität aus. Bei den Hammerskins handelt es sich, ähnlich wie bei dem in der Bundesrepublik verbotenem Netzwerk von „Blood & Honour“ (B&H), um eine weltweit aktive neonazistische Vereinigung. Die in Anlehnung an Rockerclubs in Chaptern organisierten Hammerskins verstehen sich als elitärer Zusammenschluss organisierter Neonazis. Die im Bundesland ansässige „Hammerskins Sektion Bremen“ gilt dabei sowohl als das älteste wie auch als eines der aktivsten Chapter der Bundesrepublik. Deren Mitglieder nehmen sowohl an nationalen wie internationalen Veranstaltungen und Treffen der Organisation teil. Bremen gilt dabei als wichtiger Knotenpunkt. So reisten im Jahr 2018 Mitglieder der Organisation zum „Hammerfest 2018“ nach Kalifornien in die Vereinigten Staaten. Und auch im Jahr 2019 können die Strukturen der „Hammerskin-Sektion Bremen“ als weiterhin aktiv verbucht werden.

Bei einer weiteren Band, die dem Hammerskin-Netzwerk nahesteht, handelt es sich um die Bremer Rechtsrockgruppe „Endstufe“. Die im Jahr 1981 gegründete Rechtsrockgruppe kann als eine der dienstältesten Musikgruppen des neonazistischen Spektrums in der Bundesrepublik bezeichnet werden. Während Endstufe in den vergangenen Jahren nur selten und vereinzelnd Konzerte gab, konnten allein im Jahr 2019 mindestens vier Konzerte dokumentiert werden. So gehörte Endstufe im März 2019 zu den angekündigten Musikgruppen eines Neonazikonzertes im sächsischen Ostritz, wie auch im belgischen Brügge im September 2019. Am 07. Dezember 2019 wurde ein weiteres Konzert von Endstufe beworben: Anlässlich einer „Nikolaus Aftershow Party“ gab es ein gemeinsames Konzert mit der britischen Blood & Honour Band „Brutal Attack“. Eine Woche später, am 14. Dezember 2019, fand ein erneutes Konzert der Rechtsrockgruppe im niedersächsischen Landkreis Goslar statt. Nach Polizeiangaben kamen in diesem Zusammenhang insgesamt 166 Personen des rechtsextremen Spektrums in einem ehemaligen Gewerbehof am Rande von Bad Harzburg zusammen. Aufgrund eines Nutzungsverbotes der Räumlichkeiten kam es zu einem Polizeieinsatz, welcher letztlich zur Auflösung der Veranstaltung führte.

Am gleichen Tag wurde hunderte Kilometer südlich, im baden-württembergischen Waldbronn/Neurod, auch das Konzert einer weiteren Bremer Rechtsrockband polizeilich aufgelöst. Dabei handelte es sich um ein Konzert der Band „Kategorie C / Hungrige Wölfe“, welches im Vorfeld als offizielles Abschiedskonzert der Band beworben wurde. Ursprünglich sollte die Veranstaltung in Rastatt/Bentheim stattfinden, um dann kurzfristig nach Neurod verlegt zu werden. Nachdem das Konzert bei den Betreiber*innen des Veranstaltungsortes unter falschen Angaben angemeldet wurde und sich diese beim Anblick der etwa 150 Konzertbesucher*innen getäuscht sahen, wurde das Konzert gegen 22:30 Uhr durch die kurzfristig zusammengezogenen Polizeikräfte aufgelöst. Ihre Auflösung als Band hatte „Kategorie C“ (KC) um ihren Sänger Hannes Ostendorf bereits im Zusammenhang mit einem Rechtsrockfestivals im sächsischen Ostritz im Juni 2019 bekannt gegeben. Inwieweit diese Auflösung Bestand haben wird oder es zu einem „Rücktritt vom Rücktritt“ kommen wird, bleibt abzuwarten. Auch abseits von „Kategorie C“ dürfte deren Sänger Hannes Ostendorf auch weiterhin wesentlicher Bestandteil der internationalen Rechtsrockszene bleiben. So auch als Sänger der Band „Nahkampf“: Die 1988 ebenfalls in Bremen gegründete Rechtsrockgruppe, welche im Jahr 2018 ihr letztes Album veröffentlichte, wird von Beobachter*innen dem Netzwerk von Blood & Honour zugerechnet. Gemeinsam mit Achim Buonafede, bekennender Faschist und Führungsperson der Neonazigruppe „Berserker Wolfsburg“, veröffentlichte Hannes Ostendorf ebenfalls im Jahr 2019 eine Soli-CD für krebskranke Kinder. Bei den Empfänger*innen der damit erzielten Einnahmen handelte es sich im Wesentlichen um Anhänger*innen der extremen Rechten. Neben seinen Aktivitäten als Sänger von Rechtsrockbands tritt der Bruder des Bremer Neonazifunktionärs Henrik Ostendorf auch als Liedermacher in Erscheinung, so unter anderem im November 2019 bei Konzerten in Sachsen und Thüringen.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die extreme Rechte in Bremen auch im Jahr 2019 eine Herausforderung für die demokratische Gesellschaft darstellt. Trotz des partiellen Niedergangs der NPD-Bremen sowie von Teilen der parteifreien Neonaziszene finden sich in Bremen weiterhin gefestigte Strukturen, deren Bedeutung nicht unterschätzt werden darf. Dies zeigt sich nicht nur an den Verbindungen der Bremer Mischszene von Neonazis und Rockern oder der weiterhin äußerst aktiven Rechtsrockszene. Insbesondere die Gründung der inzwischen verbotenen „Phalanx 18“ und die damit einhergehenden Aktivitäten ihrer Mitglieder offenbarte erneut die Handlungsfähigkeit der Bremer Neonaziszene.

Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Bremen:

mobileberatung@lidicehaus.de

Jahresrückblicke 2019 aus den einzelnen Bundesländern

 

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