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„Querdenken“ So verliefen die Demos gegen Coronamaßnahmen am Wochenende

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In Wien gingen rund 40.000 Menschen gegen Coronamaßnahmen auf die Straße, auch Neonazis und Kader der rechtsextremen „Identitären Bewegung“
In Wien gingen am Wochenende rund 40.000 Menschen gegen Coronamaßnahmen auf die Straße, auch Neonazis und Kader der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ (Quelle: picture alliance/AA/Askin Kiyagan)

Am Wochenende gingen bundesweit insgesamt Zehntausende Verschwörungsgläubige, „Querdenker:innen“ und Rechtsextreme auf die Straße, um gegen Impfungen und Infektionsschutzmaßnahmen zu protestieren – unter anderem in Hamburg, Magdeburg, Freiburg, Schwerin, Ansbach, Regensburg und Trier. In Wien fand eine Großdemonstration mit etwa 40.000 Menschen statt. In Sachsen kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Polizei.

Am Freitag fand im sächsischen Zwönitz ein nicht angemeldeter Aufzug gegen die Coronamaßnahmen mit rund 60 Menschen statt, der schnell in Gewalt mündete. Laut Polizei wurden Polizist:innen mit Pyrotechnik attackiert, als sie versuchten, Personalien festzustellen. Ein Verfahren wegen Landfriedensbruch sei nun eröffnet worden, so die Polizei Sachsen in einer Pressemitteilung. Auch wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz seien Ermittlungen eingeleitet worden. Der Angriff sei per Video aufgenommen worden und werde nun ausgewertet, um die Angreifer:innen zu identifizieren, heißt es weiter.

In Magdeburg wurde zu einer „Mega-Demo“ mobilisiert. Auf dem Magdeburger Alten Markt versammelten sich am Samstag, den 8. Januar 2022 rund 1.500 Menschen – darunter zahlreiche Rechtsextreme wie die NPDler Jens Czerski und Steffen Thiel, Neonazis von der Gruppe „Harzrevolte“ oder Kader der neuen Neonazi-Kleinstpartei „Neue Stärke“ (siehe Belltower.News). Weitere Teilnehmer:innen wurden aufgrund der Hygiene-Auflagen von der Polizei gehindert, an der Kundgebung teilzunehmen. Im Anschluss setzte sich ein nicht angemeldeter Aufzug in Bewegung, der als „Spaziergang“ bezeichnet wurde: Insgesamt bis zu 5.000 Teilnehmer:innen liefen durch die Madgeburger Innenstadt. Auch ein Autokorso mit 50 Fahrzeugen fand in Magdeburg statt.

Immer wieder versuchten Demonstrant:innen durch Polizeiabsperrungen zu brechen, so die Polizei Sachsen-Anhalt in einer Pressemitteilung. Polizist:innen reagierten teilweise mit Pfefferspray. Insgesamt sei eine vierstellige Anzahl an Personen kontrolliert worden, um entsprechende Ermittlungsverfahren einzuleiten – unter anderem wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, Landfriedensbruch, gefährlicher Körperverletzung und wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

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Zu der Demonstration in Magdeburg hatten Wortführer der verschwörungsideologischen Szene wie der „Querdenken“-Arzt Bodo Schiffmann, die Anti-Impf-Aktivistin Carola Javid-Kistel und der ehemalige AfD-Politiker Heinrich Fiechtner aufgerufen. Auch „Reichsbürger“-Gruppen sowie eine Gruppe ehemaligen Soldaten und Reservisten mobilisierten ihre Anhänger:innen (siehe MDR). In einem Video, das auf Twitter kursiert, stehen der Bundeswehrsoldat Oberfeldwebel Andreas Oberauer, der pensionierte Generalstabsoffizier Oberst Maximilian Eder sowie der ehemalige Obergefreite Julian Copeland offenbar einsatzbereit. Alle drei tragen Bundeswehr-Uniforme. Alle drei sind bereits im verschwörungsideologischen „Querdenken“-Spektrum aufgefallen.

Ende Dezember 2021 rief Oberauer in einem Video auf Telegram dazu auf, den bewaffneten Kampf zu beginnen, sollte eine Impfpflicht für Soldat:innen und Pflegekräfte eingeführt werden – und setzte der Regierung ein Ultimatum (siehe Belltower.News). Daraufhin wurde er in München festgenommen, bevor er wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Gegen Oberauer wurde bereits wegen seiner Äußerungen gegenüber seinen Vorgesetzten bei der Bundeswehr ein Uniform- und Dienstverbot verhängt. Bei der Demonstration in Magdeburg wurde er, Eder und Copeland von der Polizei festgesetzt und kontrolliert.

Auf der Bühne in Magdeburg bezeichnete Javid-Kistel die Impfkampagne als den „größten Genozid aller Zeiten“ und behauptete, dass es sich um einen „Völkermord“ handele, der umgehend gestoppt werden müsse, wie das Jüdische Forum berichtet. Im Anschluss soll auch der homöopathische Impfkritiker Rolf Kron diese Genozid-Behauptung wiederholt haben. Auch Ex-AfDler Fiechtner hielt in Magdeburg eine Rede (Ausschnitt auf Twitter). Seine militante Rhetorik mit Umsturzfantasien dürfte maßgeblich dazu beigetragen haben, die anwesenden Demonstrant:innen aufzustacheln. „Erobert eure Städte“, proklamierte Fiechtner lautstark, das sei „patriotische Pflicht“. Im Anschluss formierten sich Hunderte Demonstrant:innen vor Polizeiketten am Rande des Alten Marktes. „Die Aggression der Anwesenden äußerte sich in Gewaltandrohungen gegenüber der Polizist:innen. Vereinzelt wurden Beamt:innen als ‚Nazis‘ oder ‚Faschisten‘ tituliert und vulgär beleidigt“, so das Jüdische Forum, dessen Reporterin vor Ort war.

Auch in Hamburg fanden am Samstag Proteste gegen Coronamaßnahmen statt. Das Motto: „Das Maß ist voll. Hände weg von unseren Kindern“ (siehe n-tv). Laut Polizei nahmen 13.700 Menschen an der Demonstration teil (siehe Pressemitteilung der Polizei Hamburg). Schon vor Demobeginn musste die Polizei einschreiten: Am Versammlungsort trug eine Person einen „Judenstern“ mit der Aufschrift „ungeimpft“, wie die Polizei Hamburg twitterte. Gegen den Demonstranten wurde nun ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Volksverhetzung eingeleitet. Die Polizei stellte den Stern sicher. Der Polizei zufolge habe der überwiegende Teil der Demoteilnehmer:innen Maske getragen, Abstand gehalten und komme aus dem „bürgerlichen Spektrum“. Laut n-tv seien allerdings viele Menschen ohne Masken und Abstand unterwegs gewesen. „Insgesamt verlief der Aufzug gewaltfrei“, so ein Polizeisprecher.

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Anders als in Wien. Dort fiel die Demonstration wesentlich größer aus. Unter dem Motto „Sturm auf Wien“ demonstrierten rund 40.000 Menschen gegen die Corona-Politik in der österreichischen Hauptstadt – größtenteils ohne Maske und Abstand. Zu den Demoteilnehmer:innen zählten neben Verschwörungsgläubigen und Impfgegner:innen auch gewaltbereiten Hooligans, Neonazis und „QAnon“-Anhänger:innen. Mit dabei: Martin Sellner, Chef der rechtsextremen „Identitären Bewegung“. Mit Pyrotechnik skandierte Demonstrant:innen „Wir sind das Volk“ und „Widerstand“, wie Der Standard berichtet. Große Teile der Demospitze wurden von der Polizei eingekesselt. Die Begründung: Die Beamt:innen hatten als Fahnenstangen getarnte Schlagstöcke und mit Sand gefüllte Handschuhe entdeckt. In Fotos von Demonstranten sind Quarzhandschuhe zu erkennen. Daraufhin wurden Böller angezündet und es flogen Bierdosen. Eine Gruppe versuchte, die Polizeisperre zu durchbrechen, wurde aber mit Pfefferspray zurückgedrängt. Videos auf Twitter zeigen, wie die Situation eskalierte.

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In Frankfurt am Main protestierten am Samstag laut der Frankfurter Rundschau mehr als 4.000 Menschen unter anderem gegen eine mögliche Impfpflicht. Die Polizei sprach von anfänglich 1.000 Teilnehmenden, zum Höhepunkt sogar von 8.000 Menschen. Auf der Bühne hatten die üblichen antisemitischen Verschwörungsnarrative Konjunktur. Eine Frau schwadronierte von „Globalisten und Strippenziehern“. Wozu die Corona-Maßnahmen und Impfungen dienten, sei doch jedem klar, führte sie fort, wie die Frankfurter Rundschau berichtet. Ein Demoteilnehmer soll zudem gesagt haben, Gegendemonstrant:innen von der Satirepartei „Die Partei“ seien „von Rothschild“ bezahlt worden – eine antisemitische Chiffre.

In Berlin ist die Stimmung in der „Querdenken“-Szene nach dem Wochenende gedämpft: Am Samstag demonstrierten Verschwörungsgläubige und Impfgegner:innen mit einem Auto- und Fahrradkorso durch die Hauptstadt. Am späten Nachmittag fuhren laut Polizei rund 70 Autos, 100 Räder mit 200 Teilnehmenden von der Karl-Marx-Allee in Friedrichshain durch Mitte, Kreuzberg und Neukölln. Nicht ohne lautstarke Gegenproteste: Auf dem Hermannplatz versammelten sich rund 100 Gegendemonstrant:innen unter dem Motto „Maske auf – Nazis raus“. In Kreuzberg kam es zu Zwischenfällen: Der Autokorso wurde von Gegendemonstrant:innen teilweise blockiert und mit Gegenständen wie Bauabsperrungen und Tannenbäumen beworfen. Ein Teil der Demonstration brach ihre Route ab. Auf Telegram zeigten Impfgegner:innen ihren Unmut: „So macht das kein Spaß“, schrieb ein User. „Wir werden überall nur beschimpft“. Spiegel und Schilder seien von Autos abgerissen worden, beklagte ein anderer. „Diesen verkommenen Bezirk sollte man meiden“, hieß es weiter. Eine Userin schrieb auf Telegram, dass sie die Gegendemonstrant:innen überfahren hätte.

In Schwerin zählte die Polizei rund 1.600 Demoteilnehmer:innen, auch dort waren Kinder offenbar ein zentrales Thema: „Eltern und Großeltern sagen !!!NEIN!!! zur Covid-19 Impfung für Kinder!“ stand auf einem Transparent an der Demospitze. Laut Beobachter:innen wurden kaum Masken getragen oder Abstände gehalten. Zu einer Gegendemonstration unter dem Motto „Schwerin bleibt solidarisch – Gemeinsam mit Vernunft durch die Corona-Pandemie!“ seien der Polizei zufolge lediglich 23 Menschen erschienen.

Auch in Regensburg (2.700 Teilnehmer:innen), Ansbach (2.000 Teilnehmer:innen), Trier (1.250 Teilnehmer:innen) und Wetzlar (2.000 Teilnehmer:innen) fanden kleinere Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen statt, jedoch ohne nennenswerte Zwischenfälle.

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