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Rechtsalternative Internetwelt zur Bundestagswahl Von Ermutigungsparolen bis Endzeitstimmung

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Der Rechtsaußen-Verschwörungs-YouTuber Tim Kellner sieht auf Instagram Schlafschafe zur Wahl gehen. Er war nicht ganz so glücklich mit dem Wahlausgang. (Quelle: Screenshot)

Es gibt Ermutigungsaufrufe. Die sollen der AfD Mut machen, Deutschland nicht aufzugeben. Ein Exemplar etwa der Pandemieleugner-YouTuber Matthäus Westphal (aka Aktivist Mann), der zu Xavier Naidoo greift, um die Stimmung angesichts von 10 Prozent AfD-Wähler:innen zu heben.

Nah daran ist allerdings die Wähler:innen-Beschimpfung. Denn die wählen einfach, was sie wollen. Dann sind sie das „verblödete deutsche Volk“, das eine #Horrorwahl getroffen habe (Hashtag propagiert vom Compact-Magazin). Aber, so Matthäus Westphal, man kämpfe für die Menschen auf den Protesten.

Carsten Jahn, „Querdenken“-naher YouTuber, der sich auch „Team Heimat“ nennt,  findet: „Der Wähler leidet unter Schizophrenie“.

YouTuber Miro Wolfsfeld (Unblogd) ist auch empört: In „Flutgebieten“ seien weiter demokratische Parteien gewählt worden: „Denen geht es wohl immer noch zu gut“. Sie hätten sogar ihre Kinder impfen lassen!

Claudio Sieber, „Die Basis“-Sprecher, ist sogar „sprachlos“: „Unsere Hilfen wurden gern genutzt, gewählt wurden diejenigen, die unsere und die vielen weiteren freiwilligen Helfer als ‚Nazis‘ betituliert [sic] haben.“

Und er fragt sich weiter: „Wo sind die Menschen, die auf der Straße waren, die alle eine Veränderung wollten? Wo sind die 15 % die bei Umfragen so sicher waren, #Basis wählen zu wollen?“

An der Wahlurne waren sie nicht. Vielleicht haben sie AfD gewählt?
Deren Fans äußern wiederum in Kommentarspalten Unmut gegen „die Basis“ und die „Freien Wähler“:

Das Wahlbetrugs-Narrativ findet sich auch – kein großes Wunder nach dem Campaigning im Vorfeld (vgl. Belltower.News) und den Wahlpannen in Berlin (zu wenig Stimmzettel, falsche Stimmzettel usw.) und Göttingen (Wahlzettel ohne AfD, obwohl sie antrat). Dieses Narrativ wird in den nächsten Tagen noch zunehmen, denn dazu wird massiv online aufgerufen, hier noch einmal von „Aktivist Mann“ (Matthäus Westphall), der schreibt: „Das muss jetzt Dauerthema sein!“

Schön auch, dass er das Wahlbetrugs-Narrativ sogar glaubt, wenn die Wahl für ihn politisch gut ausgeht. Der folgende Post ist nur für Verschwörungsgläubige logisch: Wahlen sind gefälscht, aber sie bringen trotzdem was.

Bei Lion Media auf Telegram stimmen über 73.000 Menschen dazu ab, ob es Wahlbetrug gab. 95 Prozent sagen: Ja.

Im verschwörungsideologischen Milieu sind Umfragen ein beliebtes Mittel zur Selbstvergewisserung – auch wenn diese nur die Meinung der Social-Media-Blase abbilden. Bei „Fakten Frieden Freiheit​​“ lässt sich so herausfinden: Von den 110.000 Leser:innen des verschwörungsideologischen Telegram-Kanals geben 49 Prozent an, die AfD gewählt zu haben, 23 Prozent „Die Basis“ und 23 Prozent sind Nichtwähler:innen.

Auch unter AfD-Wähler:innen ist Wahlbetrug ein durchgängiges Thema. Auf der Facebook-Seite von Alice Weidel etwa wird das Thema seitenlang diskutiert. Ein Ausschnitt:

Die Macht der Medien

Markus Haintz, Pandemieleugner-Influencer, Rechtsanwalt und Ex-„Basis“-Mitglied, findet Schuldige für den Basis-Misserfolg von 1,4 Prozent der Stimmen: die Medien. Das „perfekte mediale ‚Querdenken‘-Framing habe gereicht“, schreibt er, und führt auf Telegram weiter aus: „Das Rechtsframing hat gewirkt. Deutschland stehen dunkle Zeiten bevor. Das böse Erwachen wird kommen.“ In einem Livestream mit Elijah T. raunen beide über Wahlbetrug, den man aber nicht aussprechen dürfte, weil YouTube sonst da Video „zensieren“ würde. Haintz führt hier aus, er erwarte massive Repressionen für Ungeimpfte.

In das gleiche Horn bläst Rechtspublizist Boris Reitschuster. „Die Medien“ hätten die „fast schon mausetote SPD“ nach oben geschrieben. Toll, welche Macht „die Medien“ so bekommen.

Ebenfalls Team „mächtige Medien“ ist Tichys Einblick. Diesmal allerdings haben sie „die Union klein“ geschrieben.

„Die Basis“ sieht noch einen anderen Dreh: In einer Pressemitteilung verkündet die „Querdenken“-nahe Partei, die Sperrungen einiger ihrer Facebook-Konten sei Schuld an der Wahlniederlage. Da müssen sie wohl die beste Social-Media-Arbeit der Welt gemacht haben, wenn die so einflussreich war.

Andersherum ist ein Medium der Szene  inzwischen zu einer relevanten Scharnierpublikation zwischen rechtsextremer und verschwörungsideologischer Szene geworden, das Compact-Magazin, das nun seinerseits Narrative und Hashtags setzt und verbreitet. Im Videostream zur Bundestagswahl wird erst einmal das Wahlbetrugsnarrativ gestreift (Wählen die 60 Millionen Wähler oder die Personen, die auszählen?), dann werden für den Misserfolg in Berlin die Nicht-Flügel-Kräfte verantwortlich gemacht (Pazderski, Meuthen), um dann die Erfolge in Sachsen und Thüringen (Höcke) zu loben. Dazu Endzeitstimmung: Während die DDR friedlich abgedankt sei, werde das BRD-System wird nicht so friedlich abtreten. Der Mittelstand werde enteignet, die Arbeiterklasse ausgeplündert, das sei Leben in der „Postdemokratie“ (ein neues Lieblingswort aus dem neurechten „Institut für Staatspolitik”). Mit Annalena Baerbock und den Grünen sei die Politik des „Great Reset“ in den Bundestag eingezogen, also die „Corona- oder Öko-Diktatur“ (vgl. Belltower.News), denn die ständen unter dem Einfluss von George Soros und Klaus Schwab (dem Autor von „The Great Reset“) – ein beliebtes verschwörungsideologisches Motiv. Compact erfindet den Hashtag der #Horrorwahl, der gern verwendet wird.

Compact befragt auf Telegram noch seine Leser:innen zur Einordnung des AfD-Ergebnisses. 90 Prozent sind nur mit den hohen Zustimmungsraten im Osten Deutschlands zufrieden.

Annalena Baerbock wird ansonsten in diesem Umfeld thematisiert, um sie als „Frauenquoten“-Kandidatin zu beschämen, die einen „grünen Kanzler“ verhindert habe – Misogynie und Zwietracht bei rechtsradikalen YouTuber Billy Six und beim rechtsalternativen Blogger Rainer Meyer (Don Alphonso).

Freude herrscht derweil über das schlechte Ergebnis der ​​Linken​​, stets als „Mauermörder-Nachfolgepartei“ geframt – auch, weil das der AfD mehr Chancen gibt, sich als Vertreter-Partei der „Ost-Interessen“ zu gerieren.

Auch Rechtsaußenblogger Niklas Lotz (Neverforgetniki) freut das:

Für einige Influencer des rechtsalternativen Spektrums brechen nun finsterste Zeiten an, AfD-Konsolidierung hin oder her. Oliver Flesch etwa lässt seine Fans auf dem Telegram-Channel seines Medien-Outlets ​​„1984“ wissen: Deutschland, also „Deppen“, hätten „für einen großen Schritt Richtung Untergang gestimmt“. Er sei froh, dass ihn das nicht betreffe. Flesch lebt auf Mallorca.

Noch düsterer kommentiert YouTuber Tim Kellner den Wahlausgang: Deutschland schaffe sich ab: „Das war’s! ENDE!“

Das dazugehörige YouTube-Video, das eigentlich ausschließlich aus wenig intelligenten Politiker:innen-Beschimpfungen besteht, ist seit gestern Abend 150.000 mal angeklickt worden.

Konsequent dann der Gedanke des Compact-Magazins: Nach der „Horrorwahl“ helfe nur noch „Auswandern“. Praktisch: Passende Ratgeber verkauft Compact selbst. „Hohe Steuern, sinnlose Vorschriften, Orwell’sche Überwachung, Corona- und Impf-Gängelei, Woke-Terror oder bürokratische Hürden – davon haben viele die Nase gestrichen voll.“ Reisende soll man nicht aufhalten!

Zur verschwörungsideologischen Endzeitstimmung gehört natürlich auch die verschwörungsideologische Erklärung des Wahlgeschehens. Eine hat Verschwörungsinfluencer Heiko Schrang.

In einer Sprachnachricht an seine 81.000 Telegram-Fans erklärt er, Politiker seien „nur Marionetten, leere Hüllen“. Seit Jahrhunderten kämen „Politikmarionetten“ aus der Kaderschmiede der „Bilderberger“ (antisemitische Chiffre für eine vermeintliche geheime Macht-Elite, die die Strippen ziehen gegen das Wohl der Bürger:innen). Laschet sei Bilderberger, Scholz auch: „Die beiden Bilderberger setzen sich zusammen, da wird für jeden was dabei sein, und die Grünen (…) können noch ein paar Windräder verkaufen, um Geld zu verdienen.“ Getroffen zeigt sich Schrang vom Wahlausgang in Mecklenburg-Vorpommern, warum die Menschen „Peinigerin Schwesig“ selbst gewählt hätten: „Da hat wohl die Impfung zugeschlagen, da war nicht mehr viel vorhanden im Köpfchen.“

Wäre das eine Impffolge, müsste Schrang sehr durchgeimpft sein.

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