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Rechtsextremer Survival-Markt Vorbereitung auf „Tag X“

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Vor allem Männer scheinen anfällig für apokalyptische Fantasien. Mehr und mehr von ihnen konzentrieren sich in der Bearbeitung auf Survival- und Prepper-Szenarien. (Quelle: Una Titz, Pexels )

Besonders die Corona-Pandemie hat in Deutschland immer mehr Menschen dazu gebracht, sich auf einen Extremfall vorzubereiten. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und die Energiekrise heizt das Phänomen weiter an. Selbst das Bundesamt für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz empfiehlt, einen „ausreichenden Vorrat“ an Lebensmitteln anzulegen, mit dem man zehn Tage überstehen kann. Der Gedanke, auch für den Ernstfall gewappnet zu sein, ist für viele Menschen beruhigend. 

Diese Menschen häufen in ihrem Haus Lebensmittel und Stromgeneratoren an – und manchmal auch Waffen. Sie wollen vorbereitet sein und sich verteidigen können, wenn das System zusammenbricht.  Einige nenne den erwarteten Zusammenbruch der staatlichen Ordnung „Tag X“. Wer so ein Szenario befürchtet, und deshalb beispielsweise große Lebensmittel- und Benzinvorräte anlegt, mag harmlos sein. Wer sich allerdings Waffen beschafft und Vorbereitungen trifft, um einen Umsturz selbst herbeizuführen, ist es nicht.

Menschen, die sich intensiv auf Krisenzeiten vorbereiten, nennen sich Prepper. Sie müssen nicht zwangsläufig Verschwörungsgläubige oder Rechtsextreme sein. Doch die Verunsicherungen unserer Zeit haben breite gesellschaftliche Kreise durchdrungen. Vor allem Männer scheinen anfällig für apokalyptische Fantasien. Mehr und mehr von ihnen konzentrieren sich in der Bearbeitung auf Survival- und Prepper-Szenarien. 

So entsteht ein Markt. Und so boomt seit einigen Jahren das Angebot von Survival-Expert*innen. Sie schreiben Bücher zum Überleben in der Wildnis, geben Tipps zum Feuermachen, bei der Navigation ohne Geräte und bei der Lagereinrichtung sowie beim richtigen Verhalten in Notfällen. Viele bieten Überlebenskurse in der Natur an. Im Internet finden sich unzählige Versände, die sich auf den Bereich Krisenvorsorge spezialisiert haben. Sie bieten beispielsweise bereits vollgepackte Fluchtrucksäcke, Schnee-Tarnanzüge und Stromgeneratoren an. Solchen Versänden wird häufig vorgeworfen, sie würden Geld mit der Angst der Menschen verdienen. 

Kopp-Verlag: Alles für den Untergang

Eine der größten deutschsprachigen Websites auf diesem Gebiet ist der schwäbische Kopp-Verlag. Ein Verlag, der „klare Bezugspunkte ins rechte und rechtsradikale Milieu“ habe und sich „mit seinem Verlagsprogramm an der Delegitimierung der Demokratie“ beteiligt, beschreibt der Rechtsextremismus-Experte Matthias Quent. Der Verkauf von rechts-esoterischen und verschwörungsideologischen Büchern ist lange nicht mehr das einzige wirtschaftliche Standbein des Verlags. Kopp ist einer der größten Player im Vertrieb von Survival-Produkten im deutschsprachigen Raum.

Wie auch klassische Marken scheint der rechtsextreme Kopp-Verlag auf Vermarktung der eigenen Produkte durch Influencer*innen zu setzen – extrem rechte Influencer:innen. So wirbt etwa der ehemalige Schlagersänger, mittlerweile jedoch lediglich antisemitischer Verschwörungsverbreiter Michael Wendler mehrmals täglich für Kopp-Survival-Produkte auf seinem über 100.000 Abonnenten starken Telegram-Kanal. Er wirbt für Dosenbrot für 33,99 Euro mit den Worten: „SCHÜTZE DICH WENN SUPERMÄRKTE SCHLIESSEN“, für einen knapp 300 Euro teuren Wasserfilter und Waffen, für die es keinen Waffenschein benötigt. Auch die extrem rechten YouTuber Miró Wolsfeld alias Unblogd, Verschwörungsideologe Oliver Janich (beziehungsweise seine Telegram-Administratoren, da er selber ja momentan in Haft sitzt) und die ehemalige Tagesschau-Sprecherin und mittlerweile Verschwörungslügen-Verbreiterin Eva Hermann werben regelmäßig mit Kopp-Survival-Produkten und mahnen ihre Fans sich auf den Ernstfall vorzubereiten.

Verschwörungsverbreiter Michael Wendler wirbt mehrmals täglich für Kopp-Survival-Produkte auf seinem Telegram-Kanal. (Quelle: Screenshot Telegram)

Vorbereitung auf die Apokalypse

Die Erzählung und die Panikmache um jenen „Tag X“ kann als bindendes Element verschiedener rechtsextremer und demokratiefeindlicher Strömungen bezeichnet werden. Sie eint die Unzufriedenheit mit der deutschen Demokratie. Hinzu kommen oft Verschwörungserzählungen, über irgendwelche, zumeist jüdische Eliten, die „die weiße Rasse“ versklaven wollen. Ein Blackout, der Zusammenbruch der staatlichen Ordnung, ein Bürgerkrieg – das sei unausweichlich, glauben sie. Es sei nur eine Frage der Zeit. Dabei kursieren unterschiedliche Vorstellungen, warum es zum Zusammenbruch kommt, beispielsweise wegen starker Migrationsbewegung (sie nennen es „Massenmigration“ oder „Bevölkerungsaustausch“), wegen eines von satanistischen Eliten herbeigeführten wirtschaftlichen Zusammenbruchs („Great Reset“) oder weil böse Eliten Menschen durch Maschinen ersetzen wollen („Transhumanismus“). 

Im realitätsfernen Wahn glauben erschreckend viele Menschen, dass nun die Zeit gekommen sei, in der nichts weiter helfe als Selbstverteidigung – oder der Aufstand gegen das „Regime“. Jetzt müsse man aktiv gegen das verhasste demokratische System vorgehen und sich gleichzeitig auf den Kollaps des Systems vorbereiten. Einige wollen aktiv kämpfen, schließlich sei es die Endschlacht. Sie legen Feindeslisten an, welche Politiker*innen und Journalist*innen als erstes hingerichtet werden sollen. Sie planen, in den Bundestag einzudringen und Politiker*innen als Geiseln zu nehmen. Andere wiederum, planen sich im Ernstfall zu verstecken, beispielsweise im Wald. Dort müssen sie dann abseits der Zivilisation überleben.  

Seit Jahren bereiten sich Rechtsextreme auf diesen „Tag X“ vor. Einige trainieren sich in verschiedenen Kampfkunsttechnik für den politischen Umsturz am viel beschworenen „Tag X“. Malte Redeker, Europa-Chef der Neonazi-Bruderschaft „Hammerskins“, erläuterte 2019 auf dem  faschistischen Kampfsport-Event „Kampf der Nibelungen“ (KdN) in Ostritz dem Publikum, wofür es neonazistischen Kampfsport brauche: „Es ist für die Psychologie wichtig, für den Mehrwert auf der Straße, fürs Selbstvertrauen, für die körperliche Verfassung und für die viel beschworene Stunde, Tag X, ist es vonnöten sich verteidigen zu können.“ Andere Rechtsextreme planen ganz konkret Anschläge auf die kritische Infrastruktur, um so einen Blackout herbeizuführen, der wiederum zum Bürgerkrieg führen soll, an dessen Ende ein rechtsextremes totalitäres Regime stehen soll, so zum Beispiel die „Patriotische Union“ oder die „Vereinte Patrioten“. Einige Neonazis nutzen aber vor allem die Angst vor einem angeblich drohenden Bürgerkrieg, um Geld aus den Taschen der Kamerad*innen zu locken und bieten, meist gegen Bezahlung, Tipps und Materialien für die Vorbereitung auf den „Tag X“ und den Kampf um die Macht. In Zuge dessen gibt es mittlerweile eine enorme Bandbreite an rechtsextremen Survival-Expert*innen.  

Rechtsextreme Survival-Experten

Der NPD-Mann Sebastian Schmidtke ist einer von ihnen. Er bietet seit rund zwei Jahren über Social Media und einem eigenen YouTube-Kanal Tipps zum autarken Leben. Er filmt sich beim Wandern im Wald, gibt’s Tipps, wie Menschen die Himmelsrichtung erkennen können, testet den Gebrauch von Waffen und hat ab und an rechtsextreme Kader im Interview. So spricht er beispielsweise mit der Neonazi-Größe Thorsten Heise, der Schmidtke seinen Hof vorführt. Auch in urbanen Regionen solle man sich Gedanken darüber machen, was man machen soll, wenn „hier die Krawalle losgehen“, mahnt Heise und blickt bedeutungsschwanger in die Kamera. Neben seinem YouTube-Kanal, dessen Videos eine Viertelmillion mal angeschaut wurden, betreut Schmidtke noch zwei online Versandhandel. Dort verkauft er neben schwarz-weiß-roten und Kaiserreichs-Fahnen, den Energy-Drink von Attila Hildmann, auch Messer und Armbrüste. Im Impressum beider Seiten ist jeweils die Adresse der Parteizentrale der neonazistischen NPD in Berlin-Köpenick angegeben.

Sebastian Schmidtke (l.) und Thorsten Heise (Quelle: Screenshot Video)

Auch der Holocaustleugner Nikolai Nerling, der auch als „Volkslehrer“ bekannt ist, spricht viel und gerne über den „Überlebenskampf“. In einem Video trifft er beispielsweise Peter Wörner. Wörner war Teil der rechtsterroristischen Reichsbürgergruppe, die am 7. Dezember hochgenommen wurde. Wörner war von 1990 bis 1998 in der Liegenschaft der Bundeswehr in Calw als Fallschirmjäger tätig. Nicht mehr als Einzelkämpfer, wie er betont, bereitet er sich nun auf den staatlichen Zusammenbruch vor. Unter dem Namen „Wolfszeit Naturkraft“ bot er vor der Festnahme Seminare in Survivaltraining, Runenschnitzen und anderer Outdoor-Aktivitäten an. Doch nicht nur beim Antisemiten Nerling durfte Wörner vor der Kamera sprechen. Selbst im ZDF war er bereits zu sehen.  

Auch der Holocaustleugner Nikolai Nerling, der auch als „Volkslehrer“ bekannt ist, spricht viel und gerne über den „Überlebenskampf“. In einem Video trifft er beispielsweise Peter Wörner. Wörner war Teil der rechtsterroristischen Reichsbürgergruppe, die am 7. Dezember hochgenommen wurde.

Aber auch rechtsextreme Gruppen, wie die sogenannte „Identitäre Bewegung“ und ihre unzähligen Ableger oder auch Teile der „Jungen Alternativen“ (JA) der Jugendorganisation der AfD, bieten Survival-Trainings für ihre jungen Fans an. Nach erfolgreich überstandener Nacht im Wald posten die meist jungen Männer dann stolz ihre Fotos auf Instagram.

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