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Ende der Menschheit Der neueste Verschwörungstrend – Transhumanismus 

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Transhumanismus eine unpolitische philosophische Denkrichtung. Dahinter steht die Idee, Menschen durch Technologie und Wissenschaft zu optimieren. (Quelle: Pexels)

Die Menschheit ist wieder einmal in Gefahr. Und warum?„Den Globalisten geht es um Macht und Kontrolle“, so beginnt der extrem rechte Medienaktivist Stefan Magnet seine „Sondersendung“ auf dem verschwörungsideologischen Portal Auf1. In der verschwörungsideologischen Welt klingt das wie ein plausibles Argument. Der alarmierende Titel des Videos vom 12. November 2022 lautet „Tödliche Agenda: Der Plan ist durchschaut!“. Den Plan, den Magnet hier angeblich aufgedeckt hat, ist nichts anderes als die neueste Verschwörungserzählung, die sich unter dem Namen Transhumanismus zusammenfassen lässt. Passend dazu hat Magnet zu dem Thema ein Buch geschrieben, für das er fleißig die Werbetrommel rührt. Die transhumanistische Verschwörungserzählung propagiert, dass eine böse Finanzelite die Menschheit durch Maschinen ersetzen wolle.

Es ist nicht die erste Ersetzung, die die Menschheit ereilt. Nach der Erzählung des „Großen Austausches“, wonach die weiße Bevölkerung durch Migrant*innen ersetze werden solle, dem „Great Reset“, den planmäßig herbeigeführten Finanz-Crash, um eine neue unterdrückende Weltordnung zu erreichten, ist der Transhumanismus die neueste Erzählung aus und für die Szene. Wobei hier die Geschichten des „Bevölkerungsaustausches“ und des „Great Reset“ passenderweise miteingebunden werden.Verschwörungs-Propagandist*innen setzten die Erzählung um den Transhumanismus ein, um die Erzählung des übergreifenden „Great Reset“ zu konkretisieren. 

Was ist Transhumanismus? 

Zunächst einmal ist der Transhumanismus eine unpolitische philosophische Denkrichtung. Dahinter steht die Idee, Menschen durch Technologie und Wissenschaft zu optimieren. In der Kombination aus menschlichen Ressourcen und Technik wollen Transhumanist*innen Fortschritt erzielen. Transhumanist*innen wollen biologische und geistige Grenzen überwinden. Sie wollen mithilfe von Technologie versuchen, Krankheit, Alter und sogar den Tod zu überwinden. 

Einer der prominentesten Vertreter dieser Idee ist der israelische Historiker Yuval Hararis, dessen Sachbuch zum Thema „Homo Deus – Eine Geschichte von Morgen“ zum Bestseller wurde. Kritiker*innen dieser Ideologie haben ethische Bedenken. Sie befürchten, dass ein Rennen um den perfekten Menschen losbricht.

Stefan Magnet und weitere Verschwörungs-Propheten und Rechtsextreme nutzen diese Theorie aber seit einiger Zeit für ihre ideologischen Zwecke. Der Transhumanismus sei ein „satanistischer Plan“ der Globalist*innen, so Magnet. Er sei die wahre Grundlage all ihres Handelns. Die Globalist*innen, so Magnet, würden die Menschen „verachten“. Für sie sei der Großteil der Menschen „schlicht nutzlose Masse“. Mit transhumanistischen Ideen würden die Globalist*innen nun den „konkreten Versuch“ unternehmen, „den Großteil der Menschen abzuschaffen und den Rest zu unterjochen“. Ihr Ziel sei die komplette Kontrolle über die Menschheit. Magnet behauptet, „der Great Reset, die Homotransgender-Bewegung, die Klimapanikmache, die Massenmigration, die mediale Gehirnwäsche, die Abhängigkeit von Microsoft und Google“ würden lediglich dem Ziel dienen, Kontrolle über die gesamte Menschheit zu erlangen. Die Panikmache vor Wissenschaft und Fortschritt, den diese Verschwörungsideologen betreiben, knüpft dabei perfekt an die Wissenschaftsfeindlichkeit und Ängste von Anti-Impf-Kampganen an. 

Weiße Menschen seien ab 2045 unfruchtbar – auch dank LGBTQ*

Magnet ist sich sicher: im Jahr 2045 sei die „weiße Menschheit unfruchtbar“. Warum? Ab da sollen Menschen im Labor nach transhumanistischen Vorstellungen produziert werden. Zu dieser Form der Geburtenkontrolle trage angeblich die Klimabewegung bei, weil einige Aktivist*innen aus ökologischen Gründen keine Kinder bekommen möchten. Maßgeblich schuld an der Unfruchtbarkeit der Europäer*innen und Nordamerikaner*innen sei allerdings die „brutale und allgegenwärtige trans-homo-gender Propaganda“.

Magnet macht vor allem sich als queer definierende Menschen dafür verantwortlich, dass die gesamte Menschheit angeblich versklavt werden solle. Bestens spielt er dabei auf der Klaviatur des Verschwörungsglaubens, der erlaubt, hinter vielen vermeintlichen Zeichen versteckte Botschaften zu sehen. Argumentativ funktioniert das etwa so: Große Konzerne seien an der Kontrolle und Unterdrückung der Menschen maßgeblich interessiert, weil sie in Magnets Vorstellung schließlich von den satanistischen Globalist*innen geleitet würden. Und wer unterstützen die LGBTQ*-Community einmal im Jahr mit Regenbogenflaggen auf ihren Social Media Profilen? Konzerne! Und das hat in einer verschwörungsideologischen Welt nichts mit Kapitalismus und Marketing zu tun, sondern soll direkt zum Aussterben der Menschheit führen.

Stefan Magnet erkennt in Farben und Zeichen eine große Verschwörung

Auch der Vatikan hänge da mit drin. Das meint Magnet zumindest an einem Logo des Vatikans erkannt zu haben. Denn Magnet ist sicher: Alle Bösen würden sich schließlich durch einen bunten Kreis oder eine Farbkombination zu erkennen geben. Wer an diesen Verschwörungsmythos glaubt, wird diese Farbkombination beinahe überall erkennen können. 

Die wahnsinnige Geschichte um diese satanistische Geld-Elite, die die Menschheit durch queere Propaganda und implantierte Chips ausrotten wolle, verbreitet Magnet jedoch nicht allein. 

Jürgen Elsässer, Chef des rechtsextremen Compact-Magazins, veröffentlicht seit einiger Zeit diese Erzählung. Durch die Corona-Impfung würden den Menschen kleine Prozessoren unter die Haut gespritzt, behauptet er. „Die Planer des Great Reset wollen damit die Menschen kontrollieren und eine neue Spezies erschaffen“. Bei Verschwörungserzählungen geht es stets um ein „Gut gegen Böse“. In dieser Bipolarität sieht Elsässer in Russland den letzten möglichen Bezwinger der bösen Transhumanist*innen. Hinter Putins Russland würden sich die „Kräfte auf der Welt sammeln, die die traditionellen Identitäten – Völker und Nationalstaaten, Religion und Transzendenz, die Bipolarität der Geschlechter und die Unantastbarkeit des Erbgutes – gegen den transhumanistischen Ansturm der Eliten verteidigen.“ 

Auch Alexander Dugin, ein „neurechter Denker“ aus Russland, redet viel über den Transhumanismus. Bei ihm wird die Ablehnung alles Modernen und des Westens wohl am deutlichsten. In einem Interview mit dem Compact-Magazin sagte er, dass der Teufel und die „globalistische Agenda“ beinahe an ihrem Ziel angelangt seien, den „Antichristen“ zu erschaffen. Dugin, bei dem alles in einem rechtsextremen Sinn christlich-esoterisch aufgeladen ist, sieht den Transhumanismus als Idee des Teufels. Indem die Erzählung um den Transhumanismus als Gegenpart zum Christentum aufgebaut wird, kann diese Verschwörungserzählung besonders anschlussfähig im fundamental christlichen Milieu sein. 

Der inhärente Rassismus

In der Verschwörungserzählung um den Transhumanismus schwingt stets der Gegensatz „Natürlich versus künstlich“ mit. „Das Volk“ oder „die Rasse“ ist in den Augen der Rechtsextremen etwas Natürliches, das von einem Außen bedroht wird, etwa durch Migration. 

Martin Sellner, Kopf der deutschsprachigen rechtsextremen „Identitären Bewegung“, schrieb ebenfalls über den Transhumanismus und ordnet diesen in die verschiedenen weiteren rechtsextremen Erzählungen ein: „Der Transhumanismus, die Gender-Ideologie, der sogenannte Antirassimus und die Digitalisierung der menschlichen Identität folgen einem Vektor“ (sic!). Das große überlagernde Ziel ist der „Great Reset“ oder die „Neue Weltordnung“. Eine diverse Gesellschaft sei das Hauptziel der Globalist*innen, so Sellner. Da die Umsetzung des Transhumanismus noch einige Zeit in Anspruch nehmen würde, sieht er die vermeintliche Gefahr eher im angeblichen „Bevölkerungsaustausch“, also dem „Großen Austausch“. Den Hauptakteur hinter den Verschwörungsideen sehen Sellner wie Compact im jüdischen Milliardär George Soros – ein Lieblingsfeindbild der Antisemit*innen weltweit. 

Auch in den USA hat die Transhumanismus-Verschwörungserzählung viele Anhänger*innen. Der Verschwörungs-Guru Alex Jones von Infowars warnt bereits seit Jahren vor Transhumanist*innen. Und auch der ehemalige Trump-Berater Steve Bannon hat diese Erzählung häufig verbreitet. Der Täter, der am 28. Oktober, in Haus der demokratischen US-Politikerin Nancy Pelosi (82) eingedrungen ist und ihren Mann Paul brutal angegriffen hat, veröffentlichte auf seinem Blog ebenfalls Inhalte zu dieser Verschwörungserzählung. 

Wie so oft bei Verschwörungsmythen ist auch die der „satanistischen“ Transhumanist*innen antisemitisch aufgeladen. Auch wenn die Verbreiter*innen es selten explizit sagen, so geben sie doch genügend Hinweise darauf, dass hinter allem Übel einflussreiche Jüd*innen stehen würden. Auch „Globalist*innen“, von denen Stefan Magnet redet, ist eine antisemitische Chiffre für Jüdinnen und Juden.   

Als Personifizierungen der übermächtigen Schurken in den Erzählungen des „Bevölkerungsaustausches“ und des „Great Resets“ werden George Soros und Klaus Schwab beschrieben. Im Verschwörungsmythos um Transhumanismus fungiert Yuval Noah Harari als der ultimative Bösewicht. Da passt es für die Szene gut ins Bild, dass Harari Jude ist und in einer homosexuellen Beziehung lebt. So können sich die Demokratiefeind*innen bei ihm an gleich zwei Feindbildern abarbeiten: Jüd*innen und LGBTQ*.

 

Dieser Text entstand in Kooperation mit dem Projekt Get The Trolls Out.

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