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Rechtsrock SoundCloud hat ein Nazi-Problem

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Auf SoundCloud sind etliche Lieder aus dem rechtsextremen Spektrum leicht zu finden
Auf SoundCloud sind etliche Lieder aus dem rechtsextremen Spektrum leicht zu finden (Quelle: SoundCloud-Screenshot/Belltower.News-Collage)

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Der Online-Musikdienst SoundCloud ist eine Brutstätte für rechtsextreme Musik und verfassungsfeindliche Interpreten. Mit wenigen Klicks sind Bands und Tonträger, die in Deutschland verboten sind, leicht zu finden. Die Titel hetzen gegen Migrant:innen und Jüdinnen:Juden, verherrlichen den Nationalsozialismus oder feiern Rechtsterroristen. Auch Songs von zahlreichen internationalen Neonazi-Bands aus der Rechtsrock-Szene sind auf der Plattform, wie Skrewdriver oder Gruppen aus dem „Blood & Honour“-Netzwerk. Manche Lieder wurden bereits mehr als 100.000 Mal angehört und sind bereits seit Jahren auf der Plattform. In den Profilfotos von Nutzer:innen sind unter anderem Hakenkreuze, Reichsflaggen und SS-Runen zu sehen, manche nennen sich nach Nationalsozialisten wie Rudolf Heß oder Oskar Dirlewanger. Das zeigen Recherchen von Belltower.News.

2007 wurde SoundCloud in Stockholm gegründet – als Streaming-Plattform für Produzenten, um ihre neuesten Kompositionen mit Fans und anderen Künstler:innen zu teilen. Schnell zog das Online-Unternehmen nach Berlin, wo sein Hauptsitz bis heute liegt. Inzwischen hat SoundCloud laut eigenen Angaben 425 Mitarbeiter:innen und bietet eine Plattform für mehr als 250 Millionen Tracks von 30 Millionen Künstler:innen und „Content Creators“ aus 190 verschiedenen Ländern – vor allem aus der elektronischen Musikszene. Das Unternehmen beschreibt sich selbst als die „weltweit größte Musik- und Audio-Plattform“. SoundCloud hat offenbar ein progressives Selbstverständnis: Auf der Plattform ist das Logo aktuell mit einem Regenbogen geschmückt, dazu die Erklärung, dass das Unternehmen LGBTIQ*-Communitys unterstützt. Doch gleichzeitig bietet SoundCloud Neonazi-Bands eine Bühne.

In Deutschland wurden bislang nur zwei Rechtsrock-Bands verboten: Landser und Race War. Beide gelten laut Gerichtsurteilen als kriminelle Vereinigungen, sie dürfen weder auftreten, noch Musik veröffentlichen. Beide sind aber bis heute auf Soundcloud zu finden. Die Bands selbst haben keine offiziellen Profile, ihre Musik wird stattdessen von Fans hochgeladen: Ein Lied von Race War ist zum Beispiel seit sechs Jahren auf der Plattform, andere Titel wurden erst vor wenigen Wochen hochgeladen. In der Regel sind nur einzelne Lieder der Bands zu finden, doch es gibt zum Teil auch komplette Alben samt Cover, wie das 1995 veröffentlichte Landser-Debüt „Republik der Strolche“.

Das indizierte Album „Republik der Strolche“ der verbotenen Neonazi-Band Landser, die in Deutschland als kriminelle Vereinigung gilt (Quelle: Screenshot von SoundCloud)

Auf dem Album sind Songs wie „Klan-Song“, „Afrika-Lied“ und „Ian Stuart“ – ein Gedenklied für den Frontmann der Neonazi-Band Skrewdriver und „Blood & Honour“-Gründer Ian Stuart Donaldson. In einer Strophe heißt es etwa: „Du schriebst unsere Hymne ‚White Power‘ / Und fordertest Freiheit für Heß / Du sangst vom Kampf unserer Soldaten / Gegen die rote Pest“. Im „Afrika-Lied“ lautet es im Refrain: „Afrika für Affen, Europa für Weiße, steckt die Affen in ein Klo und spült sie weg wie Scheiße.“ Das Album wurde wegen der strafrechtlichen Brisanz der Texte in Schweden aufgenommen und vom dänischen Laben „NS Records“ vertrieben. Die CDs wurden nach der Veröffentlichung per Post nach Deutschland geschickt oder musste über die Grenze geschmuggelt werde. Ein Bandmitglied wurde im Jahr 1996 mit 2000 CDs festgenommen. Denn seit September 1996 ist das Album in Deutschland indiziert. Doch auf SoundCloud können Fans das rechtsextreme Album weiterhin ungestört hören.

Landser und Race War sind keine Ausnahmen: Aus dem „Blood & Honour“-Netzwerk sind zum Beispiel auch Lieder der britischen Band Brutal Attack auf der Plattform. Der Suchbegriff „Blood & Honour“, unter anderem ein Titel der Band Skrewdriver, hat mehr als 500 Ergebnisse auf SoundCloud, die meisten davon mit klarem Bezug zu Rechtsextremismus. Seit 2001 ist das militante Neonazi-Netzwerk „Blood & Honour“ in Deutschland verboten.

Auch die Musik der einschlägigen Bands der Rechtsrock-Szene ist auf SoundCloud, zum Beispiel von Die Lunikoff Verschwörung, Erschiessungskommando, Kategorie C, Oidoxie, Sturmwehr und Nordfront. Die Bands sind zwar nicht verboten, ihre Texte sind aber häufig genauso extrem wie die von Landser und Race War. Hinzu kommt beispielsweise eine Sendung des „Nationalrevolutionären Radios“ der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“, die seit zwei Jahren auf SoundCloud ist und mehr als 8000 Mal angehört wurde. In der Sendung spricht die Neonazi-Partei mit dem Ex-Landser-Sänger und Lunikoff-Frontmann Michael Regener.

Der österreichische NS-Rapper Mr. Bond, der Popsongs parodiert und mit rechtsextremen Inhalten füllt, ist ebenfalls auf der Plattform (siehe Belltower.News). Im Januar 2021 wurde der anonym agierende Nazi in Kärnten festgenommen und sitzt nach Belltower.News-Informationen immer noch in Untersuchungshaft. Eine Coverversion von Bonnie Tyler mit dem Titel „Holding Out For A Tarrant“, die er dem rechtsterroristischen Christchurch-Attentäter widmete, der 2019 in zwei neuseeländischen Moscheen 51 Menschen ermordete und 40 weitere verletzte, wurde von einem Nutzer auf der Plattform hochgeladen.

Mr. Bond inspirierte auch den Halle-Attentäter, der sein Lied „Powerlevel“ während seines Anschlags auf eine Synagoge und einen Dönerladen 2019 abspielte. Im Song rappt Mr. Bond etwa „rep the fash, gotta rep the fash“ (zu Deutsch sinngemäß: „repräsentiere den Faschismus“) und „master race, antithesis to the Jew“ („Herrenrasse, Antithese zum Juden“). Im Sommer 2020 sagte der Halle-Attentäter vor Gericht aus, der Mr.-Bond-Titel sollte als „Kommentar zur Tat“ fungieren. Auch dieser Track ist auf SoundCloud. Weitere Mr.-Bond-Titel auf der Plattform sind etwa „Mass N******“ (auf SoundCloud unzensiert), „Concentration Camp“ und „The Mosque Is On Fire“.

Vor allem NS-Verherrlichung grassiert auf SoundCloud: Mindestens 32 SoundCloud-Nutzer:innen haben sich nach dem Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß benannt, einige von ihnen zeigen den NS-Reichsminister in ihren Profilfotos, andere stattdessen Hakenkreuze, Totenköpfe oder SS-Offiziere. Der Suchbegriff „Horst-Wessel-Lied“, ein Kampflied der Nationalsozialisten, hat knapp 160 Ergebnisse, viele mit Hakenkreuz-„Coverart“. Eine Version des Liedes wurde vom Nutzer „Jew Hunter“ hochgeladen. Seit 1945 ist das „Horst-Wessel-Lied“ in Deutschland verboten. Auch Playlists mit Wehrmachtsmusik aus dem Zweiten Weltkrieg sind auf der Plattform leicht zu finden, manche Lieder wurden bereits fast 90.000 Mal angehört.

Klar wird: SoundCloud hat ein Problem mit Rechtsextremismus. Die Plattform fungiert wie ein rechtsfreier Raum für die Neonazi-Szene, wo verbotene Bands, indizierte Alben, Holocaustrelativierung und NS-Verherrlichung freien Lauf haben. Das ist vor allem auf eine lasche Moderationspolitik zurückzuführen. Einzelne Fälle von Hate Speech sowie rechtswidrigen Inhalten können zwar von Nutzer:innen selbst gemeldet werden. SoundCloud schreibt dazu: „Es ist zwar in unserem Sinne, dass jeder seine Meinungen und Ansichten frei äußern kann; es ist jedoch nicht gestattet, SoundCloud zu nutzen, um illegale Inhalte oder Inhalte in Verbindung mit extremistischen Ideologien zu teilen.“ Doch die Meldefunktion ist in der Praxis sperrig: Man wird zunächst auf eine FAQ-Seite umgeleitet, auf der man ein neues Kontaktfenster öffnen und schließlich auch eine Beschreibung des Problems eintippen muss. Eine Sisyphus-Aufgabe angesichts der hohen Zahl an rechtsextremer Lieder, Bands und Nutzer:innen.

Doch ein weiteres Problem sind die SoundCloud-Algorithmen. So unterstützt die Ergänzungsfunktion Nutzer:innen, die nach rechtsextremer Musik suchen: Wer zum Beispiel nur „Horst“ als Suchbegriff eingibt, bekommt als erstes „Horst Wessel Lied“ vorgeschlagen. Mithilfe der Empfehlungsfunktion werden zudem Nutzer:innen ähnliche rechtsextreme Titel vorgeschlagen. Wer etwa das Race-War-Lied „They Were Heroes“ hört, wird als nächstes „Night Trains“ von Skrewdriver, ein Titel der neonazistische Hardcore-Band Blue Eyed Devils und das Landser-Lied „Hey Jew“ empfohlen. Das Coverbild für „Hey Jew“ ist eine antisemitische Karikatur aus der NS-Zeit, das Lied hat zudem der Hashtag „#Antizionist“ sowie die folgende Beschreibung: „Israel sucks ! Jews steal land and money, it´s a typical jew behavior.“ Das Lied ist seit neun Jahren auf SoundCloud und wurde bereits mehr als 12.000 Mal angehört.

Auf Anfrage von Belltower.News sagt eine Pressesprecherin des Unternehmens: „SoundCloud ist eine offene Plattform, auf der die freie Meinungsäußerung wichtig ist. Um diese Glaubwürdigkeit zu wahren, nehmen wir jeden Verstoß gegen unsere Nutzungsbedingungen oder Community-Richtlinien ernst.“ Rassistische Aufrufe zu Hass und Gewalt seien auf SoundCloud verboten, heißt es weiter. Die Plattform habe „klare operative Protokolle“ und ein „engagiertes Vertrauens- und Sicherheitsteam“, das alle gemeldete Tracks schnell überprüfe. Einige wenige Beispiele, die Belltower.News nannte, wurden nach unserer Anfrage von der Plattform entfernt. Doch SoundCloud ist offenbar das Ausmaß des Problems nicht bewusst und ihre Moderationspolitik ist in der Praxis wenig effektiv: Denn seit Jahren hostet die Plattform etliche rechtsextreme Titel, die bis heute nicht gelöscht wurden.

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