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Rotterdam Shooting Rechtsextremer mit pakistanischen Wurzeln erschießt drei Menschen

Medizinstudent Fouad L. tötete am 28. September 2023 in Rotterdam drei Menschen bei einem Terroranschlag. Online postet der 32-Jährige rechtsextreme Ideologie und Incel-Inhalte.

 
Trauer in Rotterdam: Menschen legen Blumen vor das Gebäude, in dem Mutter und Tochter von einem Rechtsextremen ermordet worden sind. (Quelle: picture alliance / ROBIN UTRECHT | Robin Utrecht)

Bei einem Täter mit pakistanischen Wurzeln mag rechtsextreme Ideologie nicht der erste Gedanke zur Tatmotivation eines Terroranschlags sein – doch die Inhalte, die Fouad L. online, vor allem auf dem Imageboard 4chan, geteilt hat, zeigen: Der 32-jährige Medizinstudent sah sich als Arier an und bezeichnete Araber als „Herrenrasse“, verbreitete Rassismus gegen Schwarze Menschen, Antisemitismus, Queerfeindlichkeit und Hass auf Frauen.

Am 28. September 2023 tötete der in Camouflage-Kampfmontur mit Schutzweste gekleidete Täter im Rotterdamer Stadtteil Delfshaven als Erstes seine 39-jährige Nachbarin und verletzte deren 14-jährige Tochter mit einer Handfeuerwaffe so schwer, dass auch das Mädchen später im Krankenhaus verstarb. Dann steckte er die Wohnung in Brand und fuhr zur Erasmus-Uniklinik, an der er selbst Medizin studierte. Hier dringt der 32-jährige Student in einen Unterrichtraum ein und ruft: „Es ist Zeit“. Mit fünf gezielten Schüssen ermordet er den 43-jährigen Hausarzt und Dozenten Jurgen D., legt ein weiteres Feuer im Raum. In der Universität bricht Panik aus, Student*innen laufen aus dem Gebäude, Patient*innen werden evakuiert oder verbarrikadieren sich in Behandlungsräumen. Der Täter wird schließlich von der Polizei festgenommen. Er leistet keinen Widerstand.

Damit hat Fouad L. auf traurigste Art und Weise bewiesen, dass eine Entscheidung richtig war, die seine Universität zuvor getroffen hatte: Dass sie ihm verweigerte, Arzt zu werden. Er hatte zwar formell alle notwendigen Prüfungen bereits bestanden, um Arzt zu werden, doch die Strafverfolgungsbehörden hatte sich an die Universität gewandt, weil L. immer wieder sadistisches und psychotisches Verhalten gezeigt hatte.

So ist der Mann immer wieder durch Tierquälerei auffällig geworden. Er erschoss nach Medienberichten 2018 einen Karpfen in einem Teich mit einer Armbrust, weil er meinte, Fische hätten keine Gefühle, 2021 trat er sein Kaninchen und warf mit Ziegelsteinen nach ihm, was Nachbarn filmten und anzeigen, 2022 quälte er seinen Hundewelpen, der dabei so schmerzerfüllt heulte, dass seine Nachbarn ihn erneut anzeigten. Er war 2021 wegen Tierquälerei zu Sozialstunden verurteilt worden. Die Quälerei des Hundes blieb vor Gericht ungesühnt, doch die Strafverfolgungsbehörden wandten sich an die Erasmus-Universität wegen des „psychotischen Verhaltens“ des Angeklagten. Die Wohnung sei bei einem Besuch voller Tierkot gewesen. Zeugen hätten ausgesagt, er lege sich bisweilen halbnackt im Garten auf einen Blätterhaufen und schreie dabei. Auf seinem Mobiltelefon fanden die Ermittler*innen rechtsextreme Inhalte und Videos, die Morde durch Messerstiche zeigen.

In den Social-Media-Postings des Täters klingt dies alles ganz anders. Er beschreibt sich als Genie mit Asperger-Syndrom und einem Alkoholproblem, der keine sozialen Kontakte habe, weil er anderen zu merkwürdig sei, sie ihm nicht folgen könnten, was aber deren Schuld sei. Wenn er Tests nicht bestand, dann weil er „überkompetent“ sei, aber dafür werde er von anderen Menschen „bekämpft“. Überhaupt ist alles, vor allem sein berufliches Scheitern nach den Anzeigen der Tierquälerei, die Schuld anderer Leute: „Erfolg ist davon abhängig, wie sehr dich Normies mögen. Die ganze Welt hasst uns. Einen hohen IQ haben ist wie ein Adliger während der Französischen Revolution zu sein“, schreibt er etwa. „Normies“ ist ein abwertender Imageboard-Begriff für Menschen, die durchschnittlichen sozialen Standards und Werte entsprechen und folgen. Die Schlussfolgerung aus seinen Hasstiraden: „Tod allen Normies“, denn „Normies hassen uns, die wollen, dass wir tot sind.“ Er beschreibt Menschen generell als „wertlos“.

Auch Antisemitismus ist Teil des Weltbildes von Fouad L.. Er verwendet antisemitische Chiffren, wie drei Klammern um Worte, um jüdische Einflüsse zu suggerieren, schreibt etwa „(((psychology)))“. Die Schuld für das Ende seiner Karriere schreibt er „einem jüdischen Dozenten“ zu. L. verwendet auch Incel-Begriffe wie „Roastie“ (abwertender Begriff für Frauen, die mehrere Sexualpartner hatten) oder rechtsextreme Online-Sprache wie den queerfeindlichen Code „Globohomo“, der eine vermeintliche totalitäre LGBTIQ*-Diktatur beschreiben soll. Dass er keine Freundin fand, schrieb er den Frauen zu, die nicht mit einem Genie mit Asperger-Syndrom zusammen sein wollten, weil sie ihn dann nicht anlügen könnten. Für einen Arzt auch nicht gerade hilfreich: Er ist massiver Impfgegner.

Die Ermittlungen zum Terroranschlag von Rotterdam laufen noch. Medien berichten, dass die Nachbarin, die der Täter erschossen hat, wohl diejenige war, die gefilmt und angezeigt hatte, wie er sein Kaninchen quälte. Der ermordete Dozent soll derjenige gewesen sein, den er für sein berufliches Scheitern verantwortlich machte. Die Tatmotivation ist also möglicherweise vom Scheitern der beruflichen Zukunft des Täters beeinflusst, doch die Menschenverachtung, die es braucht, um von Mordfantasien zu einem realen Terroranschlag zu kommen und Menschen wirklich zu ermorden, hat der Täter vermutlich in der rechtsextremen Online-Szene gelernt oder zumindest perfektioniert.

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