Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Social Media rechtsaußen Oliver Janich – QAnon-Desinformationen auf allen Kanälen

Von|
So sieht Oliver Janich sich gern: Als Netzwerker. Aus einem älteren Trailer seiner Videos diese Zusammenstellung. (Quelle: Screenshot YouTube)

Die selbsternannte Speerspitze der rechtsalternative Medienaktivist*innen lässt sich – neben ihrem Sendungsbewusststein – an ihrer rastlosen und nimmermüden Medienwahl erkennen: Sie senden auf allen Kanälen. 2019 war der Prototyp noch der „identitäre“ Rechtsextreme Martin Sellner, der auf allen wichtigen Plattformen zu finden war. Inzwischen sind seine Accounts allerdings von fast allen gelöscht worden worden, etwa auf Facebook (2018), Instagram (2019), Twitter (2020), YouTube (2020), so dass nur noch Nischen-Netzwerke bleiben.

Aktuell ist es jetzt Oliver Janich, der an vielen Stellen auftaucht: Seine reichweitenstärksten Kanäle sind eindeutig YouTube (159.000 Follower) und Telegram (140.300 Follower), so dass er weiterhin als YouTube-Verschwörunginfluencer richtig beschrieben ist (er selbst nennt sich „YouTube-Kolumnist“). Ein begleitender Telegram-Kanal gehört für rechtsalternative YouTuber inzwischen zum guten Ton. Aber auch auf Facebook haben ihn 20.700 Menschen abonniert. Auf der bei Rechten beliebten YouTube-Alternative „Bitchute“ sind es immerhin 7.300 – für diese Plattform eine hohe Zahl. Dann postet er noch auf „VKontakte (VK)“, einem in Russland begründeten Facebook-Klon ohne Moderation, wo er immer noch 3.100 Follower hat, auf Twitter sind es 1.300 Follower. „Instagram“ und “Facebook” hatten Janich im Zuge der ersten Löschung „identitärer“ Kanäle 2018 von der Plattform geworfen (obwohl er mit den „Identitären“ eher wenig zu tun hat). Facebook beschimpfte er danach niveauvoll als “Faschobook”, kehrte aber klammheimlich zurück. Instagram blieb Janich-frei.

Aber wer ist Oliver Janich?

Fragt man „das Internet“, finden seine Fans, er ist „unser Bester“, teilen zuhauf Janichs Videos und die ebenso zahlreichen Videos, in denen er auf anderen rechtsalternativen Kanälen zu Besuch ist. Das vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestufte „Compact“-Magazin nennt ihn den „Superstar der deutschen Truther-Szene“. Sein prominentester Fan ist Xavier Naidoo, der ihn auch gern über seinen „Telegram“-Kanal promotet. Keine Frage: PR kann der in München geborene 51-Jährige, der sich zwar gern über Migration in Deutschland echauffiert, aber seit 2015 auf den Philippinen lebt. Angeblich, weil er Angst hatte, dass die Weltwirtschaft zusammenbreche “und auf den Philippinen braucht man nicht viel”. Außerdem habe “die Antifa” seine Adresse veröffentlicht. Und in Deutschland könne er seine “journalistische” Arbeit ja gar nicht mehr machen, weil es “keine Meinungsfreiheit” mehr gäbe. Das erzählt er selbst in einem Interview auf YouTube, auf einem anderen Kanal, der ihm solche Märchen durchgehen lässt. Aber wie ist es so weit gekommen?

Oliver Janich war ursprünglich einmal ein Wirtschaftsjournalist, der für „Euro am Sonntag“ und „Focus Money“ schrieb, später auch für Medien wie die „Financial Times Deutschland“ oder die „Süddeutsche Zeitung“. Zuvor hatte er eine Banklehre gemacht und Wirtschaftswissenschaften studiert.

Abkehr vom bürgerlichen Leben

Im Studium lernte er Freunde mit krimineller Energie kennen. Mit ihnen war er Bestandteil eines Netzwerkes aus Aktienhändlern und Börsenjournalisten („Bosler-Clique“), die systematisch die Kurse von eher unbekannten börsennotierten Unternehmen hochschrieben, deren Aktien Personen in ihrem Netzwerk zuvor gekauft hatten – also klassische Marktmanipulation. Es soll ein Schaden von rund 17 Millionen Euro entstanden sein, bis das kriminelle Spiel aufflog (vgl. Spiegel 2010). Im Netzwerk gehörte Janich laut Prozess allerdings nicht zu den Drahtziehern (vgl. Spiegel 2012). Er wurde nicht angeklagt oder verurteilt. Zu Schaden kamen damals vor allem Kleinanleger*innen, die in den wilden Aktienjahren der 2000er darauf vertrauten, dass an der Börse alles mit rechten Dingen zugeht. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Janich nunmehr als Verschwörungsideologe auf diese Erfahrungen aufbauen kann und anderen Gruppen wirtschaftliche Manipulation vorwirft.

Eine Parteigründung und dann die Abkehr von der Vernunft

Währenddessen versuchte sich Oliver Janich auch noch als Parteigründer und Politiker. Ein gewisser Hang zur Selbstüberschätzung lässt sich wohl daran ablesen, dass er 2009 die „Partei der Vernunft“ [sic] gründete, weil er nach einem Gedankenspiel in „Focus Money“ über eine solche libertäre Partei, also eine, die möglichst viel staatliches Handeln ablehnt, 100 positive Leserbriefe bekommen hatte. Die „Partei der Vernunft“ lehnte den Sozialstaat ab und forderte einen dezentral organisierten Minimalstaat und direkte Demokratie. Minderheitenschutz, Menschenrechte werden Verhandlungssache. Janich war bis 2013 Parteivorsitzender, 2014 ließ er sich von der „Partei der Vernunft“ für das Amt des Oberbürgermeisters von München aufstellen – es kamen nicht einmal die dafür nötige Zahl von Unterstützerunterschriften zusammen. Die Partei existiert erfolglos weiterhin.

Und dann auch noch Verschwörungsideologien

Bereits als Finanzjournalist begann Janich, sich für Verschwörungsideologien zu interessieren. Sein Einstieg in die Welt der „Truther“, also derjenigen Verschwörungsfans, die glauben, eine anderen verborgene Wahrheit (Truth) zu kennen, waren Artikel zu Verschwörungsideologien rund um den 11. September 2011. In der Folge wurde die „Aufklärung“ über eine „New World Order“ Janichs Mission – also die antisemitisch konnotierte Verschwörungsideologie, dass im Geheimen und nur zum eigenen Vorteil agierende „Eliten“ und „Mächte“ hinter Regierungen oder Wirtschaftsmächten ständen und „die Fäden in der Welt“ zögen und eine „weltweite Agenda“ hätten – eine jahrhundertealte antisemitische Verschwörungserzählung. Die Spuren dafür „sah“ und „sieht“ er überall, in Wirtschaft und Politik. Er berichtet über Freimauererlogen und die angeblichen „Beweise“ dafür, wie sie Politiker*innen kontrollieren.

Als seriöse Medien sich dafür immer weniger mehr hergeben und Janichs Erfindungen nicht mehr veröffentlichen, schreibt er Bücher wie „Das Kapitalismus-Komplott. Die geheimen Zirkel der Macht und ihre Methoden“ (2010), „Die Vereinigten Staaten von Europa. Geheimdokumente enthüllen: Die dunklen Pläne der Elite.“ (2013) oder „New World Order Exposed: Strategy, tactics and methods of the power elite“ (2018). Außerdem veröffentlicht er in rechtsalternativen und verschwörungsaffinen Medien wie „Kopp online“ oder „Compact“, außerdem in rechtsextrem-libertären wie „eigentümlich frei“. Zu verschwörungsideologischen, antisemitischen, oft in hasserfüllter Sprache verfassten Pamphleten gesellen sich – in dieser publizistischen Umgebung quasi natürlich – auch Rassismus, Islamfeindlichkeit, Demokratiefeindlichkeit und Antifeminismus.

Und dann kam das Internet

Der Mann, von dem sich Hundertausende auf Social Media die Welt erklären lassen, hat also eine Biographie voller Fehlschläge, stand in Verbindung zur „Bosler-Clique“, deren Gier auf das Geld der „kleinen Leute“ zielte, die ihm jetzt vermutlich folgen, und er wollte mit einer Partei der Rücksichtslosigkeit für rechtsgerichtete Anarchie in Deutschland sorgen.

Trotzdem hat sich Oliver Janich, die Zahlen zeigen es deutlich, eine große Anhängerschaft erarbeitet, die über den Kauf seiner Bücher und das Abonnieren seiner „Premium“-Kanäle auch zu seinem Lebensunterhalt entscheidend beitragen dürfte.

Davon ausgehend müsste man vermuten, dass er ein Charismatiker sondergleichen wäre, um damit ein YouTube-Truther-Star zu werden, oder ein brillanter Schreiber scharfzüngiger Texte. Nichts davon ist der Fall. Er redet und schreibt prollig, manchmal erregt und mit wütiger Fäkalsprache, manchmal so eintönig, dass er wie sediert wirkt, die Analysen sind eher stumpf, können Kenntnisreichtum nicht einmal simulieren. Und auch sein Verschwörungsrepertoire ist eher durchschnittlich, dafür aber breit variiert: Der antisemitische Grundtenor einer angeblichen „Neuen Weltordnung“, die er in Politik, Wirtschaft und Unterhaltung erkennen will, Rassismus und Islamfeindlichkeit, „Lügenpresse“ und Hetze gegen die Sozialen Netzwerke, die zwar seinen Lebensmittelpunkt auszumachen scheinen, ihn ab und an aber auch einmal regulieren und sperren. Bilderberger, Freimaurer, Rothschilds überall.

2020 hatte er das Thema Klimaleugnung für sich ausgemacht, dass er sporadisch auch weiterverfolgt, aber dann kam als neuer Verschwörungstrend „QAnon“ auf. Den hatte Janich schon verbreitet, als es in Deutschland nur unter Verschwörungsideologen ein Thema war.

Oliver Janich teilte schon „QAnon“-Erzählungen, bevor es „Querdenker“ aus Süddeutschland taten (2018)

So wurde er 2020 dann zu einem der begeistertsten Verfechter dieser wahnwitzigen Verschwörungsideologie in Deutschland (vgl. Belltower.News). Seitdem quellen seine Kanäle über vor „tiefem Staat“ und angeblichen pädophilen Netzwerken, Satanismus und Donald Trump-Verehrung. Gern kombiniert er seine Themen auch, um mehr Buzzwords in den Titel seiner Videos unterzubekommen. Die heißen dann etwa:

  • „Logenbruder und Agent Provocateur“: Attila Hildmann & der Dritte Tempel
  •  Es gab nie eine Epidemie! Beweise aus den Laboren der Republik
  •  „Wir sind schon in der Corona-Diktatur“ – MdB Hansjörg Müller im Gespräch
  •  9/11: Können Flugzeuge aus Aluminium Stahlträger durchschlagen? Ein magisches Mega-Ritual
  • „Der Impfdiktator“ – Wie gefährlich ist Bill Gates?
  • Adrenochrom – die Beweise: Was CIA-Akten enthüllen
  • Insider: Bundesregierung bereitet sich auf Aufstände vor  – Bilderberger & die Coronakrise
  • Rothschild-Headhunter & Bill Gates wollen Weltregierung wegen Pandemie
  • Die satanischen Hintergründe der Klimabewegung

Das ist zwar alles Unfug, wird aber stets präsentiert mit der Anrede „Hallo, Freunde der Wahrheit“, immer mal wieder mit nichts als dem Einwurf „Das ist Fakt!“ untermauert. Oliver Janich verkauft seine Lügen als „investigativen Journalismus“ und wird vermutlich nur deshalb nicht viel häufiger verklagt, weil Nicht-Fans bei seinem eintönigen Sermon die Aufmerksamkeit verlieren.

Das große Netzwerken

Oliver Janichs große Beliebtheit scheint sich also vor allem über seine netzwerkerischen Fähigkeiten zu erklären: In seinem Verschwörungs-Rechtspopulismus-Gemischtwarenladen ist für viele andere rechtsalternative Medienmacher*innen, aber auch AfD-Politiker*innen, Rechtsextreme oder andere Verschwörungsideologen etwas dabei. Als Kolumnist im Rechtsaußen-Magazin „Compact“ hat er Bekanntheit erlangt in der Szene, diese Beziehung pflegt er beständig. Vor allem aber interviewt Janich fortwährend Menschen aus verschiedenen Teilen Spektrums, und beständig interviewen diese auch ihn. So trägt er zur Verbindung verschiedener rechter Milieus bei – und sorgt so für immer neue Konsument*innen seiner bescheidenen publizistischen Werke.

Oliver Janich interviewt Xavier Naidoo, der die Regierung verklagen will. Hat man jetzt auch nichts mehr von gehört.

Xavier Naidoo ist sein prominentester Fan und war in diesem Jahr des Öfteren in seinen Videos zu Gast. In Videos trifft er sich aber auch mit der „Querdenken“-Szene, wie Attila Hildmann, Heiko Schrang, Samuel Eckert oder Ex-Fußballnationalspieler Thomas Berthold, außerdem mit ehemals anderweitig halbprominenten und nun rechtspopulistische Menschen wie Schauspieler Michael Lesch, Ex-CDU-Minister Günther Krause, Ex-Journalist Matthias Mattussek, Ex-Nachrichtensprecherin und heutige Verschwörung-Ikone Eva Hermann oder dem Ex-Polizist, Ex-Hooligan und „PI-News“-Kolumnisten Stefan Schubert. Mit zum Repertoire gehören andere rechtsalternative Medienmacher wie der „Digitale Chronist“, Naomi Seibt, Oliver Flesch oder „Hyperion“ (Homid Mebrahtu), aber auch Rechtsextreme wie Hagen Grell, Chris Ares oder Martin Sellner. Dazu kommen andere Verschwörungsautoren wie Gerhard Wischnewski, Tilman Knechtel oder Rico Albrecht oder ein esoterischer Arzt wie Dr. Rüdiger Dahlke. Die Gespräche sind ähnlich uninteressant gestaltet wie Janichs Texte, denn seine Gesprächspartner sind in der Regel ähnlich geltungssüchtig, ideologisch und wirklichkeitsfern. Die Videos sind dann oft auch sehr lang, und das ist der einzige Trost: Dass die Anhänger dieses Alternativmedienmachers wenigstens viel Zeit verlieren, in der sie Janichs Ergüsse konsumieren.

 

Okay, Auflösung des Fotos oben:
1. Reihe von links nach rechts: Mit Xavier Naidoo, Stefan Schubert, Hagen Grell, Matthias Mattussek
2. Reihe von links nach rechts: Mit Jan Walker („Legitim.ch“), Eva Hermann, Naomi Seibt, Johannes Thiessen („Philosophie Workout“)
3. Reihe von links nach rechts: Mit Oliver Flesch, Gerhard Wischnewski, Heiko Schrang, Wolfgang Eggert (Alternativmedien-Autor).

Update 20.10.2020.: Formulierungen im Text wurden geändert.

Update 27.10.2020: Am 22.10.2020 teilt Oliver Janich auf Telegram seinen Anhänger*innen mit, dass sein YouTube-Kanal gelöscht wurde („159.000 Abonennten, über 800 Videos und über 40 Millionen Abrufe.“)

Weiterlesen

Eine Plattform der