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„Steeler Jungs“, NPD und IB Neonazis bei diesjährigen Faschingsumzügen

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Neonazis von der NPD verteilten in Hessen offenbar auch Süßes an Kinder (Quelle: Screenshot Facebook-Schutzzonen-Seite)

Noch bis Aschermittwoch ist der Karneval in Deutschland im vollem Gang. In den vergangenen Tagen feierten bereits tausende Menschen ausgelassen auf den Straßen und in Kneipen. In der fünften Jahreszeit geht hauptsächlich um Kamelle, Kostüme, Alkohol und ausgelassene Feierei. Doch auch in diesem Jahr läuft nicht alles ganz reibungslos:     

In Jahnsdorf im sächsischen Erzgebirge beispielsweise, lud die Gemeinde zu einer Karnevalsfeier ein. Das Motto lautete Uniformen. Der Flyer, der die Veranstaltung bewarb, zeigte Männer in Wehrmachtsuniformen. Aber auch die Büttenrede der CDU-Bundesvorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer, in der sie sich über intersexuelle Menschen auf deren Kosten lustig macht, ist alles andere als witzig.  

Doch nicht nur diese angeblichen „Ausrutscher“ fallen in diesem Jahr negativ zu Karneval auf, auch Neonazis nutzen die Karnevalszeit für ihre Zwecke und mischten sich unter die Jecken:

„Steeler Jungs“: Rechtsextreme Bürgerwehr mit eigenem Wagen und offener Gewaltandrohung

Am Sonntag beteiligten sich die rechtsextremen „Steeler Jungs“ als „Steeler Jecken“ am Karnevalsumzug in Essen mit einem eigenen Wagen und einer Fußgruppe aus Männern, Frauen und Kindern. Auf ihren Köpfen trugen sie Helme, die stark an Wehrmachtshelme erinnern. Der Wagen und die obligatorischen Quasi-Uniformen in Form von bedruckten Pullis waren durchweg in Schwarz-Weiß-Rot gewählt. Die Trikolore der sogenannten Reichsflagge bildete von 1933 bis 1945 die Farben des Deutschen Reiches und ist noch heute eine beliebte Farbkombination von Neonazis.

Auf der Vorderseite des Zugwagens war unzulässigerweise das Stadtwappen der Stadt Essen dargestellt. Auf der Rückseite des Wagens prangte eine geballte Faust, die eine „Zecke“ zerdrückt, sowie der Spruch „Schütz euch vor den Zecken – Helau… Die Steeler Jecken“. Eine offene Gewaltandrohung gegenüber Andersdenkenden, da im szenetypischen Jargon linke Aktivist*innen als „Zecken“ bezeichnet werden.

Auf der Rückseite des Wagens der rechtsextremen Gruppe „Steeler Jungs“ prangte eine geballte Faust, die eine „Zecke“ zerdrückt, sowie der Spruch „Schütz euch vor den Zecken – Helau… Die Steeler Jecken“ zu lesen.

Etwa seit 2017 tritt die Gruppierung “Steeler Jungs” wöchentlich im Essener Stadtteil Steele als sogenannte „Bürgerwehr“ auf. Die Gruppe setzt sich größtenteils aus rechtsextremen Hooligans aus dem Umfeld des Fußballvereins Rot-Weiss Essen, der „Bruderschaft Deutschland“ und Angehörigen der Rocker- und Türsteher-Szene zusammen.

„Ein Karnevalsumzug ist ein Ereignis, an dem vor allem Familien mit Kindern teilnehmen. Gerade hier hat rechtes Gedankengut absolut nichts verloren. Wenn man eine Gruppe mit Verbindungen zu gewaltbereiten Hooligans und Rechtextremen an Karneval im Zug mitlaufen lässt, dann hilft man mit,  rechtes Gedankengut in der Mitte der Gesellschaft zu verbreiten“, so Sonja Neuhaus vom Bündnis „Essen stellt sich quer“.

  • Gegen den nächsten Auftritt der „Steeler Jungs“ am kommenden Donnerstag (07.03.2019) ist bereits Gegenprotest angekündigt.

Die NPD als „Schutzzone“ auf dem Usinger Fastnachtsumzug  

Am Samstag haben NPD-Aktivist*innen im hessischen Usingen den Fastnachtszug genutzt, um auf ihre rechtsextreme Kampagne „Schutzzone“ zu werben. Wie Bilder in den sozialen Medien erzählen, beteiligten sich offenbar vier Personen an der NPD-Aktion, indem sie in ihren typischen roten Warnwesten in der feiernden Menge stehen.

Weil die Stadt an Fasching angeblich im Chaos versinke, halfen „unsere Jungs und Mädels mit einer Schutzzonen-Streife aus“, heißt es auf der Facebook. Worum es bei dieser NPD-Kampagne geht? Blanker Rassismus. Mit ihrem eher medialen Projekt einer Bürgerwehr, geht es der NPD darum, Ressentiments gegenüber Migrant*innen zu schüren – es geht um angeblich mehr Sicherheit, allerdings nur für Weiße. Es handelt sich um eine zutiefst rassistische Kampagne, die jeden nicht weißen Menschen zu einem potenziellen Straftäter stigmatisiert.

Die NPD-„Schutzzone“ beim Karnevalsumzug

Der Begriff der „Bürgerwehr“ wird dabei vermieden – offensichtlich ist er mittlerweile zu negativ besetzt – genauso wie auch die Patrouillierenden selbst es vermeiden, durch ein Logo oder ähnliches ihre Nähe zur NPD zu offenbaren: Auf ihren roten Westen steht nur “Schutzzone”. Man will als dezidiert überparteiliche Mitmach-Aktion erscheinen, die sich „an alle wehrhaften Bürger in Deutschland“ richtet.

Der Usinger Bürgermeister Steffen Wernard (CDU) und Vlado Katrusa, Vorsitzender des veranstaltenden Usinger Carneval Vereins, reagierten entsetzt und kündigten die Prüfung von rechtlichen Maßnahmen gegen die Aktion an.

Ruhrpott Roulette: Absolut nicht witzig

Auch das neueste rassistische YouTube-Projekt der sogenannten „Identitären Bewegung“ (IB) mogelte sich auf den Karneval. Die beiden rechtsextremen Protagonisten Kai Alexander Naggert und Marius König vom IB-Ableger „Defend Ruhrpott“, drehten für ihre zweite Folge ihres angeblich witzig gemeinten YouTube-Kanal auf dem Kölner Karneval.

„Die kargen Tage, in denen der Patriot sein Feierabendbier griesgrämig zwischen den nächsten Flachwitzen eines Oliver W. oder Jan B. gegen sich selbst hastig herunterspülte, scheinen gezählt“ schreibt etwa das IB-Magazin „Arcadi“. Der angeblich satirische YouTube-Kanal „Ruhrpott Roulette“ soll hier offenbar Abhilfe schaffen. In der ersten Folge ging es nach einer User*innen-Abstimmung um das Thema „Hallo, ich bin rechts“. Hier drängt König etwa einer kopftuchtragenden Frau ungefragt seine rechte Einstellung auf und Naggert wünscht sich von einem Straßenmusiker das NS-Propaganda Lied „Erika“.

Für die neueste Folge, „Linke Kostümpolizei“, drehten die beiden Neonazis nun offenbar auf dem Kölner Karneval. „Die zwei ziehen verkleidet als linke Bessermenschen los und regen sich über sexistische, rassistische sowie politisch unkorrekte Kostüme der anderen Karnevalisten auf und stellen diese zur Rede“, heißt es in einer Ankündigung. Und als wäre das nicht schon Provokation genug, haben sich die Zwei offenbar noch das Gesicht dunkel angemalt („Blackfacing“).

Antisemitismus in Belgien

In der flämischen Kleinstadt Aalst sorgt ein vulgär antisemitischer Karnevalwagen für internationale Empörung: Eine riesige Skulptur zweier orthodoxer Juden aus Pappmaché stand auf einem Wagen. In ihrer Aufmachung verkörpern sie Hässlichkeit; eine Figur raucht grinsend eine Zigarette und streckt die Hand aus, offenkundig um Geld zu kassieren. Auf der Rückseite des Wagens war eine Ratte abgebildet, die auf einem Geldkoffer saß; im Hintergrund war ein Medusa-Symbol zu sehen – eine typisch antisemitische Karikatur wie aus den Jahren 1936 oder 1939. Über 80.000 Zuschauer standen am Wegesrand. Selbstredend, so teilte die verantwortliche Karnevalsgesellschaft mit, wollte man mit dieser antisemitischen Hassbotschaft – die unter dem Motto „Sabbatjoor“ stand – gegen steigende Inflation protestieren.

Karnevalisten marschierten in SS-Uniform; Plakate zeigten flämische Politiker mit Kanistern, auf denen „Zyklon B“ stand. Noch während des Karnevalzuges wurde ein PKW mit geschwärztem PKW-Kennzeichen in die gesperrte Zone gefahren; die Polizei entdeckte Waffen und Baseballschläger im Wageninnern.

Bereits 2013 war gleichfalls in Aalst ein Umzugswagen mitgefahren, der einen Eisenbahnwaggon symbolisierte, mit dem Juden und Jüdinnen in die deutschen Gaskammern transportiert worden sind.

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