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AfD-Demo in Arnstadt Protest gegen die selbsternannte „Protest-Partei“

Arnstadt sollte das Image der AfD als Protestpartei wiederaufleben lassen. Trotz prominenter Gäste blieb es jedoch bei einem routinierten Auftritt mit wenig Überraschungen. Zur Gegendemonstration hatte ein breites Bündnis mobilisiert.

 
Die AfD wollte sich im im thüringischen Arnstadt als "Protestpartei" inszenieren, aber Proteste gab es vor allem gegen sie. (Quelle: T. Manemann)

Es war die erste Rede des AfD-Politikers Markus Klimpel und so richtig gelingen wollte die nicht. Die „Höcke“-Rufe seiner Zuhörer*innen rissen ihn aus dem Konzept. Viel zu lange schienen die etwa 150 AfD-Anhänger*innen im thüringischen Arnstadt auf ein Wiedersehen mit „Flügel“-Führer Björn Höcke gewartet zu haben. Sein Gang zum Rednerpult glich einem Teenager-Konzert. Höcke musste alle paar Meter anhalten, um für ein Foto mit seinen Anhänger*innen zu posieren. Ganz so harmonisch blieb es dann aber doch nicht.

Björn Höcke in Arnstadt.

Arnstadt sollte der Auftakt für die Wiederaufnahme des AfD-Images als Protestpartei werden. Der AfD-Kreisverband Ilmkreis-Gotha hatte zur Demonstration unter dem Motto „Corona: Die Krise nach der Krise – vom Versagen der Bundes- und Landesregierung“ eingeladen – mit prominenten Gästen. „Das ist mein erster Auftritt unter den Corona-Maßnahmen“, erklärt Höcke sein Debüt und gibt zu, „die Maßnahmen haben auch uns als AfD getroffen.“ Durch die Demonstrationsverbote sei es der AfD nicht gestattet gewesen, die gewöhnlichen Demonstrationen wie gewünscht abhalten zu können.

Die Partei hatte lange Schwierigkeiten, eine klare Haltung zu Pandemie zur finden. Der Bundesvorstand Jörg Meuten war mal für, mal gegen einen Lockdown, während der stellvertretene Bundessprecher Stephan Brandner noch während der Pandemie-Maßnahmen Informationsstände abhielt. Mittlerweile ist die Haltung gefunden: „Das Virus kommt jedes Jahr in Form der Grippe wieder“, sagt Höcke, „es ist eine mediale Inszenierung.“ Die eingeladenen Redner sind sich einig: Das Virus existiere nicht, die Maßnahmen gegen die Verbreitung seien unverhältnismäßig und strapazierten die Wirtschaft unnötig. Die ersten Sätze brüllte Höcke in gewohnter Manier in das Mikrofon. Fast schien es, als laufe er sich nach einer Zwangspause wieder warm. Dennoch fiel seine Rede verhältnismäßig moderat aus. Er rechnete Wirtschaftsschäden vor, sprach sich gegen ein Dieselfahrverbot aus und sprach davon, dass der „Markt entscheiden muss“. Seine Anhänger*innen gerieten erst wieder in Stimmung als er seine Rede mit den Worten „Ja zu Familie, Volk, Nation! Es lebe das deutsche Vaterland!“ schloss.

Die innerparteilichen Streitigkeiten blieben unerwähnt. Der vom Verfassungsschutz seit Anfang des Jahres als rechtsextrem eingestufte „Flügel“ mit Höcke als Führungsfigur hat in Thüringen seinen Ursprung. Auch wenn der „Flügel“ offiziell aufgelöst wurde, gilt er immer noch als einflussreich innerhalb der Partei. Jüngst zeigt sich dies an der Causa Andreas Kalbitz. Dem Brandenburger AfD-Landeschef wurde vom AfD-Bundesvorstand aufgrund verschwiegener Mitgliedschaften in Neonazi-Organisationen die Mitgliedschaft entzogen. Mittlerweile hat ein Schiedsgericht die Entscheidung wieder aufgehoben. In der Diskussion um den Verbleib des AfD-Mitglieds Kalbitz mit Kontakten in die Neonazi-Szene ist ein Machtkampf zwischen der aufgelösten rechtsextremen Parteiströmung und restlichen Parteimitgliedern entbrannt.

AfD-Fan in Arnstadt mit „Heil Merkel“-Maskenaufschrift.

Das Gesicht der rechtsextremen AfD-Bewegung hatte dafür nur einen Nebensatz übrig. Man habe den Inlandsgeheimdienst indoktriniert und gegen sie in Stellung gebracht, so Höcke. Vor den Zuhörer*innen muss er sich nicht rechtfertigen. Die thüringischen Landesverbände stehen dem ehemaligen „Flügel“ nah und unterstützen dessen rechtsextremen Kurs. Auch Stephan Brandner, AfD-Bundestagsabgeordneter, gehört dazu. Er ist für antisemitische Ausfälle bekannt und findet in seiner Rede schnell den Bogen von Covid19-Maßnahmen zur Leugnung des Klimawandels oder der Forderung zur Abschaffung der öffentlich-rechtlichen Medien. Die Rassismus-Debatte sieht er als „aus Amerika importiert“ an und findet die Umbenennung der „M*Straße“ in Berlin lächerlich. „Sollen wir unser Schwarzbier jetzt Bier of Color nennen“, verhöhnte Brandner die Black-Lives-Matter-Bewegung.

Stefan Brandner in Arnstadt.

Zum Gegenprotest hatte ein breites Bündnis aus Gewerkschaften und Verbänden mobilisiert. Im Aufruf hieß es, man lasse sich nicht „unsere gesellschaftlichen Werte wie Toleranz, Pluralismus und Weltoffenheit streitig machen“. Gefolgt sind dem Aufruf etwa 100 Menschen, die strenge Auflagen erfüllen mussten. So wurde eine Laufdemonstration untersagt, Sprechchöre verboten und somit eine Gegenkundgebung in unmittelbarer Entfernung zur AfD unterbunden. Nichtsdestotrotz gelang es einigen, eine Spontandemonstration in Sichtweite abzuhalten. Die mitgebrachten Musikinstrumente störten Höcke immer wieder in seinen Redepausen.

Zwar hatte die AfD gleiche Auflagen, jedoch musste die Polizei den Anmelder immer wieder auf die Abstände und Pflicht zum Tragen eines Nasen-Mundschutzes aufmerksam machen. Die Einhaltung der Hygieneauflagen erfolgt größtenteils jedoch nicht, ohne dass es zu Konsequenzen führte.

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