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AfD und Halemba Wieviel Bekenntnis zum Nationalsozialismus ist erlaubt?

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AfD-Politiker Daniel Halemba verlässt mit seinem Rechtsanwalt Dubravko Mandic das Gerichtsgebäude am Würzburger Landgericht. (Quelle: picture alliance/dpa | Heiko Becker)

Vorläufiger Höhepunkt: Die AfD zwingt ihre Jugendorganisation eine Solidaritätsdemonstration für Daniel Halemba kurzfristig abzusagen. Im Streit geht es auch um taktisches Verhalten in der Öffentlichkeit und die Frage, wie die Partei mit Abgeordneten umgeht, die keine spürbare oder zumindest taktische Distanz zum historischen Nationalsozialismus haben.

Kurze Chronologie des Fall Halemba

  • November 2022/ März 2023: Im Wahlkreis Haßberge/Rhön-Grabfeld wird Daniel Halemba überraschend zum Direktkandidaten und auf einem aussichtsreichen Platz auf der unterfränkischen AfD-Liste für die bayrische Landtagswahl gewählt. Eine parteiinterne Konkurrentin spricht von „Mauscheleien“. Die Wahl Halembas sei nur durch Mitglieder seiner Studentenverbindung „Prager Teutonia zu Würzburg“ ermöglicht worden, die teils nicht stimmberechtigt gewesen seien. Die Wiederholung der Listenaufstellung im März 23 wird notwendig, da ein Bürge, der eine eidesstattliche Versicherung abgeben soll, dass die Versammlung im November 2022 gesetzmäßig abgelaufen war, seine Unterschrift verweigert. Laut Medienberichten sei Halemba 2020 mit einem ähnlichen Vorgehen in den Pfarrgemeinderat der katholischen Kirchengemeinde in Wertheim gewählt worden. Den Posten tritt er damals auf Druck wegen seiner AfD-Mitgliedschaft nicht an.
  • Am 14. September 2023 gibt es eine Razzia in der Würzburger Burschenschaft „Prager Teutonia“, in der Daniel Halemba wohnt. Hinweise auf die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung sind nach Polizeiangaben der Anlass. Beweismittel seien sichergestellt worden.
  • Am 08.Oktober 2023 zieht Daniel Halemba als jüngster Abgeordneter in den bayrischen Landtag ein.
  • Am 28. Oktober 2023 wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft Würzburg ein Haftbefehl gegen Halemba ausgestellt u.a. wegen dem Vorwurf der Volksverhetzung und Verdunkelungsgefahr. Der 22-jährige AfDler taucht unter.
  • Am 30.Oktober 2023 wird Halemba nach einer Handyortung festgenommen. Nach kurzer Ingewahrsamnahme wird er gegen Auflagen auf freien Fuß gesetzt.
  • Die Staatsanwaltschaft Würzburg erläutert in einer Presseerklärung am 31. Oktober 2023 die Vorwürfe gegen Daniel Halemba: Seit mehreren Wochen werde wegen des „Verdachts der Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“ ermittelt. Der Verdacht gegen den Beschuldigten und weitere Mitglieder der Verbindung habe sich erhärtet. Laut Staatsanwaltschaft hat Halemba im Gästebuch des Verbindungshauses mit „Sieg Heil“ unterzeichnet, zudem wurde „an prominenter Stelle“ in seinem Zimmer der SS-Befehl Heinrich Himmlers zur Aktion „Lebensborn“ sichergestellt. Er befiehlt den SS-Männern, deutsche Frauen „guten Blutes“ zu schwängern. Zudem sieht die Staatsanwaltschaft Verdunkelungsgefahr, da Halemba mit anderen Mitgliedern der Verbindung einen Mitbeschuldigten „massiv eingeschüchtert“ habe.

Halemba, Höcke, Himmler

Dass Daniel Halemba ein Höcke-Fanboy ist, war im Wahlkampf bekannt. Dass er womöglich auch ein Himmler-Fanboy ist, hingegen nicht. Auch nach dem die Vorwürfe öffentlich werden, rückten JA, Teile der AfD und ihr rechtsextremes Umfeld nicht von ihren Solidarisierungsbekundungen gegenüber dem Abgeordneten ab. Ganz im Gegenteil: Zwei Tage nach dem Bekanntwerden der erweiterten Vorwürfe rief die JA zur großen Soli-Demo für ihren Kameraden auf.

„Fällt Halemba, fällt die ganze AfD“.

Es sollte ein Symbol der Stärke werden, auch gegenüber der Bundespartei, die sich merklich mit Solidaritätsbekundungen in Sachen Halemba zurückgehalten hatte. Doch daraus wurde nichts. Wenige Stunden vor Demobeginn gab die JA kleinlaut über Social Media bekannt, dass die Demonstration abgesagt wurde. Die Absage beruhe auf „Gesprächen mit mehreren in den Prozess involvierten Akteuren“, heißt es nebulös. Auch wenn offiziell die JA Bayern die Verantwortung für die Absage übernahm, werden neben der bayrischen AfD-Führung auch Bundessprecher*innen Alice Weidel und Tino Chrupalla als diejenigen benannt, die massiven Druck gegen eine zu forsche Solidarisierung mit Halemba ausgeübt hätten und die Absage der Demonstration erzwangen. Schon über eine Woche vor der kurzzeitigen Festnahme des Abgeordneten twitterte sein Anwalt, der ehemalige Freiburger AfD-Stadtrat, Dubravko Mandic: „Chrupalla wirkt im Hintergrund sehr unschön auf die AfD Bayern ein. Hoffe das legt sich. Bitte keine Feigheit jetzt“. Und verband das mit der Drohung: „Fällt Halemba, fällt die ganze AfD“.

Auch Björn Höcke stand ganz von bei der Solidarisierung mit dem AfD-Jungpolitiker. Für diesen forderte er von Politik und Justiz „Welpenschutz“. Das rechtsstaatliche Verfahren gegen Halemba bezeichnete er als „Treibjagd“. Er teilte einen Spendenaufruf des als gesichert rechtsextrem eingestuften Kampagnenvereins „EinProzent“ zur Unterstützung. Dieser ist immer noch (Stand 6. November) in Höckes Social-Media-Kanälen aufrufbar.

Dumme Jungenstreiche?

Auch die üblichen Verdächtigen, wie z.B. Benedikt Kaiser aus dem Umfeld des vom Verfassungsschutz beobachteten Instituts für Staatspolitik und Philip Stein, Vorstand von „EinProzent“, meldeten sich schnell zu Wort und sprangen für Halemba in die Presche.

Benedikt Kaiser ist ein Meister der Verharmlosung. In einem Podcast mit Philip Stein zum Fall Halemba gibt er diese Fähigkeiten zum Besten: „Kaum wird in einer randständigen Burschenschaft irgendein Wein gefunden rasten alle aus“, empört sich Kaiser. Zur Erläuterung, die Burschenschaft Prager Teutonia gilt schon lange als Sammelbecken von Rechtsextremen in Würzburg und Umgebung, Nachbarn fühlen sich bedroht, berichten von aufgeschlitzten Reifen. Und auf der besagten Weinflasche, sollen sich nach Medienberichten nationalsozialistische Symbole befunden haben. Dass Kaiser das harmlos findet, dürfte daran liegen, dass er in der nationalsozialistischen Kameradschaftsszene sozialisiert wurde, sich nie davon distanziert hat und ideologisch weitestgehend noch darin verhaftet ist.

Auch Philip Stein, Chef des rechtsextremen Vereins EinProzent, gibt in dem Podcast seine Weisheiten kund. Halemba kenne er nicht, er mache aber einen guten Eindruck, findet Stein. Als ehemaliger Pressesprecher der Deutschen Burschenschaft weiß er auch die Funde in der Burschenschaft einzuordnen: Unter jungen Männer passierten Sachen, die heute nicht mehr schlau seine, über die früher aber gelacht wurde, so Stein. Aber das seien nur dumme Jungenstreiche: „Die Jungs meinen es nicht so“, ist sich Stein sicher. Man könne ja mal „Quatsch machen“ und „über die Stränge schlagen“, dass das jetzt verboten sein soll versteht Stein nicht. Und er hat noch einen Rat an die AfD: Er fordert sie auf, die Geschichte „intern aufzuarbeiten. Notfalls mit brutaler Bestrafung. Ich bin kein Gegner brutaler Bestrafungen, wenn sie wirklich notwendig sind“. Und auch Kaiser glaubt, dass Halemba mutmaßlich „einen großen Fehler gemacht hat“, schiebt das aber auf sein junges Alter. Zusammenfassung: Vorwürfe stimmen wahrscheinlich, aber kein Grund nicht solidarisch mit dem mutmaßlichen Täter zu sein.

Während Teile der JA und „Vorfeld“ offen solidarisch agierten, verhielt die AfD sich uneinheitlich. Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke oder der Vorsitzenden der AfD Sachsen-Anhalt, Martin Rechardt solidarisierten sich öffentlich mit Halemba. Das tat anfänglich auch die bayrische AfD-Fraktion und erklärte noch nach der vorrübergehenden Festnahme, man stehe „vollumfänglich“ hinter dem Abgeordneten. Nach den neuen Vorwürfen inkl. Himmler-Befehl tauchte die Fraktion ab. Der Bundes-Parteivorstand hielt sich von Beginn an betont zurück. Den Jugendverband, der in weiten Teilen rechtsextremen Partei, erzürnt die Haltung der Mutterpartei und führende Aktivist*innen der JA wie Anna Leisten, Mitglied des Bundesvortandes, forderten AfD-Führungsetage auf, sich gefälligst solidarisch zu zeigen.

Gründe für die Zurückhaltung von Teilen der AfD

Dass die Führungsspitze der AfD, insbesondere nach den neuen Vorwürfen, eher Zurückhaltung in der Causa Halemba übt, dürfte mehrere Ursachen haben.

Deutschland ist gerade mitten in einer Migrationsdebatte, die AfD treibt die anderen Parteien vor sich her. Bei der aktuellen Debatte um Zuwanderung, aber auch über die Auswirkungen des Nahost-Konflikts auf deutschen Straßen dürfte der Popcorn-Verbrauch in der AfD massiv gestiegen sein, angesichts von Äußerungen, wie die von Jens Spahn, Migration müsse man auch mit „physischer Gewalt“ aufhalten oder die verkürzte Debatte um „importierten Antisemitismus“. Die seit Monaten andauernden Debatte, wo nicht Not und Leid von Geflüchteten im Vordergrund steht, sondern vielfach der Eindruck vermittelt wird, dass Menschen nur fliehen um die Deutschen auszunutzen („Einwanderung in die Sozialsysteme“) läuft wie nach AfD-Drehbuch ab. Bis hin zur Äußerungen der FDP, der grüne Koalitionspartner sei durch seine im Verhältnis noch liberale Haltung zu Migration ein „Sicherheitsrisiko für das Land“.

Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung könnten die Wahlerfolge in Hessen und Bayern sein. Vor ein paar Monaten plädierten noch führende Politiker der AfD Ostverbände sich komplett auf Ostdeutschland zu konzentrieren. Der Westen sei insbesondere aufgrund des hohen Migrationsanteil in der Bevölkerung und einer jahrzehntelangen Westbindung „verloren“. Nach den Wahlerfolgen in Bayern und vor allem in Hessen ist diese Debatte vorerst beendet. Den Aufbau West möchte die Parteiführung jetzt wohl kaum durch Halemba und seine NS-Sympathien in Gefahr bringen.

Halemba steht für den positiven Bezug zum Nationalsozialismus. Das scheint der Führungsspitze der AfD, aber auch Teilen der JA, (noch?) nicht opportun. Daher geht es bei der Debatte um den Burschenschafter auch um die Frage, wie viel positiven Bezug zu Nationalsozialismus kann und will die AfD sich leisten bzw, zumindest tolerieren. Vor Jahren wäre Halemba vermutlich umgehend aus der Fraktion geflogen. Jetzt streitet die AfD über die Frage, Solidarisierung oder Nichtverhalten. Eine klare Distanzierung oder gar Rücktrittsforderungen hört man aus den vorderen Reihen der Partei gar nicht. Auch das ist ein Grund warum es Personen wie Halemba in die AfD zieht. Vor zehn Jahren wäre er wahrscheinlich eher in die NPD eingetreten. Ein weiterer Beleg für die fortschreitende Radikalisierung.

Parteidisziplin eingefordert

Der nun scheinbar von der Parteispitze durchgedrückte Kurs, keine breitenwirksame Solidarität mit dem Abgeordneten zu üben, ist nicht (nur) inhaltlicher, sondern vor allem taktischer Natur. Aber er dürfte insbesondere die JA, aber auch die Riege um Björn Höcke vor den Kopf stoßen. Immerhin hatte der Bundesvorstand der JA wenige Tage zuvor noch von einem einmaligen „Akt der willkürlichen Verfolgung der Opposition in Deutschland“ gesprochen. Daher bleibt abzuwarten, wie JA & Co in nächster Zeit reagieren.

Bemerkenswert ist, wie wenig öffentliche Kritik durch die Jugeendorgansiation und deren politischen Umfeld an der Absage der Kundgebung geübt wurde. Das lag kaum an nicht vorhandener Kritik an der Absage. Der Vize-Chef der JA Tomasz Froelich gab auf X (Ex-Twitter) die Richtlinie vor: „Lagerhygiene ist wichtig. Lagerhygiene erfordert Disziplin. Disziplin heißt aber auch, daß wir sowas intern statt auf X besprechen, sonst wirkt es wie auf Zuruf und unsouverän. Wir wissen ja, wie dieser Staat mit uns umgeht. Vorerst gilt Unschuldsvermutung“. Daran wurde sich weitestgehend gehalten. Im Zweifel sind JA & Co doch weniger die „aufmüpfige deutsche Jugend“, als die sie sich gerne inszenieren, sondern einfache Parteisoldaten – ebenso das vermeintlich parteiunabhängigen Vorfeld.

Debatte wird weitergehen

Der Fall ist für die AfD noch nicht ausgestanden. Die bundesweite Aufmerksamkeit genoss der Jungpolitiker sichtbar. Auf X bewarb er sich gleich auf die Stelle als Bundesinnenminister. Rechtsextreme Gesinnung und überbordendes Selbstbewusstsein, zudem ein laufendes Strafverfahren: Die Debatte um Halemba könnte, zumindest für die bayrische Fraktion, noch zur Zerreißprobe werden.

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